Krise & Chance September 2022

Krise Chance präsentiert von September 2022 Neues zu Restrukturierung und Insolvenz Von groSSer Bedeutung

Transformieren Der vor rund 100 Jahren gegründete Elektrotechnikbetrieb und Schaltschrankbauer Ritter mit Hauptsitz in Mühlacker will sich in einem Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung sanieren. Einem entsprechenden Antrag hat das Amtsgericht Pforzheim Mitte August zugestimmt. Die Geschäftsführung wird vom Generalbevollmächtigten Norbert Ruthemeyer von dasWerk Consulting bei der Umsetzung der Sanierungsmaßnahmen begleitet. Zum vorläufigen Sachwalter wurde Holger Blümle bestellt. Ritter erwirtschaftete im Jahr 2020 noch positive Ergebnisse. Aufgrund der Auswirkungen der Pandemie konnten im Jahre 2021 allerdings viele Vor-Ort-Aufträge nicht ausgeführt oder abgenommen werden. Zusätzlich reduzierte die allgemeine HalbleiterKrise die Fertigungsmöglichkeiten des Unternehmens. Ticker

n Für diese Ausgabe von Krise & Chance haben wir mit den Expertinnen und Experten ausschließlich Interviews geführt. Die Online-Enzyklopädie Wikipedia beschreibt das Interview als Form der Befragung mit dem Ziel, persönliche Informationen, Sachverhalte oder Meinungen zu ermitteln. Eines der sicherlich folgenreichsten Interviews, die je gegeben wurden, jährte sich vor Kurzem zum 20. Mal: Anfang Februar 2002 gab der damalige Chef der Deutschen Bank, Rolf-E. Breuer, dem TVSender Bloomberg ein Interview. Darin zweifelte er an, dass die Finanzbranche dem Medienunternehmer Leo Kirch noch „weitere Fremd- oder gar Eigenmittel“ geben würde. Anfang April 2002 stellte KirchMedia Insolvenzantrag. Nach jahrelangen Gerichtsverfahren sprach das Oberlandesgericht München in einem Vergleich mit der Deutschen Bank den Erben Kirchs einen Ausgleich von rund 900 Millionen Euro für die Nachteile zu, die Kirch und dessen Unternehmen dadurch entstanden waren. Es zeigt sich: Das, was man in einem Interview sagt, ist wie der Titel dieser Ausgabe „Von großer Bedeutung“. Weniger folgen- als vielmehr sehr inhaltsreich sind die drei Interviews und Themen dieser Ausgabe: Seit dem 17. Juli werden StaRUG-Restrukturierungen auch in den anderen EU-Mitgliedsstaaten anerkannt. Dr. Annerose Tashiro, die Leiterin unserer Internationalen Abteilung, erläutert, was Berater und Unternehmen dabei beachten müssen und warum Deutschland als Sanierungsstandort international wettbewerbsfähig ist. Dr. Lutz Jäde und Dr. Maximilian Majic von Oliver Wyman sprechen über die Ergebnisse ihrer aktuellen Restrukturierungsstudie „Die Krise nach der Krise“ und erläutern, warum Unternehmen ihre Hausaufgaben machen sollten. Prof. Michael Grote von der Frankfurt School of Finance & Management und Dr. Elske Fehl-Weileder von Schultze & Braun ordnen die aktuellen Entwicklungen auf dem chinesischen Immobilienmarkt ein und erläutern, wo sie Parallelen sowie Unterschiede zwischen dem hiesigen und dem fernöstlichen Immobilienmarkt sehen. Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre! Ihr Tobias Hirte e d i t o r i a l

Vor fünf Jahren stellten die Fluggesellschaft Air Berlin und ihre persönlich haftende Gesellschafterin, die Air Berlin PLC, jeweils einen Insolvenzantrag. Gemäß der Europäischen Insolvenzverordnung wurde auch bei der formal britischen PLC die Zuständigkeit des Amtsgerichts Berlin-Charlottenburg festgestellt. Der Flugbetrieb von Air Berlin wurde zunächst weitergeführt – finanziert durch einen Übergangskredit in Höhe von 150 Millionen Euro, der mit einer Bundesbürgschaft abgesichert wurde. Fünf Jahre später zeichnet sich ab, dass das Insolvenzverfahren durchaus noch weitere fünf Jahre dauern dürfte - bei solch großen Verfahren nicht ungewöhnlich. Vor Kurzem sorgte eine weitere Fluggesellschaft für Schlagzeilen: Die schwedische SAS Scandinavian Airlines mit Sitz in Stockholm stellt bei einem Gericht in den USA Antrag auf Gläubigerschutz nach Chapter-11. Im TitelInterview erläutert Dr. Annerose Tashiro, warum deutsche Unternehmen nicht auf das transatlantische Forumshopping von SAS abheben sollten. Die Suche nach Investoren für eine Übernahme des Herstellers des besonders nachhaltigen und langlebigen Kinder-MP3Players „hörbert“ wird auch im vorläufigen Insolvenzverfahren unverändert fortgesetzt. Für weitere Wachstumspotentiale sind ein Ausbau des Vertriebs und eine seniorengerechte Produktversion geplant. „Dafür benötigt das Unternehmen frische Geldmittel und idealerweise auch einen Investor mit passenden Vertriebskanälen“, sagt der vorläufige Insolvenzverwalter der Winzki GmbH & Co. KG, Dr. Dietmar Haffa. „Es haben sich bereits Interessenten gemeldet, mit denen wir gute und konstruktive Gespräche führen.“ hörbert wird vollständig in Deutschland und nahezu ausschließlich auf der Basis ökologischer Werkstoffe – vorwiegend Holz – hergestellt und verfügt über eine eigens entwickelte Elektronik. Hören Fliegen Ticker

Der Geschäftsbetrieb der traditionsreichen Privatbrauerei Bischoff mit Sitz in Winnweiler bei Kaiserslautern wird zunächst kontrolliert heruntergefahren. Dadurch können die Verluste minimiert werden, die das Unternehmen auch im bereits anderthalb Jahre andauernden Eigenverwaltungsverfahren erwirtschaftet hat. Die Gründe, die zum Insolvenzantrag Ende 2020 geführt haben, konnten im Eigenverwaltungsverfahren nicht nachhaltig beseitigt werden. Die Eigenverwaltung wurde auf Antrag der Geschäftsführung aufgehoben. Dr. Jürgen Erbe wurde vom zuständigen Amtsgericht Kaiserslautern Mitte August zum Insolvenzverwalter bestellt. Wenn ein Investor frisches Kapital für die notwendigen Reparaturen zur Verfügung stellt und neue Aufträge mitbringt, kann die Produktion schnell wieder hochgefahren werden. Brauen Foto: www.hoerbert.com Foto: www.bischoff-bier.de

Von groS Bedeutu T i t e l

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Seit dem 17. Juli werden StaRUG-Restrukturierungen auch in den anderen EU-Mitgliedsstaaten anerkannt. Dr. Annerose Tashiro erläutert im Interview, was Berater und Unternehmen dabei beachten müssen und warum Deutschland als Sanierungsstandort international wettbewerbsfähig ist. Frau Tashiro, welche Bedeutung hat die EUweite Anwendbarkeit des StaRUG? Tashiro: Sanierungen und Restrukturierungen – gerade größerer Unternehmen – finden inzwischen nur noch selten national, sondern zumeist international über Ländergrenzen hinweg statt. Bei grenzüberschreitenden präventiven Restrukturierungen kann eine in Deutschland erreichte Gestaltung von Gläubigerrechten jetzt auch gegen Gläubiger in anderen EU-Mitgliedsstaaten durchgesetzt werden. Die damit verbundene grenzüberschreitende Rechtssicherheit ist gerade für die stark exportorientierte deutsche Wirtschaft von großer Bedeutung. Was sollten Unternehmen und Berater bei der EU-weiten Anwendbarkeit beachten? Tashiro: Zunächst ist es wichtig, dass Berater und Unternehmen bei der Vorbereitung einer StaRUG-Restrukturierung die Frage beantworten: Benötigen wir die EU-weite Anwendbarkeit oder nicht? Falls ja, muss ein Antrag auf Veröffentlichung der StaRUG-Restrukturierung im neuen Register www.restrukturierungsbekanntmachungen.de gestellt werden – und das, bevor das Gericht die erste Entscheidung im Verfahren getroffen hat. Das verlangt eine gut konzeptionierte Planung des Verfahrens. Allerdings ist die Nicht-Öffentlichkeit, also der gesetzliche Regelfall, für viele Unternehmen ein gewichtiges Argument für das StaRUG. Woran kann man sich bei der Entscheidung pro oder contra Veröffentlichung orientieren? Tashiro: Wenn sich der Restrukturierungsbedarf bei einem Unternehmen auf eine bestimmte Gläubiger-Gruppe in Deutschland beschränkt, und die anderen Gläubiger nach Möglichkeit nicht beteiligt werden sollen, ergibt es Sinn, die StaRUG-Restrukturierung nicht zu veröffentlichen. Das lässt sich mit einem Beispiel verdeutlichen: Ein Händler hat eine ganze Palette an Lieferanten und Kunden – hauptsächlich oder sogar ausschließlich in Deutschland. Den Teil, der nicht in die StaRUG-Restrukturierung einbezogen wird, will er nicht durch die Veröffentlichung verunsichern. Sonst muss der Händler unter Umständen auch mit nicht betroffenen Lieferanten darüber verhandeln, wie künftig die Zahlungsbedingungen aussehen sollen. Wann wäre die EU-weite Anwendbarkeit sinnvoll? Tashiro: Hat ein Unternehmen Kapitalgeber aus oder Drittsicherheiten im Ausland, die es in die Restrukturierung einbinden will oder muss – oder wenn das Unternehmen eine größere Anzahl an Gläubigern im Ausland hat, gegen die es möglicherweise den Restrukturierungsplan mit seinen Wirkungen auch durchsetzen will, dann braucht es die EU-weite Anerkennung und T i t e l

Anwendung des StaRUG und damit auch die Veröffentlichung. Im internationalen Zusammenhang hat der Insolvenzantrag der schwedischen Fluggesellschaft SAS in den USA für Aufsehen gesorgt. Eine Blaupause für deutsche Unternehmen? Tashiro: SAS nutzt mit dem Antrag die Möglichkeiten des US-Insolvenzrechts für sich, die dem Unternehmen wohl attraktiver erscheinen als die des schwedischen Rechts: ein transatlantisches Forumshopping. Für deutsche Unternehmen ist ein Chapter 11-Verfahren aber in 99 Prozent der Fälle nicht empfehlenswert. Wieso? Tashiro: Zum einen ist da die Frage, ob die Eingriffe zur Restrukturierung außerhalb der USA anerkannt werden? Die Antwort muss individuell für jedes Land, in dem das Unternehmen eigentlich seinen Sitz hat und seine Gläubiger und Anteilseigner tätig sind, geprüft und notfalls auch streitig verhandelt werden. Generell stünden die Chancen auf eine Anerkennung im Streitfall in Deutschland dafür nicht allzu gut. Das New Yorker Gericht ist aus unserer Sicht nicht zuständig, wenn nicht der satzungsmäßige oder der Verwaltungssitz im Gerichtsbezirk New Yorks liegen. Das klingt bereits nach einer großen Herausforderung. Gibt es weitere? Tashiro: Zu den rechtlichen Unsicherheiten um die Anerkennung kommt, dass ein Chapter 11-Verfahren sehr komplex und teuer ist. SAS hat den Schritt in die USA wohl auch gewählt, weil die Fluggesellschaft einen Debt-Equity-Swap anstrebt. Zudem benötigt SAS 700 Millionen Dollar frisches Geld als sogenanntes Massedarlehen. Beides Themen, die bislang im schwedischen Recht so nicht gut möglich sind, im deutschen hingegen sowohl in einem Eigenverwaltungsverfahren als auch in einer StaRUGRestrukturierung. Eingriffe in Arbeits- oder Leasingverträge wie sie bei SAS geplant sind, wären hierzulande aber nur im Rahmen eines Insolvenzverfahrens möglich. Wäre SAS eine deutsche Fluggesellschaft gäbe es also eigentlich keinen Grund, das US-Insolvenzrecht zu nutzen? Tashiro: Ja, gerade die Sanierung in Eigenregie ist den Möglichkeiten eines Chapter-11-Verfahren durchaus ebenbürtig. Generell gilt: Gerade in den letzten Jahren hat Deutschland seine internationale Wettbewerbsfähigkeit als Sanierungsstandort erhöht – nicht zuletzt durch die EU-weite Anwendbarkeit des StaRUG. Die Interviewpartnerin: Dr. Annerose Tashiro ist Rechtsanwältin, Registered Foreign Lawyer und leitet die Internationale Abteilung für Insolvenzrecht bei Schultze & Braun.

Thema Eine Fußball-Weisheit lautet: „Nach dem Spiel ist vor dem Spiel!“ Dass Unternehmen aktuell – wenn man Spiel durch Krise ersetzt – ein zweites Spiel zeitgleich zum ersten bestreiten müssen, ist eine enorme Herausforderung. Dr. Lutz Jäde und Dr. Maximilian Majic von Oliver Wyman sprechen über die Ergebnisse ihrer Restrukturierungsstudie „The Crisis after the crisis“ und erläutern, warum Unternehmen ihre Hausaufgaben machen sollten. Herr Jäde, Herr Majic, der Titel der Studie lautet „Die Krise nach der Krise“. Wieso? Majic: Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie beschäftigen Unternehmen seit mehr als zwei Jahren, und es ist davon auszugehen, dass sich das so bald leider nicht ändern wird – denken Sie etwa an die Lockdowns in China und die daraus resultierenden Störungen der globalen Lieferketten. Jäde: Die meisten Branchen haben sich von dem starken Nachfrageeinbruch im Jahr 2020 erholt. Allerdings haben viele Unternehmen immer noch mit den Spätfolgen der CoronaKrise zu kämpfen. Hinzu kommt – und darauf bezieht sich der Titel unserer Studie – dass der Krieg in der Ukraine den ohnehin hohen Druck auf Lieferketten, die Energiepreise und die Verfügbarkeit wichtiger Rohstoffe weiter verstärkt. Man kann durchaus sagen, dass die Krise der Normalzustand geworden ist. In Ihrer Studie haben Sie die wahrscheinlichsten Faktoren abgefragt, die Unternehmen 2022 in Bedrängnis bringen. Welche sind das? Jäde: 80 Prozent der Befragten schätzen die Spätfolgen der Corona-Pandemie als eine der wahrscheinlichsten Krisenursachen ein. Das zeigt, welche großen Auswirkungen die Pandemie weiterhin hat. Dass mit 63 Prozent geopolitische Konflikte als Krisenursache genannt werden, ist hingegen neu – und wahrscheinlich wäre dieser Wert angesichts der zunehmenden Spannungen zwischen den USA und China in Bezug auf Taiwan jetzt sogar noch höher. Disruptive Entwicklungen im Kundenverhalten und bei Technologien stellen für 60 Prozent der befragten Experten weitere Herausforderungen dar. Wie sieht es bei der Finanzierung aus? Jäde: Im Vergleich zu den bereits genannten Krisenursachen sehr gut. Von über 100 Teilnehmern hat kein einziger die Verfügbarkeit von Kapital als wesentliche Krisenursache angegeben. Wir haben über dieses Ergebnis unserer Hausaufgaben m Die Interviewpartner: Dr. Lutz Jäde und Dr. Maximilian Majic sind Partner bei Oliver Wyman in München. Jäde leitet die Turnaround und Restructuring Practice, Majic berät vornehmlich Automobilzulieferer in Sondersituationen. Fotos: Oliver Wymann

vor allem die Kosten reduziert und die Liquidität zusammengehalten werden. Die wesentliche Frage war daher damals: wann wird das Tal der Tränen hinter einem liegen? Dass die Umsätze wieder kommen, stand außer Frage. Dieser Automatismus gilt – zumindest für einige Zulieferer – so heute nicht mehr. Denn diese müssen nun neben den beschriebenen Herausforderungen parallel ihre Geschäftsmodelle überdenken und die Transformation stemmen. Das steigert den Finanzierungsbedarf enorm. Wie sollten Unternehmen reagieren? Jäde: Das lässt sich ebenfalls gut am Beispiel der Automobilzulieferer darstellen: In Zeiten mit wenigen Aufträgen, aber gleichzeitig mit exorbitant gestiegenen Kosten – etwa für Rohstoffe und Energie – ist es das A und O, den Liquiditätsschock so lange wie möglich abzufedern. Das ist aber in der Tat alles andere als einfach. Gleichzeitig müssen die Lieferketten so aufgestellt werden, dass sie stabil sind. Und das Unternehmen muss sein Geschäftsmodell so anpassen, dass es wirtschaftlich arbeiten kann. Majic: Die positive Nachricht ist, dass die Nachfrage nach Autos weiterhin vorhanden ist. Wenn die Lieferschwierigkeiten – in hoffentlich absehbarer Zeit – vorbei sind, können sowohl Hersteller als auch Zulieferer mit einem stabilen, wenn nicht sogar größeren Absatzmarkt rechnen. Studie mit mehreren Banken gesprochen. Die Kreditvergabe wird aus deren Sicht zwar restriktiver – allerdings nur dann, wenn die Unternehmen ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben. Von daher ist fehlende Finanzierung eher ein nachgelagerter Effekt, aber nicht der originäre Grund für die Krise. Majic: Wer hingegen einen überzeugenden Plan vorlegen kann, wie die strategischen und operativen Herausforderungen bewältigt werden können, hat bei Finanzierungen – zumindest aktuell – keine Probleme. Denn es zeigt sich ganz klar: Die derzeitige Krise ist weitaus stärker operativ und strategisch geprägt als die Krise in den Jahren 2008 und 2009, bei der Finanzierungen das dominierende Thema waren. Was bedeutet die aktuelle Krisenfolge für Unternehmen? Jäde: Sie müssen alles auf den Prüfstand stellen – bis hin zum Geschäftsmodell. Bislang war es so: Als Anlagenbauer hat man eine Anlage zu einem günstigen Preis gebaut und sein Geld über den Service verdient. Das funktioniert heute nicht mehr ohne weiteres, was für einige Unternehmen einen enormen Veränderungsbedarf nach sich zieht. Und nicht nur im Anlagenbau verändern sich Geschäftsmodelle so schnell wie noch nie. Majic: Auch im Automotive-Bereich gibt es Veränderungen. Diese Branche war schon immer zyklisch. Früher mussten jedoch in Krisenzeiten machen! Anhand des Beispiels des Automobilzulieferers BoltaWerke erläutert Volker Böhm in der August-Ausgabe, welche Möglichkeiten Geschäftsführungen und Vorstände im Fall einer Krise haben und im Blick haben sollten – nicht nur, aber eben gerade auch im Automotive-Sektor.

Die Krise auf dem chinesischen Immobilienmarkt verschärft sich weiter. Kann diese Entwicklung Auswirkungen auch auf den deutschen Immobilienmarkt haben? Prof. Michael Grote und Dr. Elske Fehl-Weileder ordnen im Interview die aktuellen Entwicklungen in China ein und erläutern, wo sie Parallelen sowie Unterschiede zwischen dem hiesigen und dem fernöstlichen Immobilienmarkt sehen. Frau Fehl-Weileder, Herr Grote, der Immobilienkonzern China Evergrande hat Ende Juli die selbst gesetzte Frist für die Vorlage des Restrukturierungsplans nicht eingehalten. Was bedeutet das mit Blick auf die Immobilienkrise in China? Grote: Zum einen, dass immer noch nicht klar ist, wie groß die Schieflage bei China Evergrande wirklich ist, und, dass die Immobilienkrise in China alles andere als vorbei ist. Viele Bauträger sind hochverschuldet und ihnen fehlt das Geld, um die Objekte fertigzustellen. In China wurden und werden Immobilien-Projekte mit den Zahlungen der Käufer für Wohnungen finanziert, die noch gar nicht gebaut wurden – das ist riskant, wenn das Wachstum einmal stoppt, so wie gerade. Wenn die Wohnungskäufer nun ihre Hypothekenzahlungen einstellen, kann die Immobilienkrise auch auf den chinesischen Bankensektor durchschlagen. Fehl-Weileder: Die Tatsache, dass China Evergrande den Restrukturierungsplan für die Verbindlichkeiten der ausländischen Gläubiger aller Voraussicht nach erst im Herbst vorlegen wird, lässt Böses erahnen: Es ist durchaus möglich, dass die Schieflage so groß geworden ist, dass das ursprünglich geplante Vorgehen – der Plan wurde ja bereits im Frühjahr angekündigt – nun nicht mehr möglich ist. Hinzu kommt, dass der CEO und der CFO von China Evergrande Ende Juli nach dem Vorwurf der finanziellen Manipulation zurückgetreten sind. Die ausländischen Gläubiger werden sich also sehr wahrscheinlich auf einen umfassenden Forderungsverzicht einstellen müssen. Kann die chinesische Immobilienkrise einen ähnlichen Effekt haben wie das Platzen der globalen Immobilienblase ab 2007, das letztlich ein Auslöser der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise war? Grote: Das wird aller Voraussicht nach nicht der Fall sein. Auch wenn die Mechaniken für eine noch größere Immobilienkrise in China vorhanden sind, wird sie trotz des großen Marktes sehr Uniper auf dem Im Thema Die Interviewpartner: Prof. Michael H. Grote ist Professor für Corporate Finance an der Frankfurt School of Finance & Management und Experte für die internationalen Kapitalmärkte. Dr. Elske Fehl-Weileder ist Rechtsanwältin im Bereich Internationale Insolvenzverwaltung von Schultze & Braun und Expertin für das chinesische Insolvenzrecht.

wahrscheinlich auf das Land begrenzt bleiben. Gleichwohl hätte ein Einbruch der chinesischen Wirtschaftsleistung – der Immobiliensektor macht davon etwa ein Viertel aus – natürlich Auswirkungen auf die globale Wirtschaft. Das bedeutet aber nicht, dass wir uns in Deutschland nach dem Motto „In China ist ein Bauträger umgefallen“ entspannt zurücklehnen können. Es gibt durchaus Parallelen zwischen dem chinesischen und dem deutschen Immobilienmarkt. Fehl-Weileder: Jahrelang kannten die Immobilien- und Grundstückspreise hierzulande wie in China nur eine Richtung: Nach oben. Nun sinken sie. Für Immobilienentwickler und Bauträger kann die Kombination aus teuren Einkaufspreisen – zum Beispiel beim Bau und Material – und sinkenden Verkaufserlösen auf Basis von langen Planungs- und Finanzierungszeiträumen sowie -verträgen zu einer existenziellen Herausforderung werden. Wieso? Grote: In Deutschland müssen Immobilienentwickler und Bauträger ihre Projekte vollumfänglich vorfinanzieren. Wenn nun der Rückgang bei den Preisen für Immobilien- und Grundstücken länger andauert, dürfte das die Nachfrage reduzieren. Potentielle Käufer setzen auf weiter fallende Preise, warten mit dem Kauf lieber ab und Immobilienentwickler und Bauträger bleiben auf zu hohen Preisen erstellten Projekten sitzen oder können sie nur mit Abschlägen verkaufen. mmobilienmarkt Fehl-Weileder: Das ist dann von der Situation her vergleichbar mit dem Gasimporteur Uniper, der durch enorm gestiegene Einkaufspreise in eine existenzielle finanzielle Schieflage geraten ist – wobei die Situation auf dem Immobilienmarkt insofern dramatischer sein könnte, wenn anders als auf dem Gasmarkt auch noch eine Absatzkrise durch sinkende Nachfrage der Käufer hinzukommt. Sie rechnen also mit mehr Insolvenzen in Deutschland? Grote: Die aktuellen Veränderungen werden am deutschen Immobilienmarkt nicht spurlos vorüber gehen. Mit einer Dimension wie in China – wo ja praktisch die gesamte Branche in Schieflage ist – rechne ich nicht. Allerdings gehe ich in Deutschland von einer Zunahme der Insolvenzen aus. Fehl-Weileder: Die gute Nachricht ist, dass es für Immobilienentwickler und Bauträger hierzulande erprobte Instrumente und Verfahren gibt, um sich neu aufzustellen – finanziell und operativ. Erfolgreiche und nachhaltige Sanierungen sind sowohl in einem sogenannten Regelinsolvenzverfahren als auch mit der Sanierung in eigener Regie möglich. Mit dem sogenannten StaRUG sind zudem vorinsolvenzliche Restrukturierungen möglich – seit Mitte Juli 2022 mit einer EU-weiten Anwendbarkeit.

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