Krise & Chance Oktober 2022

Krise Chance präsentiert von Oktober 2022 Neues zu Restrukturierung und Insolvenz Eine Frage der Rechnung Zahlungsunfähig oder (noch) nicht?

Automobilzulieferer verkauft Insolvenzverwalter Volker Böhm hat den Automobilzulieferer BOLTA-WERKE mit Sitz im fränkischen Diepersdorf an die tschechische Winning Group verkauft: „Besonders freut es mich, dass wir durch den Verkauf alle Standorte und rund 850 Arbeitsplätze erhalten konnten.“ Dem Verkauf vorangegangen waren eine international angelegte Investorensuche und intensive Verhandlungen. Volker Böhm: „Die Winning Group ist für die BOLTAWerke der ideale Partner: Ein strategischer Investor mit langfristiger Perspektive und einem großen Interesse an der Weiterentwicklung der BOLTA-Werke.“ Die Winning Group hat ihren Hauptsitz im tschechischen Brno und beabsichtigt die Integration der BOLTA-WERKE in die Unternehmensgruppe. Ticker Foto: https://old.bolta.com/de/ Unser Seminartipp Echte Handlungsempfehlungen für die Bank- und Sanierungspraxis um Umgang mit Automotive-Krisen erhalten Sie im Seminar „Insolvenz und Sanierung im Automotive“ am 26.01.23

Mit der Oktober-Ausgabe lesen Sie heute eine ganz besondere Ausgabe von Krise & Chance. Denn vor zehn Jahren, Ende September 2012, haben wir zusammen mit dem Forum Institut für Management die erste Ausgabe unseres Online-Magazins veröffentlicht. Seit damals hat sich gleichwohl Einiges geändert – nicht nur geopolitisch oder rechtlich, sondern auch beim Auftritt von Krise & Chance. Waren es zu Beginn drei Seiten in einem statischen pdfLayout, informieren wir Sie, liebe Leserinnen und Leser, inzwischen auf 16 Seiten in einem ansprechenden Blätter-pdf. Mit dem verfügbaren Platz haben sich auch die Bandbreite der Themen und die Umfänge der Texte vergrößert – mit der Möglichkeit, für Sie noch stärker ins Detail zu gehen und Themen einzuordnen und zu erläutern. Eine Entwicklung, die uns zeigt, dass wir damit auf einem guten Weg sind, ist die Zahl derjenigen, für die Krise & Chance eine regelmäßige Informationsquelle ist. Wir freuen uns sehr darüber, dass Krise & Chance inzwischen mehr als 9.000 Abonnenten hat. Für Ihr Interesse und Ihr Vertrauen, liebe Leserinnen und Leser, möchten wir uns herzlich bedanken! Mein erstes Editorial habe ich vor zehn Jahren mit den Worten „Es bleibt spannend!“ begonnen. Eine Aussage, die vor dem Hintergrund der aktuellen wirtschaftlichen und geopolitischen Entwicklungen, aber auch mit dem Blick auf die Themen dieser Ausgabe Bestand hat. ■ ■ Von der Antwort auf die Frage „Insolvent oder (noch) nicht?“ hängt für Unternehmen, Insolvenzverwalter und Sanierungsberater viel ab. Dr. Dirk Herzig und Stefan Höge erläutern mit Blick auf die aktuelle Leitsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs, wie die Zahlungsfähigkeit ermittelt wird und ordnen für Unternehmen, Insolvenzverwalter und Sanierungsberater die Pros und Contras der Methoden ein. ■ ■ Der Bundesgerichtshof hat zudem unlängst eine Entscheidung veröffentlicht, die es Freiberuflern nach Ansicht von Dr. Michael Lojowsky aus unserer Kanzlei mit einem sogenannten Insolvenzplan ermöglicht, die für sie existenzielle Berufszulassung auch bei einer Insolvenz zu erhalten. Im Interview ordnet er die Entscheidung ein und erläutert, wie der Zulassungserhalt nach Plan funktionieren kann. ■ ■ 2022 haben die 40 DAX-Unternehmen Dividenden im Höhe von 50,6 Milliarden Euro ausgeschüttet – eine Zahl, die zeigt, dass es bei Dividenden durchaus um große Summen geht. Umso wichtiger ist es für Insolvenzverwalter, Rechtsklarheit bei der Frage zu haben, inwieweit sie Dividendenzahlungen im Fall der Fälle anfechten können. Dafür sorgt nach Ansicht von Prof. Dr. Andreas J. Baumert von Schultze & Braun nun eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main. Ich wünsche Ihnen eine aufschlussreiche und angenehme Lektüre, Ihr Tobias Hirte e d i t o r i a l

Die Fränkische Holzofenbäckerei mit Sitz in Ottensoos will sich über ein Insolvenzverfahren sanieren. Die vorläufige Insolvenzverwalterin, Dr. Elske FehlWeileder führt den Geschäftsbetrieb und den Verkauf in vollem Umfang weiter und prüft die Sanierungsoptionen. Die Löhne und Gehälter der 17 Beschäftigten sind über das Insolvenzgeld bis Ende Oktober gesichert. Die vorläufige Insolvenzverwalterin will nun die Investorensuche zügig vorantreiben und mit dem bereits laufenden Investorenprozess der Genussbäckerei goldjunge verzahnen. Das traditionelle fränkische Holzofenbrot wird über die Filialen von goldjunge verkauft. Die Genussbäckerei musste am 22. August einen Insolvenzantrag stellen. Volker Böhm hat als vorläufiger Insolvenzverwalter die Suche nach einem Investor gestartet. Ticker Sanierung angestrebt Unternehmen stehen derzeit vor einer Vielzahl von Herausforderungen: Die Krisen geben sich praktisch die Klinke in die Hand, und man kann durchaus sagen, dass die Krise der Normalzustand geworden ist. Aufgrund dieser Kombination aus Krisen, Herausforderungen und geringerer Kapitalverfügbarkeit ist damit zu rechnen, dass in den kommenden Wochen und Monaten die Zahl der Insolvenzen zunehmen wird. Das bestätigt auch unsere Umfrage, die ein eindeutiges Bild zeichnet: ■ 86 Prozent der Teilnehmer gehen davon aus, dass die Insolvenzwelle im Herbst oder (etwas) später kommt! ■ Sieben Prozent der Teilnehmer rechnen damit, dass die Insolvenzwelle noch länger auf sich warten lässt. ■ Weitere sieben Prozent sind der Meinung, dass es überhaupt keine Insolvenzwelle geben wird. Für die Umfrage haben wir uns als Schultze & Braun zwischen Anfang und Mitte September an unsere fast 2.000 Follower auf LinkedIn gewandt. Insolvenzwelle erwarte Unser Seminartipp Weitere Praxis-Hinweise wie die erfolgreiche Sanierung gelingen kann, erhalten Sie im Seminar „Praxis-Wissen Sanierung“ am 16. und 17.11.22

Insolvenzverwalter Rüdiger Bauch kann an die Gläubiger von „Der Stadtbäcker“ eine überdurchschnittliche Quote von fast 50 Prozent auszahlen. „Zwar sind seit der lnsolvenzeröffnung gut sechseinhalb Jahre vergangen. Bei einem größeren Unternehmen wie dem Stadtbäcker ist das aber keine ungewöhnliche Bearbeitungsdauer. Wenn das Ergebnis dann noch so positiv ist, freut mich das umso mehr.“ Die Bäckereikette mit Sitz im Teutschenthaler Ortsteil Zscherben bei Halle an der Saale hatte 2015 wegen Umsatzrückgang einen Insolvenzantrag gestellt. Nach rund sechseinhalb Jahren steht das Insolvenzverfahren nun vor dem Abschluss. 2016 konnte Bauch 31 der 35 Filialen von „Der Stadtbäcker“ an einen neuen Eigentümer zu übertragen und dadurch 76 Arbeitsplätze erhalten. Überdurchschnittliche Quote t et Foto: www.holzofenbrot-franken.de Unser Seminartipp Sie sind Gläubiger und benötigen Handlungsempfehlungen zur Durchsetzung Ihrer Rechte? Dann empfehlen wir das Seminar „Basiswissen Insolvenzrecht“ am 28. und 29.11.22

Eine Frage Rechnu T i t e l

der ng Zahlungsunfähig oder (noch) nicht?

Zahlungsunfähig oder (noch) nicht? Von der Antwort auf diese Frage hängt für Geschäftsführer, Insolvenzverwalter und Sanierungsberater einiges ab, beispielsweise ob für Zahlungen nach diesem Zeitpunkt gehaftet werden muss oder sogar eine strafbare Insolvenzverschleppung vorliegt. In einer kürzlich veröffentlichten Leitsatzentscheidung zeigt der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) nun eine weitere Möglichkeit auf, mit welcher Berechnungsmethode die Zahlungsunfähigkeit festgestellt werden kann. „Zahlungsunfähig ist ein Unternehmen, wenn es seine heute fälligen und in den nächsten drei Wochen fällig werdenden Verbindlichkeiten nicht mehr bezahlen kann“, erläutert Dr. Dirk Herzig, Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht bei Schultze & Braun. Gemäß dieser Definition wurde die Zahlungsunfähigkeit bisher anhand einer erweiterten Liquiditätsbilanz geprüft. Etablierter Berechnungsansatz Und das geht so: Zu einem Stichtag werden die vorhandenen Geldmittel den zu diesem Stichtag fälligen Verbindlichkeiten gegenübergestellt. Decken die Geldmittel nur 90 Prozent oder weniger der Verbindlichkeiten, muss in einem zweiten Schritt geprüft werden, ob diese Unterdeckung innerhalb der kommenden drei Wochen beseitigt werden kann. Dazu werden die Geldmittel, die dem Unternehmen aller Voraussicht nach in den folgenden drei Wochen zufließen und die Verbindlichkeiten, die im gleichen Zeitraum fällig werden, jeweils hinzugerechnet. Bleibt es dann bei der Unterdeckung von zehn Prozent oder mehr, ist das Unternehmen zahlungsunfähig. T i t e l

Neben diesen etablierten Berechnungsansatz stellt der BGH in seiner aktuellen Entscheidung einen Weiteren: So ist es nun möglich, an drei Stichtagen innerhalb eines Zeitraums von drei Wochen jeweils einen vereinfachten Liquiditätsstatus zu erstellen. In diesem werden lediglich die zum jeweiligen Stichtag vorhandenen Geldmittel den zum Stichtag fälligen Verbindlichkeiten gegenüberstellt. Wenn an diesen drei Stichtagen jeweils eine Liquiditätslücke von zehn Prozent oder mehr vorliegt, ist das Unternehmen rückwirkend ab dem ersten Stichtag zahlungsunfähig. Unterschiedliche Bedeutung „Dieser neue Berechnungsansatz stellt de facto eine Erleichterung dar“, sagt der Experte Dr. Herzig. „Jedoch hat er für die handelnden Personen eine unterschiedliche Bedeutung.“ Insolvenzverwalter, deren Aufgabe die Durchsetzung von Anfechtungs- oder Haftungsansprüchen ist, müssen diesbezüglich im Nachhinein den Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit ermitteln. „Die neue Methode erleichtert die Darlegungslast für den Insolvenzverwalter insbesondere bei Unternehmen, bei denen die Buchhaltungsdaten, insbesondere die monatlichen Summen- und Saldenlisten, nicht vollumfänglich vorliegen“, ordnet Dr. Herzig die Entscheidung ein. Geschäftsführer und Vorstände von Unternehmen sollten im Hinblick auf die neue Methode hingegen kritisch sein. „Diese führt tendenziell zu verkürzten Berechnungen, die der Sorgfaltspflicht nicht genügen und bei laufender Geschäftstätigkeit die in die Zukunft gerichteten Finanzpläne als Instrumente des in der Krise gebotenen verschärften Controllings außer Acht lassen“, erläutert Diplom-Kaufmann (FH) und Kreditanalyst Stefan Höge von Schultze & Braun, der seit mehr als 25 Jahren detaillierte Zahlungsunfähigkeitsgutachten erstellt. „Bei ordnungsgemäßer Buchführung sollte daher weiterhin die erweiterte Liquiditätsbilanz eingesetzt werden, um bei der Antwort auf die Frage „zahlungsunfähig oder nicht“ auf der sicheren Seite zu sein.“ Realitätsnahe Abbildung Für Sanierungsberater ist nach Einschätzung der beiden Experten die Fragestellung der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit unter anderem bei einer vorinsolvenzlichen StaRUG-Restrukturierung und bei einem Schutzschirmverfahren entscheidend. Denn diese Verfahren können jeweils nur bei drohender Zahlungsunfähigkeit beantragt werden. „Ist die Buchhaltung ordnungsgemäß und vollständig, sollte der etablierte erweiterte Berechnungsansatz angewandt werden, um die dynamische Liquiditätsentwicklung von Unternehmen realitätsnah abbilden zu können“, empfiehlt Höge. Denn tendenziell greife der vereinfachte Berechnungsansatz zu kurz, da er nur drei aneinandergereihte Stichtagsberechnungen innerhalb eines in der Regel zweijährigen Betrachtungszeitraums liefere und insofern saisonale Schwankungen sowie Zahlungsstockungen nicht einbeziehe.

Thema Im Interview erläutert Dr. Michael Lojowsky von Schultze & Braun wie ein Insolvenzplan Freiberufler in einer finanziellen Schieflage vor dem Entzug der Zulassung bewahren kann. Herr Lojowsky, welche Besonderheiten gibt es, wenn Freiberufler – also etwa Anwälte, Ärzte oder Zahnärzte – in finanzielle Schwierigkeiten geraten? Lojowsky: Da sind zunächst einmal die Gründe. Meist liegen die nicht in ihrer beruflichen Tätigkeit, sondern in äußeren Umständen. Das können eine Scheidung oder der Ausstieg aus einer gemeinsamen Kanzlei, aber auch eine Investition sein, die sich nicht rentiert hat. Im Umkehrschluss bedeutet das: Bei akademisch ausgebildeten Freiberuflern ist es in der Regel so, dass ihre originäre berufliche Tätigkeit kostendeckend ist. Die Voraussetzungen für einen finanziellen Neustart mit Hilfe der Instrumente des Insolvenzrechts sind also grundsätzlich gut. Wenn da nur nicht die Sorge um die Zulassung wäre, mit der die berufliche Existenz von Freiberuflern immer verknüpft ist. Woher kommt diese Sorge? Lojowsky: Das liegt daran, dass der Eröffnungsbeschluss eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Freiberuflers einen Vermögensverfall darstellt. In den meisten Berufsordnungen führt ein Vermögensverfall dazu, dass dem Freiberufler die Zulassung entzogen wird. Denn es wird davon ausgegangen, der Freiberufler könne seinen finanziellen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen und gefährde damit die Interessen seiner Kunden, Mandanten oder Patienten. Also Zulassung adieu? Oder gibt es Wege, für einen Freiberufler, seine Zulassung in einem Insolvenzverfahren zu erhalten? Lojowsky: Sofern der Betroffene es schafft, seine Vermögensverhältnisse schneller wieder zu ordnen als die jeweiligen Gremien über den Entzug der Zulassung entscheiden, hat er eine Chance. Hier kommt eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs ins Spiel, die unlängst veröffentlicht wurde. Die Karlsruher Richter teilten mit, dass der Vermögensverfall, der mit Insolvenzeröffnung eintritt, bis zum Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens über die Zulassung beseitigt werden kann. Diesen Zeitraum kann der Freiberufler also nutzen, um seine Vermögensverhältnisse mit einem Insolvenzplan neu zu ordnen und einen Zulassungswiderruf zu verhindern. Interessant ist, dass es in dem Fall, der vor dem Bundesgerichtshof verhandelt wurde, nur indirekt um die Möglichkeit des Zulassungserhalts mittels Insolvenzplan ging. Worüber wurde verhandelt? Lojowsky: Es ging es um das Insolvenzverfahren eines Anwalts. Dessen Insolvenzverfahren wurde Zulassungserh

Es dauert aber seine Zeit, einen Insolvenzplan zu erstellen und bestätigt zu bekommen. Lojowsky: Das stimmt. Allerdings ist der Zeitpunkt, der mit Blick auf die Zulassung relevant ist, laut Bundesgerichtshof allein der Abschluss des behördlichen Widerrufsverfahrens – also der Erlass des Widerspruchsbescheids oder der Ausspruch der Widerrufsverfügung. In den fünf Monaten, die zwischen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und dem Widerruf der Zulassung lagen, wäre es allerdings unproblematisch möglich gewesen, einen Insolvenzplan zu erstellen und bestätigen zu lassen. Damit wären dann die Vermögensverhältnisse des Anwalts neu geordnet gewesen und er hätte seine Zulassung behalten. Lojowsky: Ein Insolvenzplan, der schnell erstellt und vom Insolvenzgericht bestätigt wird, kann den Widerruf der Zulassung eines Freiberuflers trotz der Wirkung des Insolvenzverfahrens verhindern. Hier zeigt sich das große gestalterische Potential dieses Sanierungsinstruments. Zusätzlich zum Erhalt der Zulassung kann mit dem Insolvenzplan auch der Reputationsschaden für den Freiberufler minimiert werden und nicht zuletzt profitieren auch die Gläubiger von dem Plan. Der Freiberufler kann mit der Zulassung seine berufliche Tätigkeit fortsetzen und dadurch zu einer bestmöglichen Gläubigerbefriedigung beitragen. Anfang Dezember 2015 eröffnet. Die zuständige Rechtsanwaltskammer widerrief daraufhin die Zulassung des Anwalts wegen des Vermögensverfalls – allerdings erst Mitte April, also fast fünf Monate später. Das spielt im Zusammenhang mit dem Insolvenzplan eine entscheidende Rolle. Aber zurück zum konkreten Fall: Gegen den Widerruf klagte der Anwalt, der Anwaltsgerichtshof wies die Klage jedoch ab. Daraufhin beantragt der Anwalt die Zulassung der Berufung vor dem Bundesgerichtshof. Wie sah die Entscheidung aus? Lojowsky: Der Bundesgerichtshof hat bestätigt, dass der Anwalt die Vermutung des Vermögensverfalls nicht widerlegt habe. Die Richter zeigten aber gleichzeitig eine Möglichkeit auf: Die gesetzliche Vermutung sei widerlegt, wenn ein vom Insolvenzgericht bestätigter Insolvenzplan vorliege oder die Gläubiger einen Schuldenbereinigungsplan angenommen hätten, bevor rechtkräftig über den Widerruf der Zulassung entschieden worden wäre. halt nach Plan Der Interviewpartner: Dr. Michael Lojowsky ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht und Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht bei Schultze & Braun.

2022 haben die 40 DAX-Unternehmen Dividenden im Höhe von 50,6 Milliarden Euro ausgeschüttet – eine Zahl, die zeigt, dass es bei Dividenden durchaus um große Summen geht. Umso wichtiger ist es für Insolvenzverwalter, Rechtsklarheit bei der Frage zu haben, inwieweit sie Dividendenzahlungen im Fall der Fälle anfechten können. Dafür sorgt nach Ansicht von Prof. Dr. Andreas J. Baumert von Schultze & Braun nun eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main. Sie vereinfacht die Anfechtung aktienrechtlicher Dividenden. Im Fall, um den es vor dem Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main (25. Mai 2022 - 4 U 310/19) ging, forderte der Insolvenzverwalter einer Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) auf Basis von § 134 der Insolvenzordnung Dividendenausschüttungen von einer Kommanditaktionärin zurück. Die Dividenden waren über mehrere Geschäftsjahre hinweg auf Basis von Gewinnverwendungsbeschlüssen ausgezahlt worden. Das Aktiengesetz besagt, dass sich das Recht eines Aktionärs auf Gewinnbeteiligung erst durch den Gewinnverwendungsbeschluss in einen Zahlungsanspruch gegen die Aktiengesellschaft wandelt. Falsche und nichtige Jahresabschlüsse Nachdem das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, stellten sich die Jahresabschlüsse, auf deren Basis die Gewinnverwendungsbeschlüsse erfolgten, jedoch als falsch und damit nichtig heraus. Anstelle hoher Gewinne hatte die KGaA Jahresfehlbeträge und Bilanzverluste in Höhe mehrerer Millionen erwirtschaftet. „Da die maßgeblichen Gewinnverwendungsbeschlüsse nichtig waren, sind die Dividendenausschüttungen an die Kommanditaktionärin als unentgeltliche Leistungen zu werten, da sie ohne Rechtsgrund erfolgt sind“, sagt Baumert. „Solche rechtsgrundlosen Leistungen sind nach § 134 der Insolvenzordnung anfechtbar. Allerdings nur, wenn gegen die Aktionärin kein Bereicherungsanspruch wegen § 62 Absatz 1 Satz 2 des Aktiengesetzes besteht. Es muss ein endgültig freiwilliger Vermögensverlust der Schuldnerin vorliegen.“ Dividenden sind grundsätzlich anfechtbar Thema

Verbotene Leistungen Wenn ein Aktionär weiß oder hätte wissen können, dass er zum Bezug einer Dividende nicht berechtigt war, hat er bösgläubig eine verbotene Leistung erhalten. In einem solchen Fall haften Aktionäre nach dem Aktiengesetz. Wäre das im Fall der Aktionärin vor dem OLG Frankfurt am Main so gewesen, hätte der Insolvenzverwalter also nicht § 134 der Insolvenzordnung bemühen müssen, sondern die Dividenden auf Basis des Bereicherungsanspruchs nach § 62 Absatz 1 Satz 2 des Aktiengesetzes zurückfordern können. „Da die Aktionärin jedoch laut dem OLG nichts von den Machenschaften der Aktiengesellschaft wusste – sie also gutgläubig war – konnten in diesem Fall weder ein Bereicherungsanspruch nach dem Aktiengesetz, noch Ansprüche nach § 812 des Bürgerlichen Gesetzbuches geltend gemacht werden“, sagt Baumert. § 812 besagt, dass Leistungen herausgegeben werden müssen, die ohne Rechtsgrund erlangt wurden. Das OLG führe jedoch aus, dass es § 134 der Insolvenzordnung beim Zurückholen der Dividenden als scharfes Schwert ansieht, so Baumert. Keine weitere Hürde „Für Insolvenzverwalter ist es von Vorteil, dass – anders als bei Anfechtungen von Scheingewinn- oder Scheinprovisionszahlungen – dass im Fall einer Dividendenzahlung eine weitere Hürde nicht genommen werden muss“, erläutert Baumert. „Die Rückforderung der Dividenden nach § 62 Absatz 1 Satz 2 des Aktiengesetzes ist ausgeschlossen. Es muss vor der Anfechtung der Dividende daher nicht erst geprüft werden, ob ein bereicherungsrechtlicher Rückzahlungsanspruch der Schuldnerin nach § 814 des Bürgerlichen Gesetzbuches wegen bewusster Zahlung auf eine Nichtschuld oder wegen Sittenverstoß nach § 817 des Bürgerlichen Gesetzbuches ebenfalls ausgeschlossen ist.“ Generell anfechtbar Baumert, dessen Spezialgebiet die Geltendmachung sowie die Abwehr von Insolvenzanfechtungen ist, ist davon überzeugt, dass aktienrechtliche Dividenden, auf die kein Rechtsanspruch besteht, auf Basis der OLG-Entscheidung generell anfechtbar sind – und das auch, wenn der Aktionär gutgläubig war! „Aus meiner Sicht hat der Bundesgerichtshof dies bereits in seiner Entscheidung von Anfang Dezember 2021 zu Insolvenzanfechtungsansprüchen in Schneeballsystemen klargestellt, bei der es sich ebenfalls um eine Dividendenauszahlung durch eine Aktiengesellschaft handelte.“ Der BGH entschied Ende des vergangenen Jahres (BGH Urteil vom 2.12.2021 – IX 112/20), dass einer Anfechtung nach § 134 der Insolvenzordnung weder § 62 Absatz 1 Satz 2 des Aktiengesetzes, noch die entsprechenden Paragraphen des Handelsgesetzbuchs und des GmbH-Gesetzes entgegen stehen. „Die Entscheidung des OLG ist aus meiner Sicht daher bereits jetzt – also bevor der BGH über die vom OLG zugelassene Revision – generell anwendbar.“ Es zeigt sich: Insolvenzverwalter sind gut beraten, gerade bei Anfechtungssachverhalten die aktuelle Rechtsprechung und die grundsätzlichen Anforderungen im Blick zu haben. Unser Seminartipp Fragen zur Insolvenzanfechtung? Im Seminar „Update Insolvenzanfechtungsrecht“ am 28.11.22 erhalten Sie von Ex-BGH-Richter Professor Dr. Markus Gehrlein die Antworten.

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