Krise & Chance Dezember 2022

Krise Chance präsentiert von Dezember 2022 Neues zu Restrukturierung und Insolvenz Wenn der Schuh finanziell drückt!

Online-Handel Anfang November hat der Online-Händler windeln.de Insolvenzantrag gestellt. Dem vorläufigen Insolvenzverwalter zufolge können Kunden ihre Bestellungen über die Onlineshops in Deutschland, der Schweiz und China ohne Einschränkungen aufgeben. Ziel ist es, einen Investor für windeln.de zu finden. Der Online-Händler war in Liquiditätsschwierigkeiten geraten, nachdem die Bereitstellung weiterer Finanzmittel im Rahmen einer Kapitalerhöhung nicht zustande gekommen war. Warum gerade bei Sanierungen im E-Commerce vor allem schnelles Handeln gefragt ist, erläutern Dr. Elske Fehl-Weileder und Volker Böhm in der August-Ausgabe von Krise & Chance anhand der Sanierung eines Online-Händlers für Kfz-Teile. Ticker

Auf großem Fuß leben, jemandem etwas in die Schuhe schieben, zwei Paar Stiefel und umgekehrt wird ein Schuh draus – diese vier Beispiele zeigen, dass es wohl annähernd so viele Redewendungen rund um Füße und Schuhe gibt wie derzeit Herausforderungen für Unternehmen aus dem Schuh-, aber auch dem Modehandel. Damit – und den Lösungen, damit es den Händlern die Schuhe (finanziell) eben gerade nicht auszieht – beschäftigen wir uns im Titelthema dieser Ausgabe. Meine Kollegen Detlef Specovius und Dr. Jürgen Erbe erläutern im Interview, welche Möglichkeiten es für Schuh- und Modehändler gibt, die aktuellen Krisen zu meistern und warum es wichtig ist, schnell zu handeln. Sich den Schuh am liebsten nicht anziehen wollen diejenigen, von denen ein Insolvenzverwalter im Zuge der Insolvenzanfechtung Zahlungen zurückfordert. Damit Insolvenzverwalter beim Vortrag zur Vorsatzanfechtung nicht mit dem linken Fuß aufstehen, bietet sich ein Blick in den Beitrag „Klarheit bei der Vorsatzanfechtung“ an. Darin stellt mein Kollege Prof. Dr. Andreas J. Baumert anhand eines aktuellen Urteils dar, was ein Insolvenzverwalter zur Prognoseentscheidung des Schuldners, ob er die Zahlungsunfähigkeit noch überwinden kann, und zur Kenntnis des Anfechtungsgegners hiervon vor Gericht vortragen muss. Bei Schuhen und Niederlande denken die meisten wohl an die Klompen, die traditionellen Holzschuhe. Lieferanten sollten bei Geschäften mit niederländischen Partnern aber auch an die Risikovorsorge denken. Worauf dabei zu achten ist und wie sichere Geschäfte mit den Niederlanden gelingen, zeigen meine Kollegen Dr. Michael Rozijn und Benjamin Schmutz von unserem Dutch Desk. Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre! Ihr Tobias Hirte e d i t o r i a l

Anfang November hat die Bama GmbH, ein Hersteller von Schuhpflegeprodukten und Einlegesohlen, eine Sanierung in eigener Regie begonnen und will in sich Eigenverwaltung für die Zukunft neu aufstellen. Grund dafür seien „erhebliche Marktverwerfungen und daraus resultierende Umsatzrückgänge“. Bama steht damit neben Görtz, Gebrüder Götz und Reno stellvertretend für die enormen Herausforderungen, denen sich der Schuh-, aber auch der Modehandel derzeit gegenüber sieht. Welche Möglichkeiten es für Unternehmen aus dem Schuh- und Modehandel gibt, die aktuellen Krisen zu meistern und warum es dabei wichtig ist, schnell zu handeln, lesen Sie im Titel-Interview „Wenn der Schuh finanziell drückt!“ dieser Ausgabe. Schuh- und Modehandel Die Insolvenzverwalterin Heitje Thürnagel von Schultze & Braun hatte Mitte November gute Nachrichten für die Gläubiger der AWO Kinder-, Jugend- und Familienhilfe (AWO KJF) Naumburg. Rund zwei Jahre, nachdem Thürnagel in einem ersten Schritt eine Fortführungslösung für einen Großteil der Einrichtungen der AWO KJF erreicht hat, erhalten die Gläubiger ihre festgestellten Forderungen in voller Höhe ausbezahlt. Darüber hinaus erhalten sie eine Verzinsung des Forderungsbetrags für die Zeit seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1. Juni 2019. Durch die Übertragung auf einen neuen Träger konnte Thürnagel knapp 50 Arbeitsplätze sowie zahlreiche Betreuungsplätze für Kinder in Naumburg sichern. 100 Prozent Ticker Foto: .https://bama-group.eu/

Dr. Dirk Pehl von Schultze & Braun wurde Ende Oktober zum vorläufigen Insolvenzverwalter für zwei Gesellschaften der medifa-Gruppe bestellt, einem weltweit agierenden Hersteller von Produkten für die Einrichtung von OP-Sälen. Der Geschäftsbetrieb läuft in vollem Umfang weiter. Die insolventen Gesellschaften erzielen ihren Umsatz zu rund 20 Prozent mit anderen Gesellschaften der Gruppe. Der Großteil (die anderen rund 80 Prozent) der produzierten Komponenten gehen aber an Abnehmer unterschiedlicher Branchen, darunter Unternehmen aus der Medizintechnik, dem Kälteanlagenbau oder der Lebensmittel- und Verpackungstechnologie. Das Ziel ist der Erhalt der Unternehmen und der Arbeitsplätze mit Hilfe eines neuen Investors. 20 zu 80 Prozent Foto: www.medifa.com

T i t e l

Wenn der Schuh finanziell drückt!

Wer sprichwörtlich auf großem Fuß lebt, der muss sich keine Gedanken darüber machen, wofür er sein Geld ausgibt. Angesichts der aktuellen Inflation drückt allerdings bei so manchem Konsumenten und Unternehmen der Schuh in finanzieller Hinsicht. Im Interview erläutern Detlef Specovius und Dr. Jürgen Erbe von Schultze & Braun, welche Möglichkeiten es für Unternehmen aus dem Schuh- und Modehandel gibt, die aktuellen Krisen zu meistern und warum es wichtig ist, schnell zu handeln. Herr Specovius, Herr Erbe, der Schuh-, aber auch der Modehandel stehen derzeit vor enormen Herausforderungen. Wie sehen Sie die Situation der Branche? Specovius: Die derzeitige wirtschaftliche Unsicherheit betrifft praktisch alle Branchen. Beim Schuh- und Modehandel kommt jedoch hinzu, dass die Unternehmen bereits von den wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie besonders betroffen waren und mitunter noch immer sind. Anders als während den Lockdowns gehen Kunden durch die anhaltend hohe Inflation jetzt aber nicht mehr woanders hin, sie gehen vielmehr nirgendwo mehr hin, da sie ihr Geld zusammenhalten müssen. Und es ist derzeit nicht absehbar, wann der Krisenmodus für Unternehmen und Konsumenten beendet werden kann. Insoweit ist die wirtschaftliche Unsicherheit für viele Schuh- und Modehändler 2022 weitaus größer als 2020. Erbe: Weniger Geschäft bedeutet natürlich auch weniger Umsatz – das statistische Bundesamt verzeichnet für den Handel mit Bekleidung in den ersten neun Monaten des Jahres einen Umsatzrückgang von elf Prozent. Im Schuhhandel sieht es etwas besser aus, aber auch hier gingen die Umsätze von Januar bis September zurück, wenn auch nur um knapp fünf Prozent. Für die Händler, aber auch die Hersteller, können diese erneuten Umsatzeinbrüche zu einer existenziellen Bedrohung werden. Ein Beispiel ist Bama, ein Hersteller von Schuhpflegeprodukten und Einlegesohlen. Das Unternehmen hat Anfang November eine Sanierung in eigener Regie begonnen und das mit „erheblichen Marktverwerfungen und daraus resultierenden Umsatzrückgängen“ begründet. Was raten Sie Unternehmen, bei denen der Schuh finanziell drückt? Specovius: Sie sollten eine Restrukturierung oder Sanierung besser direkt angehen, wenn der Schuh drückt, als abzuwarten und weiterzumachen wie bisher: Denn dann laufen sie sich aller Voraussicht nach Blasen. So hart es klingt: Zu spät kann in diesen Zeiten das „totale Aus“ T i t e l

bedeuten! Wichtig ist, dass Unternehmen die Anzeichen für eine sich abzeichnende Krise oder sogar existenzielle Bedrohung des Unternehmens möglichst früh erkennen. Die Devise lautet in jeden Fall: Im Krisenfall schnell handeln und keine Zeit verlieren! Ein Schutzschirmverfahren oder eine StaRUG-Restrukturierung ist zum Beispiel nur möglich, wenn das Unternehmen noch nicht zahlungsunfähig ist. Erbe: Ist ein Unternehmen bereits zahlungsunfähig, ist die Geschäftsleitung verpflichtet, einen Insolvenzantrag zu stellen. Trotz der gerade erst erfolgten Änderungen im Insolvenzrecht bei der Überschuldung, gilt die Insolvenzantragspflicht wegen Zahlungsunfähigkeit – bislang mit Abstand der häufigste Grund für Unternehmensinsolvenzen – weiterhin uneingeschränkt. Für viele ist eine Insolvenz aber immer noch ein Tabu-Thema. Erbe: Ein Insolvenzantrag bedeutet nicht, dass die Geschichte eines Unternehmens an dieser Stelle endet. Die Insolvenz kann vielmehr die Chance auf einen Neuanfang darstellen – gerade, da sie Unternehmen einige Optionen bietet, die sie außerhalb einer Insolvenz nicht haben. Ein gutes Beispiel ist die verkürzte Kündigungsfrist bestimmter Schuldverhältnissen, die es ermöglicht, sich zukunftsfähig aufzustellen, wenn der Umsatz einbricht. Zudem kann der sogenannte Insolvenzgeldeffekt dazu beitragen, dass das Unternehmen im vorläufigen Insolvenzverfahren ein Liquiditätspolster aufbaut, um die dringendsten Sanierungsschritte umzusetzen. Specovius: Im Schuh- und Modehandel gibt es aufgrund der wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie nur eine begrenzte Anzahl an Stellschrauben – gerade auch, da die Krisen nicht hausgemacht, sondern durch externe Faktoren ausgelöst wurden. Allerdings können einige Stellschrauben in einem Insolvenzverfahren besser umgesetzt werden – etwa, die Mietverträge für die Filialen nachverhandeln, das Filialnetz und die Personalstruktur überdenken und an gegebenenfalls gesunkenen Umsatz anpassen sowie neue oder zusätzliche Investoren suchen. Fakt ist allerdings: Schnelles und konsequentes Handeln ist in Zeiten wie diesen der zentrale Erfolgsfaktor. Unser Seminartipp Im Online-Seminar „Rechtsfragen in der Sanierung“ erhalten Sie Antworten auf alle wichtigen Rechtsfragen rund um die Sanierung im Allgemeinen!

Thema Der 6. Mai 2021 war für Insolvenzverwalter kein wirklich guter Tag – zumindest mit dem Blick auf die Vorsatzanfechtung. Seit der damals ergangenen Grundsatzentscheidung des IX. Senats ist es für sie weitaus schwieriger geworden, einen Anspruch auf Basis des § 133 InsO erfolgreich zu begründen. Doch was sollte und muss ein Insolvenzverwalter dabei vor Gericht vortragen – auch mit dem Blick auf die Verteidigungsmöglichkeiten der Anfechtungsgegner? In diesem Zusammenhang ist eine Entscheidung des OLG Brandenburg aus diesem Sommer (1. Juni 2022 - 7 U 61/20) von Bedeutung. Die Klarheit bei der Vorsatzanfechtung Unser Seminartipp In „Update Insolvenzanfechtungsrecht“ erhalten Sie ein Update zu den Neuerungen, die in Bezug auf die Insolvenzanfechtung wichtig sind. Entscheidung problematisiert, was ein Insolvenzverwalter zur Prognoseentscheidung des Schuldners, ob er die Zahlungsunfähigkeit noch überwinden kann, und zur Kenntnis des Anfechtungsgegners hiervon vortragen muss. „Das OLG ist der Ansicht, dass aus der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners weiterhin auf dessen Benachteiligungsvorsatz geschlossen werden kann – und das auch, ohne dass besondere Anforderungen an den Sachvortrag des Insolvenzverwalters dazu zu stellen sind, dass der Schuldner keine positive Prognoseentscheidung zur Überwindung der Zahlungsunfähigkeit getroffen habe“, sagt Prof. Dr. Andreas J. Baumert von Schultze & Braun.

entscheidung des Schuldners der sogenannte Eventualvorsatz ausreicht.“ Eventualvorsatz und Vorsatzanfechtung Beim Eventualvorsatz hält der Täter die Verwirklichung eines Tatbestandes für möglich, findet sich aber mit diesem Risiko (auch für andere) ab. Um die positive Prognoseentscheidung des Schuldners zu verneinen, genügt es daher, festzustellen, dass der Schuldner es für möglich gehalten und sich damit abgefunden hat, dass die Zahlungsunfähigkeit nicht mehr (zeitnah) überwunden wird. „Zu den Indizien, woraus dies geschlossen wird, trägt der Insolvenzverwalter – ausgehend vom Fall vor dem OLG Brandenburg – mit dem deutlich zu geringen Deckungsgrad und den durchgehend nicht bezahlte Forderungen bereits im Hinblick auf den Sachvortrag zur Zahlungsunfähigkeit vor“, fasst Baumert zusammen. „Zudem hat der Insolvenzverwalter die Möglichkeit, sonstige eindeutige Indizien darzulegen.“ Es zeigt sich, dass Insolvenzverwalter auch nach der Grundsatzentscheidung des BGH vom 6. Mai 2021 die Möglichkeit zur Vorsatzanfechtung haben, wenn sie die richtigen Argumente und Belege haben. Gleichwohl tun sie gut daran, sich – auch nach den Folgeurteilen der BGH-Grundsatzentscheidung – auf relativ klare Fälle zu beschränken. Keine pauschalen Behauptungen Im konkreten Fall vor dem OLG ging es um die Anfechtung eines Insolvenzverwalters gegen eine Bank und den Verwalter der Grundstücke des Schuldners, dessen Geschäftsmodell es war, Gewerbeimmobilien auf Kredit zu erwerben, um aus den Mieteinnahmen die Darlehen zurückzuzahlen und Gewinn zu erzielen. Beim Schuldner lag ein deutlich zu geringer Deckungsgrad vor, und Forderungen wurden durchgehend nicht bezahlt. Die Anfechtung gegen die Bank nach § 135 | 1 InsO scheiterte daran, dass die Bank nach Auffassung des OLG kein Gesellschafter des Schuldners sei. Gleichzeitig lägen jedoch die Anfechtungsvoraussetzungen des § 133 InsO vor. Tatrichterliche Feststellung In seiner Entscheidung kritisiert das OLG Brandenburg die Grundsatzentscheidung des BGH vom 6. Mai 2021 deutlich: Durch diese Entscheidung würden die Anforderungen an den notwendigen Sachvortrag des Insolvenzverwalters zur Prognoseentscheidung des Schuldners und Kenntnis hiervon im Dunkeln bleiben. „Im konkreten Fall verkennt das OLG jedoch die Grundlagen einer tatrichterlichen Feststellung nach der ZPO. Der Tatrichter würdigt die Indizien nach § 286 ZPO und schließt dann aufgrund dieser objektiven Umstände auf die dargestellte innere Tatsache beim Schuldner“, erläutert Baumert, dessen Spezialgebiet unter anderem Geltendmachung sowie die Abwehr von Insolvenzanfechtungen sind. „Für die Vorsatzanfechtung bedeutet das, dass der Insolvenzverwalter lediglich objektive Umstände vortragen muss, die gegen eine Prognoseentscheidung zur Überwindung der Zahlungsunfähigkeit sprechen. Dies ist auch für die Prognoseentscheidung des Schuldners je nach den Umständen des Einzelfalls auch im Tatsächlichen möglich, da für eine PrognoseBei der Insolvenzanfechtung ist es mit dem Blick auf eine mögliche Verjährung wichtig, die Sorgfalts-Grundsätze des Bundesgerichtshofs zu beachten. Mehr dazu lesen Sie im Interview mit Prof. Dr. Andreas J. Baumert auf dem Blog von Schultze & Braun.

2021 haben die Exporte deutscher Unternehmen in die Niederlande zum ersten Mal die Marke von 100 Milliarden Euro überschritten. Je höher das Geschäftsvolumen, desto wichtiger ist allerdings auch die Risikovorsorge. Bei Geschäften mit Partnern im Ausland ist für deutsche Lieferanten die Vorsorge über Sicherheiten von besonderer Bedeutung. Nichts anderes gilt auch für Partner in den Niederlanden. Dabei geht es darum, zu vermeiden, im Fall einer Insolvenz des Geschäftspartners auf offenen Forderungen sitzen zu bleiben. „In niederländischen Insolvenzverfahren ist immerhin deutlich häufiger als hierzulande noch nicht einmal genügend Masse vorhanden, um das Verfahren überhaupt durchführen zu können“, sagt Dr. Michael Rozijn. Dass ein Lieferant im Fall einer Insolvenz des Geschäftspartners seine Forderungen zumeist (nahezu) abschreiben muss, ist aber per se keine Besonderheit bei Geschäften mit den Niederlanden. Mit dem Blick auf unser Nachbarland gilt jedoch: Sicherheit ist nicht gleich Sicherheit. „In den Niederlanden funktionieren Sicherheiten, die in Deutschland sehr beliebt sind, mitunter nicht oder zumindest nicht so wie hierzulande. Deshalb sollten deutsche Unternehmen stets die Besonderheiten des niederländischen Rechts im Blick haben“, sagt Benjamin Schmutz. Besonderheiten des niederländischen Rechts Rozijn ist Leiter und Schmutz Mitglied des Dutch Desks von Schultze & Braun. Beide haben bereits zahlreiche Unternehmen bei rechtlichen Fragen im Zusammenhang mit Geschäften mit niederländischen Partnern beraten. Die Besonderheiten des niederländischen Rechts lassen sich gut am in Deutschland beliebten Eigentumsvorbehalt darstellen. Der Verkäufer kann mit dieser Sicherheit hierzulande ohne Weiteres gelieferte Ware zurückholen, wenn der Käufer sie nicht bezahlt oder bezahlen kann. „In den Niederlanden hat allerdings die Finanzverwaltung das Vorrecht, Waren zu beschlagnahmen, die sich auf dem Grundstück eines Steuerschuldners befinden. Das gilt auch dann, wenn sie eigentlich durch den Eigentumsvorbehalt noch Eigentum des deutschen Lieferanten sind“, sagt Rozijn. Schmutz ergänzt: „Der einfache Eigentumsvorbehalt ist als Sicherheit für Exporte in die Niederlande daher immer mit einem rechtlichen Risiko behaftet – gerade, da die Finanzverwaltung ihr Vorrecht in der Regel ausübt.“ Kompliziert, aber lohnend Die in Deutschland außerdem gängige Vorausabtretung von Forderungen ist hingegen eine Sicherheit, die auch in den Niederlanden funktioniert – allerdings nur über ein sogenanntes stilles Pfandrecht. Bei der Vorausabtretung tritt der Käufer einer Ware seine Forderungen gegen einen Dritten ab – etwa gegen ein Unternehmen, an das der Geschäftspartner Waren verkauft, die auf Basis von Rohstoffen hergestellt wurden, die er vom Lieferanten bezogen hat. „Die Vorausabtretung setzt in Deutschland und den Niederlanden voraus, dass der Lieferant und sein Kunde eine entsprechende Vereinbarung getroffen haben. Wichtig ist aber, dass in den Niederlanden die VorausKreditsiche Thema

abtretung von Forderungen, die im Zeitpunkt der Abtretung noch nicht bestehen, unwirksam ist“, sagt Rozijn. „Wenn der Kunde seinen Sitz in den Niederlanden hat, kann man sich aber mit einem stillen Pfandrecht behelfen, das vereinbart wird, wenn die Forderung entsteht.“ Hier kommt wieder die niederländische Finanzverwaltung ins Spiel: „Sie muss jeweils tagesaktuell darüber informiert werden, dass der Lieferant die Forderung des niederländischen Kunden gegen einen Dritten pfändet. Dies ist eine zwar komplizierte, aber sich für deutsche Lieferanten durchaus lohnende Option, weil sie eine sehr gute Sicherheit gewährleistet und der Lieferant Forderungen dabei nicht einzeln benennen muss“, sagt Schmutz. Zusätzlich zu den Sicherheiten tun Lieferanten generell gut daran, die Bonität ihrer Kunden regelmäßig zu prüfen – auch nach Vertragsabschluss. Bei einer Lieferung auf Vorkasse zu bestehen, kann sich in den Niederlanden besonders auszahlen, da der Lieferant so dem ansonsten möglichererheiten speciaal weise greifenden Vorrecht der Finanzverwaltung zuvorkommen kann. „Wenn Lieferanten von ihren niederländischen Geschäftspartnern zusätzliche Sicherheiten wie Bürgschaften oder Garantien einfordern wollen, ist es wichtig, bei deren Gestaltung ebenfalls die Besonderheiten des niederländischen Rechts zu beachten“, sagt Rozijn. Wenn der niederländische Geschäftspartner eine Restrukturierung durchläuft, kann es sein, dass deutsche Lieferanten mit dem WOAH in Berührung kommen. Dabei handelt es sich um die niederländische Form des StaRUG, also der vorinsolvenzlichen Restrukturierung. Wie beim StaRUG steht auch beim WOAH ein Restrukturierungsplan und ein Vergleich mit den Gläubigern im Mittelpunkt – an den auch die Gläubiger gebunden werden können, die ihm nicht zugestimmt haben. „Ein Vergleich nach dem WOAH ist seit dem 9. Januar 2022 auch in allen anderen EU-Staaten umsetzbar. Deutsche Lieferanten sollten daher frühzeitig tätig werden, wenn ihr niederländischer Kunde in die Schieflage gerät – und sich nach Möglichkeit in den Restrukturierungsprozess einbringen“, rät Rozijn. „So erhöhen sich die Chancen, das Insolvenzrisiko des Kunden zu überwinden und den Totalverlust von Forderungen zu vermeiden.“ Es zeigt sich: Die jeweiligen Besonderheiten zu kennen, macht für Lieferanten aus Deutschland das Geschäft mit niederländischen Geschäftspartnern planbarer und finanziell sicherer. Unser Seminartipp Kann in der Zukunft ein ertragswirtschaftlicher Überschuss erzielt werden? Ist der Geschäftsbetrieb/das Verfahren durchfinanziert? Um diese Fragen nach der Fortführungsfähigkeit des Unternehmens fachlich fundiert beantworten zu können, benötigen Sie eine Liquiditätsplanung.

T e r m i n e Dezember 2022 e-Learning: Verbraucherinsolvenz und Restschuldbefreiung 31.12.2022, online e-Learning: Praxiswissen Insolvenzrecht 31.12.2022, online

Januar 2023 Rechtsfragen in der Sanierung 19.01.2023, online Assistenz 4.0 plus - digital. online. genial. 25.01.2023, online Insolvenz & Sanierung im Automotive 26.01.2023, online Basiswissen Insolvenzrecht für SachbearbeiterInnen 31.01.2023, online Arbeitszeiterfassung - Möglichkeiten und Lösungen für Ihr Unternehmen 31.01.2023, online Führen ohne Vorgesetztenfunktion 31.01.2023, Präsenz Komm zum Punkt! 31.01. – 07.02.2023, online Erfolgreiche Mitarbeitergespräche 31.01.2023, online

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