Krise & Chance April 2023

Krise Chance präsentiert von April 2023 Neues zu Restrukturierung und Insolvenz Erfolgsfaktor Sanierung

Ticker Was in vielen Branchen der Fall ist, trifft Unternehmen aus dem Pflegebereich besonders: einem sehr dynamischen Anstieg der Kosten für Energie, Material, Mieten und Personal stehen Einnahmen gegenüber, die bestenfalls nur verzögert daran angepasst werden können. Diese Herausforderungen machen auch die wirtschaftliche Neuaufstellung von fünf Gesellschaften der HANSA-Gruppe notwendig, die insgesamt 23 Senioren- und Pflegezentren in Bremen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen betreibt. Ziel der Schutzschirmverfahren ist die wirtschaftliche Neuaufstellung der Gruppe sowie der Erhalt der Häuser und der rund 1.400 Arbeitsplätze. Im Pflegebetrieb gibt es unterdessen keine Einschränkungen. Versorgung und Betreuung der Bewohnerinnen und Bewohner sind in allen Einrichtungen der HANSAGruppe vollumfänglich gesichert. Bei der Restrukturierung wird die HANSA-Gruppe von einem Team aus erfahrenen Sanierungsspezialisten von Schultze & Braun um die Restrukturierungsexperten Detlef Specovius, Michael Böhner, Christoph von Wilcken und Alexander von Saenger beraten und unterstützt. Pflegeheimbetreiber HANSA stellt sich über Schutzschirm- verfahren wirtschaftlich neu auf

Angesichts der gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen der Vielzahl an Krisen, die sich seit drei Jahren als Multi-Dauerkrise die Klinke in die Hand geben, der inzwischen durchaus restriktiveren Kreditvergabe der Banken und der allgemeinen Preissteigerung wird die Liste der Branchen immer länger, die vor besonderen Herausforderungen stehen. Der Handel spürt die Zurückhaltung – gerade im Non Food-Bereich. Autozulieferern fällt es schwer, die gestiegenen Kosten weiterzugeben und auch im Gesundheitsbereich gibt es Verwerfungen. Insbesondere im Pflegebereich können höhere Kosten nur mit Verzögerung und dann auch nur teilweise weitergeben werden. Mehr denn je gilt die Devise: Unternehmen sollten eine notwendige Restrukturierung oder Sanierung rechtzeitig angehen, wenn sie noch Reserven haben und dabei eine Neuaufstellung mit Hilfe der Instrumente des Sanierungsrechts zumindest als Option ansehen. Denn auch ein Insolvenzantrag bedeutet nicht automatisch das Ende eines Unternehmens. Er kann vielmehr die Chance für einen nachhaltigen Neuanfang sein. Wie ein solcher Neuanfang aussehen kann und welche Erfolgsfaktoren dabei eine entscheidende Rolle gespielt haben – darüber sprechen Karsten Oberheide, der geschäftsführende Gesellschafter des Modehändlers Bonita, und mein Kollege Detlef Specovius, der Bonita im Schutzschirmverfahren federführend begleitet hat. Knapp zwei Jahre nach dem Ende des Verfahrens ist der Modehändler wieder auf Erfolgskurs und konnte seinen Umsatz um rund 40 Prozent steigern – trotz schwieriger Marktbedingungen für Textileinzelhandel und Modebranche. Meine Kollegen Dr. Ludwig J. Weber und Thomas Dömmecke ordnen in dieser Ausgabe die aktuelle BGH-Entscheidung zu den sogenannten insolvenzabhängigen Lösungsklauseln ein – einer Möglichkeit, die Risiken der Insolvenz eines Geschäftspartners für das eigene Unternehmen zu reduzieren. Eine weitere richtungsweisende Entscheidung stellt mein Kollege Olaf Diederich vor. Das Landgericht Stuttgart hat sich mit der Frage „Wie weit reicht die Haftung eines Kommanditisten?“ beschäftigt. Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre, Ihr Tobias Hirte Foto: .www.hansa-gruppe.info e d i t o r i a l

Dr. Jürgen Erbe hat die Investorensuche für den Hoch- und Tiefbauspezialisten MSK Bau gestartet. Der vorläufige Insolvenzverwalter führt bereits erste Gespräche mit Interessenten für eine Übernahme des Unternehmens und der rund 35 Mitarbeitenden. „MSK Bau ist vom Unternehmenssitz in Oftersheim (zwischen Heidelberg und Mannheim) mit eigenem Maschinenpark in der gesamten Rhein-Neckar-Region tätig. „MSK Bau bietet im Hoch- und Tiefbau alles aus einer Hand. Die Beschäftigten sind Spezialisten für Pflaster-, Außen-, Beton-, Erd- und Abrissarbeiten, aber auch für den Treppen- oder den kompletten Hausbau.“ Die Arbeit auf den Baustellen, auf denen MSK Bau tätig ist, läuft unterdessen weiter. „Das Ziel der Investorensuche ist, dass MSK Bau auch in Zukunft am Markt aktiv sein und sein Leistungsportfolio perspektivisch erweitern kann“, sagt Erbe. Dies wäre durch den Einstieg eines Investors in das bestehende Unternehmen, aber auch die Integration von MSK Bau in eine UnternehmensGruppe möglich, so der vorläufige Insolvenzverwalter. Ticker Gute Nachrichten für die Beschäftigten sowie die Bewohner des Pflegeheims Am Lehmanger in Braunschweig hatte Anfang März Insolvenzverwalter Tobias Hartwig. Er konnte die Suche nach einem Übernehmer für das Pflegeheim erfolgreich abschließen. Zum 1. März 2023 hat der Gesundheitsdienstleister ascleonCare das Pflegeheim übernommen. „Alle Bewohner können in ihrem Zuhause bleiben, sämtliche hochengagierte und -qualifizierte Mitarbeitende behalten Ihren Arbeitsplatz. Wir haben unser Ziel erreicht, so schnell wie möglich Sicherheit für die Bewohner, deren Angehörige und die Beschäftigten zu schaffen. Die Bewohnerinnen und Bewohner werden ohne Unterbrechung von den ihnen bekannten Betreuungspersonen weiter liebevoll und zuverlässig versorgt“, sagt Hartwig. Außerdem habe ascleonCare im Zuge der Übernahme-Gespräche angekündigt, den Service für die Bewohner deutlich steigern zu wollen und in dem Zusammenhang kräftig in die Modernisierung und Erweiterung des Pflegeheims Am Lehmanger zu investieren. „Das ist ein tolles Ergebnis und ich freue mich sehr über diese Lösung“, sagt Hartwig, der bereits mehrere Pflegeeinrichtungen in der Sanierung begleitet hat. Insolvenzverwalter findet Übernehmer für Braunschweiger Pflegeheim Investorensuche für Hoch- und Tiefbau-Spezialisten gestartet

Die Weltbild-Gruppe hat zum 1. März 2023 den Online-Uhren- und Schmuckhändler Paul Valentine übernommen. Insolvenzverwalter Dr. Dietmar Haffa und sein Kollege Dr. Jürgen Erbe, mit dem er bei der Sanierung von Paul Valentine eng zusammengearbeitet hat, freuen sich über das Ergebnis: „Weltbild glaubt an das Potential des Schmuckmarkts und der Lifestyle-Marke Paul Valentine. Mit der Übernahme haben wir eine neue Zukunftsperspektive für das 2015 gegründete Unternehmen schaffen können. Damit haben wir unser Ziel erreicht“, sagen die beiden Sanierungsexperten. Dass eine solche Übernahme- und Fortführungslösung in den knapp zwei Monaten seit dem Insolvenzantrag Ende Januar gelungen ist, sei ein gutes Beispiel dafür, wie die Sanierung eines Unternehmens mit den Instrumenten des Insolvenzrechts vorangebracht werden könne. Foto: .de.paul-valentine.com Übernahme- und Fortführungslösung in zwei Monaten

Erfolgs- faktor Sanierung T i tel

Herr Oberheide, Sie haben Bonita Ende 2020 – mitten in der Corona-Pandemie, Stichwort Lockdowns – mit zwei Investoren im Zuge eines Management-Buy-Outs aus dem Schutzschirmverfahren heraus erworben. Das war sicherlich keine leichte Entscheidung, oder? Oberheide: Das war sie in der Tat nicht. Ich hatte allerdings bereits zwei Jahre zuvor die Leitung von Bonita übernommen. Während dieser Zeit hatte ich bereits das enorme Potential kennengelernt, das die Marke Bonita in der relevanten Zielgruppe seit Jahrzehnten hatte und nach wie vor hat: die anspruchsvolle Frau ab 60 Jahren. Indem wir uns wieder auf die Wurzeln von Bonita und unsere Kundinnen fokussiert haben, haben wir den Grundstein für unseren aktuellen Erfolg gelegt. Dafür mussten sie aber zunächst harte Einschnitte vornehmen. Oberheide: Wir haben das Unternehmen im Zuge des Schutzschirmverfahrens konsequent saniert und zum Beispiel Filiale für Filiale unter die Lupe genommen. Im Zweifel haben wir uns auch gegen einen Standort entschieden. Natürlich ist es nie schön, wenn man Filialen schließen muss und Mitarbeitende ihren Arbeitsplatz verlieren. Wenn es allerdings darum geht, ein Unternehmen zu erhalten, kann man sich das Prinzip Hoffnung schlichtweg nicht leisten. Specovius: Bonita ist ein gutes Beispiel dafür, wie wichtig und richtig es ist, in einer Sanierung immer auch die Ursachen anzugehen, die zur Schieflage geführt haben. Um eine nachhaltig erfolgreiche Unternehmenssanierung zu erreichen, darf man sich auch nicht davor scheuen, mitunter tiefgreifende Einschnitte vorzunehmen. Der Erfolg gibt Karsten Oberheide und Bonita Recht. Heute macht das Unternehmen auf vergleichbarer Fläche mehr Umsatz als vor der Corona-Pandemie. Herr Specovius, Sie haben Bonita im Schutzschirmverfahren beraten und operativ unterstützt. Wieso war das Verfahren das richtige für das Unternehmen? Specovius: Für Bonita hatte das Schutzschirmverfahren gleich mehrere Vorteile: Zum einen führte das Verfahren zur Eigenständigkeit der Marke. Damit lagen wichtige strategische Entscheidungen wieder in Hamminkeln und konnten auf die Zielgruppe ausgerichtet werden. Zudem konnte man sich von verlustbringenden Filialen trennen und das Unternehmen wieder auf eine gesunde Basis setzen. Was sind aus Ihrer Sicht die Erfolgsfaktoren von Bonita? Specovius: Neben der Zurückbesinnung auf die Stammkundinnen war und ist ein maßgeblicher Erfolgsfaktor, dass Karsten Oberheide die Bonita-­ Knapp zwei Jahre nach dem Ende des Schutzschirmverfahrens ist der Modehändler Bonita wieder auf Erfolgskurs. 2022 konnte das Unternehmen seinen Umsatz um fast 40 Prozent steigern – trotz schwieriger Marktbedingungen für Textileinzelhandel und Modebranche. Bonita ist ein damit Beleg dafür, dass eine Insolvenz nicht das Ende eines Unternehmens bedeutet, sondern die Chance für einen nachhaltigen Neuanfang sein kann. Im Interview sprechen Karsten Oberheide und Detlef Specovius über Erfolgsfaktoren für Wachstum in einem angespannten Marktumfeld und die Nachhaltigkeit von Unternehmenssanierungen. T i tel

Filialen als soziale Kontaktpunkte für die Kundinnen ausgerichtet hat. Sie können dort Freundinnen oder Bekannte treffen und eine Tasse Kaffee oder ein Glas Sekt trinken und sich dann gemeinsam das Sortiment anschauen, das bei Schnitten und Größen genau auf sie zugeschnitten ist. Oberheide: Im Schnitt kommen unsere Kundinnen jeden Monat mindestens einmal zu uns in die Filiale. Deshalb sind und bleiben die Filialen ein elementarer Bestandteil unseres Geschäftsmodells. Ohne unsere engagierten Mitarbeitenden würden aber auch die schönsten Filialen nichts bringen. Unsere Kundinnen legen großen Wert auf den persönlichen Kontakt und die individuelle Beratung. Wie sehen die Pläne von Bonita für die Zukunft aus? Oberheide: In diesem und dem kommenden Jahr wollen wir 50 neue Filialen eröffnen – nach 20 Neueröffnungen und der Neueinstellungen von 150 Mitarbeiterinnen im vergangenen Jahr. Unser neuer Online-Shop ist dazu eine gute Ergänzung und trägt auch zum Umsatzwachstum bei – derzeit liegen wir bei zwei Prozent, perspektivisch sollen es zehn Prozent werden. Das Ziel von zehn Prozent Wachstum haben wir uns auch für das laufende Geschäftsjahr vorgenommen. Was würden Sie Unternehmen raten, die sich jetzt in einer ähnlichen Situation befinden, wie Bonita 2020? Oberheide: Unternehmer und Geschäftsleiter sollten eine notwendige Restrukturierung oder Sanierung rechtzeitig angehen, nämlich, solange die Unternehmen noch Reserven haben. Wenn Gegenmaßnahmen frühzeitig eingeleitet werden, bestehen bessere Chancen auf einen erfolgreichen und nachhaltigen Ausgang. Einfach abzuwarten und auf eine baldige Besserung der Konjunktur und der wirtschaftlichen Gesamtlage zu setzen, ist keine sinnvolle Strategie. Specovius: Unternehmen, die sich in einer Krise befinden oder absehbar darauf zusteuern, sollten auch eine Neuaufstellung mit Hilfe der Instrumente des Insolvenz- und Sanierungsrechts zumindest als Option ansehen. So hart es klingt: Zu spät zu handeln kann in diesen Zeiten schnell das totale Aus bedeuten! Die passende Sanierungsform muss aber für jedes Unternehmen immer individuell geprüft werden – besonders mit dem Blick auf die Nachhaltigkeit der Sanierung. Unsere Untersuchung zeigt, dass sowohl Regelinsolvenzverfahren als auch Eigenverwaltungs- und Schutzschirmverfahren für nachhaltige Sanierungen stehen. Die Interviewpartner: Karsten Oberheide, geschäftsführende Gesellschafter von Bonita, erwarb mit zwei Investoren Ende 2020 das Unternehmen im Zuge eines ManagementBuy-Outs. Detlef Specovius, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht bei Schultze & Braun, war im Schutzschirmverfahren als einer der Sanierungsgeschäftsführer federführend tätig.

Thema Die Zahl der Scheidungen in Deutschland ist seit Jahren rückläufig. 2021 trennten sich gut 143.000 Paare, ein knapper Prozentpunkt weniger als 2020. Den Rückgang über mehrere Jahre haben Scheidungen und Insolvenzen gemeinsam – allerdings scheint sich bei letzteren der Trend umzukehren. Umso wichtiger ist es in der Geschäftswelt, sich auf eine insolvenzbedingte Trennung vorzubereiten. Dr. Ludwig J. Weber und Thomas Dömmecke erläutern, was dabei mit dem Blick auf eine aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofs (IX ZR 213/21) zu beachten ist. In guten wie in schlechten Zeiten?!

Der Insolvenzverwalter des Busunternehmens klagte daher gegen die Kündigung des Beförderungsvertrages durch den Auftraggeber und forderte Schadensersatz. Der BGH wies die Klage ab. Auch in Verträgen in Branchen, in denen es kein konkretisierbares gesetzliches Kündigungsrecht gibt, könne eine insolvenzbedingte Lösungsklausel wirksam sein, entschieden die Karlsruher Richter. Schutz vor einem besonderen Risiko „Das ist dann der Fall, wenn eine Vertragspartei beim Abschluss des Vertrags ein berechtigtes Interesse daran hat, sich mit der Lösungsklausel im Falle der Insolvenz des Geschäftspartners vor einem besonderen Risiko zu schützen – im Fall des Busunternehmens für den Auftraggeber das Risiko eines kurzfristigen Wegfalls der Schülerbeförderung. Denn es ist ja nicht klar, inwieweit ein insolventes Busunternehmen weiter Schüler befördern kann“, erläutert Rechtsanwalt Dömmecke. Der BGH legt die Anforderungs-Messlatte für die Wirksamkeit einer insolvenzabhängigen Lösungsklausel mit seiner Entscheidung aber hoch. „Mit dem Blick auf die Entscheidung ist es daher wichtig, den Aspekt der Interessenslage der beiden Parteien bei jedem Vertragsabschluss individuell und realistisch zu prüfen und zu definieren“, rät Dr. Weber. Wenn der Vertrag zum Beispiel im Rahmen eines bestimmten Projektes geschlossen wird, könnte als Lösungsklausel – wieder vereinfacht dargestellt – in Frage kommen: Wir wollen das Projekt gemeinsam angehen. Wenn es nicht funktioniert, kann der nicht insolvente Geschäftspartner den Vertrag kündigen, denn ohne diese Möglichkeit würden wir den Vertrag nicht schließen und das Projekt wäre von vorneherein ausgeschlossen. Die erste Prüfung findet schon in guten Zeiten statt, nämlich beim Vertragsabschluss. Erneut geprüft wird dann in schlechten Zeiten – nämlich bei Insolvenz eines Vertragspartners, wenn die Lösungsklausel und ihre Wirksamkeit ins Spiel kommen. Es prüfe also, wer sich (ewig) bindet. „In der Regel lässt sich eine oder beide Parteien in Verträgen eine Klausel als Trennungsoption für schlechte Zeiten festschreiben – etwa die Insolvenz des Geschäftspartners“, sagt Dr. Ludwig J. Weber, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Fachanwalt für Steuerrecht bei Schultze & Braun. Solche sogenannten insolvenzabhängigen Lösungsklauseln sind in vielen Branchen gang und gäbe. „Die Entscheidung des BGH spielt besonders bei Verträgen eine große Rolle, die zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht erfüllt worden sind“, erläutert Dr. Weber. Denn grundsätzlich könne in solchen Fällen der Insolvenzverwalter entscheiden, ob er den Vertrag fortführt – etwa über die Lieferung einer Ware, die Produktion einer Maschine oder die Errichtung eines Bauwerks. Allerdings möchten viele Unternehmen im Falle der Insolvenz des Geschäftspartners diese Wahl lieber selbst treffen. Dabei darf das in der Insolvenzordnung geregelte Wahlrecht jedoch nicht eingeschränkt werden. „Eine Klausel, die – vereinfacht gesagt – feststellt, dass der Vertrag hinfällig ist, wenn ein Geschäftspartner einen Insolvenzantrag stellt, ist also meist unwirksam“, sagt Thomas Dömmecke, Rechtsanwalt in der Restrukturierungsberatung von Schultze & Braun. BGH: Insolvenzabhängige Lösungsklauseln grundsätzlich möglich Der BGH hat nun entschieden, dass insolvenzabhängige Lösungsklauseln grundsätzlich möglich sind. Dies gilt insbesondere dann, wenn darin etwa ein ohnehin bestehendes gesetzliches Recht konkretisiert wird. So ist es etwa im Bauvertragsrecht möglich, einen Vertrag aus wichtigem Grund zu kündigen. „Die Klausel ist aber nur wirksam, wenn der Vertrag um den Zusatz konkretisiert wird, dass eine Insolvenz einen wichtigen Grund darstellt“, betont Dömmecke. So war es auch in dem Fall, der vor dem BGH verhandelt wurde. Ein später insolventer Busunternehmer hatte im Vertrag mit seinem Auftraggeber, in dem es um die Beförderung von Schülern ging, genau eine solche Klausel festschreiben lassen. In diesem Bereich – wie in vielen anderen auch – gibt es jedoch keinen gesetzlichen Kündigungsgrund, der konkretisiert werden könnte.

Verfahrensfinanzierung über Kommanditistenhaftung? Thema Der Bundesgerichtshof hat sich mit der Frage „Wie weit reicht die Haftung eines Kommanditisten?“ in den vergangenen Jahren bereits in mehreren Entscheidungen befasst. Eine richtungsweisende Entscheidung des LG Stuttgart (Az. 27 O 45/22) wirft ein Schlaglicht auf Verbindlichkeiten, die der Kommanditgesellschaft aufgezwungen wurden, nämlich in Form von Verfahrenskosten. Olaf Diederich von Schultze & Braun ordnet die Entscheidung und ihre Auswirkungen ein.

In seinen Entscheidungen zur Kommanditistenhaftung hat der BGH klargestellt, dass sich die Haftung von Kommanditisten grundsätzlich auf diejenigen Verbindlichkeiten erstreckt, die von der schuldnerischen Kommanditgesellschaft selbst begründet worden sind (unter anderem BGH, Urteil vom 28.1.2021 – IX ZR 54/20). Haftungs-Neuland „Das LG Stuttgart hat diese Sichtweise mit seiner richtungsweisenden Entscheidung aus dem Juni 2022 nun erweitert und damit durchaus HaftungsNeuland betreten“, sagt Olaf Diederich, Rechtsanwalt am Bremer Standort von Schultze & Braun. In der Rechtsprechung und der Literatur war lange Zeit die Auffassung verbreitet, dass Kommanditisten nicht für Masseverbindlichkeiten einzustehen haben. „Das hat sich durch die jüngeren Entscheidungen des BGH geändert“, sagt Diederich, der unter anderem auf Haftungsfragen spezialisiert ist. „In diesen Entscheidungen hatten die Karlsruher Richter ausgeführt, dass der insolvenzrechtlichen Einordnung in Masseverbindlichkeiten und Insolvenzforderungen keine Relevanz für die Frage der Haftung des Kommanditisten zukommt. Das LG Stuttgart hat diese Sichtweise in seiner Entscheidung aufgegriffen und die Haftung des Kommanditisten denkbar weit ausgedehnt.“ Nach der Auffassung des LG Stuttgart hafte der Kommanditist durchaus auch für die Kosten des Insolvenzverfahrens, so Diederich. Insolvenzverwalter gegen Kommanditisten Im Fall vor dem LG Stuttgart klagte der Insolvenzverwalter gegen einen der Kommanditisten des schuldnerischen Schiffsfonds. Der Kommanditist hatte während seiner Zugehörigkeit zur schuldnerischen Kommanditgesellschaft nicht gewinngedeckte Auszahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen erhalten, weshalb der Insolvenzverwalter ihn nach Maßgabe der §§ 171, 172 Abs. 4 HGB auf Haftung für die Verbindlichkeiten der Schuldnerin in Anspruch nahm. Der Insolvenzverwalter hatte bereits ausreichend Mittel zur Befriedigung der festgestellten Insolvenzforderungen nach § 38 InsO vereinnahmt. „Aus diesem Grund ging es vor dem LG Stuttgart unter anderem noch darum, ob der Kommanditist auch für die Kosten des Insolvenzverfahrens hafte“, sagt Diederich. Befriedigung von Verfahrenskosten aus der Sondermasse Das LG Stuttgart bejahte dies – und zwar mit folgenden Erwägungen: Da die Kosten des Insolvenzverfahrens vorweg aus der Aktivmasse zu befriedigen seien, stehe diese insoweit nicht zur Deckung von Masseverbindlichkeiten und Insolvenzforderungen zur Verfügung. Als Konsequenz würden die Kommanditisten mittelbar auch die Verfahrenskosten tragen. Vor diesem Hintergrund erscheine es überzeugender, so das LG Stuttgart weiter, dass die Kommanditisten durchaus auch unmittelbar für die Deckung der Verfahrenskosten herangezogen werden können. Denn anderenfalls dürfte die vom Insolvenzverwalter aus der Inanspruchnahme von Kommanditisten gebildete Sondermasse nicht für die Begleichung der Verfahrenskosten verwendet werden. Auswirkungen für Kommanditisten und Gläubiger Ob und inwieweit sich die Auffassung des LG Stuttgart etablieren wird, ist nach Ansicht von Diederich als richtungsweisend anzusehen – gerade, da der BGH sich hierzu in seiner Rechtsprechung mangels gegebener Entscheidungsrelevanz nicht eingelassen hat. „Fakt ist: Die Frage, ob der Kommanditist auch für die Kosten des Insolvenzverfahrens einzustehen hat, ist nicht nur im Rahmen der Inanspruchnahme von Kommanditisten durch den Insolvenzverwalter von Bedeutung“, erläutert der Haftungs-Spezialist. „Sie kann im Einzelfall sogar entscheidend dafür sein, ob es überhaupt zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens kommt – oder diese mangels Masse nicht erfolgen kann.“ Die Entscheidung des LG Stuttgart hat (indirekt) auch Auswirkungen auf die mögliche Insolvenz-Quote der Gläubiger.

T e r m i n e April 2023 Insolvenz & Sanierung im Automotive 04.04.2023, online Assistenz 4.0 plus – digital. online. genial. 19.04.2023, online 3x6 Praxisworkshop zur Unternehmenssanierung 20.04.2023, online Komm zum Punkt! 20. – 21.04.2023, online Selbst- und Task-Management 4.0 24.04.2023, online Grundbuch und Zwangsversteigerung 24. – 26.04.2023, online Professionelle Liquiditätsplanung in Krise und Insolvenz 25.04.2023, online Grundstücksverwaltung in der Krise 26.04.2023,online Leasing & Insolvenz 27.04.2023, online Bilanzanalyse in Sanierungs- & Insolvenzfällen 27.04.2023, online

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