Krise & Chance Juli 2023

Krise Chance präsentiert von Juli 2023 Neues zu Restrukturierung und Insolvenz Wenn die Helfenden Hilfe brauchen Wie Unternehmen aus der Pflegebranche die Krise meistern können

Ticker Die Investorensuche für die etablierte Rollenoffsetdruckerei GD Gotha Druck und Verpackung konnte erfolgreich abgeschlossen werden. Der Kaufvertrag mit Walstead Leykam Druck, einem der größten Unternehmen der Druckereibranche in Europa, wurde Anfang Juni unterzeichnet. „Trotz eines schwierigen Marktumfeldes konnten wir mit Walstead einen strategischen Partner gewinnen, der den Geschäftsbetrieb in Gotha nachhaltig fortführen wird“, sagt Insolvenzverwalter Rolf Rombach von ROMBACH – Rechtsanwälte | Insolvenzverwalter. Die GD Gotha Druck und Verpackung GmbH & Co. KG besteht seit 1991. Das inhabergeführte Unternehmen ist auf Druckerzeugnisse spezialisiert und stellt als Rollen- und Bogenoffsetdruckerei Zeitschriften, Beilagen und Broschüren her. Im Geschäftsjahr 2021 erwirtschaftete GD Gotha Druck einen Umsatz von knapp 65 Millionen Euro. Im Februar 2023 hatte das Unternehmen Insolvenzantrag gestellt. Christoph Rothämel und Rüdiger Bauch von Schultze & Braun haben die Geschäftsleitung im Verfahren und auch im Vorfeld des Antrags beraten und unterstützt. Die beiden Rechtsanwälte kennen die Druck- und Medien-Branche. Über die Herausforderungen der Druckereibranche, aber auch Lösungen, um eine Krise zu meistern, sprechen Rüdiger Bauch und Christoph Rothämel im Interview in dieser Ausgabe. Geschäftsbetrieb gesichert

Wenn man die Mitte eines Zeitraums erreicht hat, wird oft die Metapher des „Bergfests“ verwendet. Der betrachtete Zeitraum wird dabei mit einer Bergbesteigung verglichen, und nach dem Erreichen des Gipfels folgt der Abstieg. Der Wechsel von Juni zu Juli stellt mit Sicht auf das Gesamtjahr durchaus ein Bergfest dar, da nun die zweite Hälfte des Jahres beginnt. Allerdings lässt sich beim Blick auf die Temperaturen, aber auch bei der Zahl der Insolvenzen kein Abstieg erkennen – vielmehr ist das Gegenteil der Fall. Mitte Juni gab das Statistische Bundesamt bekannt, dass die Zahl der beantragten Unternehmensinsolvenzen im ersten Quartal 2023 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um fast 20 Prozent gestiegen ist. Und die Zunahme der beantragten Regelinsolvenzen im April und Mai sowie die technische Rezession in Deutschland deuten darauf hin, dass sich der Anstieg bei den Insolvenzen auch im zweiten Halbjahr 2023 fortsetzen dürfte. Für die Wirtschaftswoche hat STP Business Information analysiert, wie sich die Zahl der Insolvenzen in einzelnen Branchen vor und während der CoronaPandemie entwickelt hat. Das Ergebnis: Der Anstieg der Insolvenzen betrifft nicht alle Branchen gleich. So gab es zum Beispiel im Gesundheitsbereich die größten Steigerungen an Insolvenzen im Vergleich Unser Seminartipp Sie möchten sich auf die steigende Anzahl an Insolvenzen vorbereiten und wissen, wie Sie als Gläubiger Ihre Rechte sichern? Dann besuchen Sie unser Online-Seminar „Basiswissen Insolvenzrecht“ am 27.11.2023. zur Vor-Corona-Zeit. Gerade im Bereich der Altenpflege stehen Unternehmen derzeit aus mehreren Gründen stark unter Druck. Meine Kollegen Christoph von Wilcken und Tobias Hartwig haben bereits mehrere Unternehmen aus der Pflegebranche bei ihren Sanierungen begleitet. Im Interview sprechen Sie über die Lösungen für die Betreiber von Pflegeeinrichtungen, um die Krise zu meistern. Eine weitere Branche, die im wahrsten Sinne des Wortes unter Druck – vor allem einem noch nie dagewesenen Kostendruck – steht, ist die Druckereibranche. Meine Kollegen Rüdiger Bauch und Christoph Rothämel erläutern im Interview, wie Druckereien Liquidität sichern können und warum es für Geschäftsleiter wichtig ist, früh zu handeln. Mein Kollege Christoph Sorg erläutert wie Logistik und Transportunternehmen aus einer finanziellen Schieflage wieder in die Spur kommen können. Im Bereich Verkehr und Lagerei gab in den ersten drei Monaten des Jahres die meisten Insolvenzanträge. Ich wünsche Ihnen eine interessante und aufschlussreiche Lektüre, Ihr Tobias Hirte e d i t o r i a l

Ticker Zwei Monate nach dem Insolvenzantrag Anfang April gibt es für den Industrie- und Gebäudereinigungsspezialisten Topp-Clean eine Fortführungslösung, mit der alle 80 Arbeitsplätze erhalten werden können. Der Sohn des Gründers hat zum 1. Juni 2023 mit einer neu gegründeten Gesellschaft den Geschäftsbetrieb von Insolvenzverwalter Constantin Graf Salm-Hoogstraeten von Schultze & Braun erworben und damit den Innungs- und Meisterbetrieb und die 80 Mitarbeitenden übernommen. „Die Kunden haben nun Gewissheit, dass sie auch künftig auf die Leistungen von Topp-Clean vertrauen und setzen können. Die nun erreichte Lösung ist daher auch für sie eine gute Nachricht“, sagt Graf Salm-Hoogstraeten. Eine gute Nachricht ist die Fortführungslösung für Topp-Clean auch für die Gläubiger des Unternehmens. In Insolvenzverfahren erhalten sie in durchschnittlich rund fünf Prozent ihrer Forderungen zurück. Es zeigt sich aber bereits jetzt, dass es für die Gläubiger von Topp-Clean eine überdurchschnittlich hohe Insolvenz-Quote von wohl über 25 Prozent geben dürfte, sagt Graf Salm-Hoogstraeten. „Natürlich sind 25 Prozent keine 100 Prozent, aber durch die Fortführung des Unternehmens haben die Geschäftspartner die Möglichkeit, auch in Zukunft mit Topp-Clean Geschäfte zu machen.“ Kommt v G Saubere Sache Unser Seminartipp Sie möchten wissen, wie Sie bei einem Unternehmen in der Abwicklung Ihre Rechte bestmöglich wahren? Dann besuchen Sie unser Seminar „Insolvenzrecht kompakt“ am 18.10.23! Foto: .www.hansa-gruppe.info

Die wirtschaftliche Neuaufstellung der HANSA-Gruppe kommt voran. „Die gesamte Pflegebranche befindet sich in einer herausfordernden Situation. Wir sind gleichwohl weiterhin überzeugt davon, dass wir mit unserer wirtschaftlichen Neuaufstellung auf dem richtigen Weg sind und unser Ziel mit dem Sanierungsplan und den darin definierten Maßnahmen erreichen können“, sagen die HANSA-Geschäftsführer Steffen Krakhardt und Frank Lutter. Der Pflege- und Betreuungsbetrieb in den HANSA-Seniorenzentren läuft unterdessen ohne Einschränkungen weiter. Die Arbeit am Sanierungsplan ist weit fortgeschritten mit der planmäßigen Eröffnung des Verfahrens am 1. Juni 2023 hat die Neuaufstellung der HANSA-Gruppe einen wichtigen Meilenstein erreicht, und die Gruppe setzt ihre Sanierung in eigener Regie fort. Unterstützt wird die Geschäftsführung bei der Neuaufstellung von einem Team von Schultze & Braun um Detlef Specovius, Michael Böhner, Dr. Christoph von Wilcken und Alexander von Saenger. Das Gericht bestellte Dr. Malte Köster von WILLMERKÖSTER zum Sachwalter, der auch bislang die Sanierung für die Gläubiger begleitet und beaufsichtigt hat. Über die Herausforderungen der Pflegebranche, aber auch Lösungen, um eine Krise zu meistern, sprechen Dr. Christoph von Wilcken und Tobias Hartwig von Schultze & Braun im Titel-Interview dieser Ausgabe. voran Geordneter Marktaustritt Christoph Sorg von Schultze & Braun hat als Insolvenzverwalter der Spedition KR Arena mit Sitz in Moosinning für den geordneten Marktaustritt des Unternehmens gesorgt. „Die anhaltenden Verluste haben diesen Schritt ohne den Einstieg eines Investors alternativlos gemacht. Eine wirtschaftliche Fortführung von KR Arena war nicht möglich, da die Belegungsquote des Lagers zu niedrig war, und mit den Erlösen zuletzt nicht mehr die Mietkosten gedeckt werden konnten. Indem Sorg, der bereits mehrere Transport- und Logistikunternehmen in ihren Insolvenzverfahren begleitet hat, dafür sorgte, dass die Eigentümer ihre Waren und Produkte abholen, konnten eine kostenintensive Entsorgung oder langwierige Rechtsstreitigkeiten über die Zuständigkeiten dafür zu Lasten der Insolvenzmasse vermieden werden. „Zudem haben wir die Vermögenswerte von KR Arena verwertet, nachdem klar war, dass eine wirtschaftliche Fortführung des Unternehmens nicht möglich ist“, sagt der Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht. Der geordnete Marktaustritt und die Ordnungsfunktion des Insolvenzrechts haben für den Vermieter zudem einen weiteren Vorteil: Er konnte für die geräumte Lagerhalle ohne größere Mietausfälle einen Anschlussmieter suchen, und die Halle ist inzwischen wieder vermietet. Über die Herausforderungen der Logistikbranche, aber auch Lösungen, um eine Krise zu meistern, spricht Christoph Sorg im Interview in dieser Ausgabe.

Wenn die Helfenden Hilfe brauchen T i tel

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Herr Hartwig, Herr von Wilcken, wie beurteilen sie die aktuelle Lage des Pflegesektors? Hartwig: Der Pflegemarkt in Deutschland steht bereits seit Jahren vor großen wirtschaftlichen Herausforderungen. In der jüngeren Vergangenheit wurde die angespannte finanzielle Situation vieler Unternehmen durch externe Faktoren wie etwa die Auswirkungen der Pandemie und oder die enormen Preissteigerungen im Zuge des Ukraine-Kriegs verstärkt. Bei vielen Pflegeunternehmen steht nun ein plötzlicher Anstieg der Kosten für Energie, Material, Mieten und Personal Einnahmen gegenüber, die nur verzögert an die aktuelle Lage angepasst werden können. Die von der Politik und den Pflegekassen vorgegebenen Rahmenbedingungen ermöglichen die Wirtschaftlichkeit beispielsweise eines Seniorenheims erst ab einer Auslastung von 95 Prozent aufwärts. Somit bleibt selbst bei einer Vollbelegung lediglich ein finanzieller Puffer von fünf Prozent. Dem Unternehmer verbleibt eine Eine Auswertung von STP Business Information zeigt, dass es im Gesundheitsbereich den größten Anstieg an Insolvenzen im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit gegeben hat und gibt. Gerade im Bereich der Altenpflege stehen Unternehmen derzeit aus mehreren Gründen stark unter Druck. Im Interview erläutern Christoph von Wilcken und Tobias Hartwig von Schultze & Braun, wie Pflegeunternehmen mit der aktuellen Multidauerkrise umgehen können und welche Möglichkeiten sie zur Neuaufstellung haben. T i tel

Rendite von 1,5 Prozent – aber nur, wenn alles perfekt läuft. von Wilcken: Zudem ist es für Pflegeeinrichtungen in den vergangenen Jahren wegen des Fachkräftemangels immer schwieriger geworden, das notwendige Verhältnis von Pflegenden zu Bewohnenden sicherzustellen. Die Corona-Pandemie hat den Personalmangel in der Pflege noch verstärkt. Doch an dem Fakt, dass die Qualifikation und Personalstärke die mögliche Belegung einer Pflegeeinrichtung bestimmen, hat sich nichts geändert. Welche Möglichkeiten haben Pflegeeinrichtungen hinsichtlich der personellen Problematik und welche besonderen Herausforderungen gehen damit einher? Hartwig: Um für die Bewohnenden als auch die Mitarbeitenden Sorge zu tragen, greifen Unternehmen nicht selten auf den Einsatz von Leiharbeitenden zurück. So kann trotz Fachkräftemangels in einer Einrichtung zeitweise eine Auslastung jenseits der 95 Prozent erreicht werden. Doch für dieses Mittel müssen finanzielle Reserven vorhanden sein. Denn für Leiharbeitende oder – korrekt formuliert – Personal, welches im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung in einem Pflegebetrieb arbeitet, müssen Betreiber in der Regel deutlich mehr bezahlen. Zudem ist die innerbetriebliche Integration der neuen und eben nicht dauernd präsenten Mitarbeitenden oftmals herausfordernd und nur begrenzt umsetzbar. von Wicken: Langfristig ist Leiharbeit keine Lösung. Daher ist es nicht immer möglich, eine ausreichende beziehungsweise wirtschaftliche Belegung von Senioren- oder Pflegezentren zu erreichen. Hinzu kommt die Besonderheit, dass die Verhandlungen mit den Pflegekassen nur einmal im Jahr stattfinden und selbst bei unvorhergesehenen größeren Preissteigerungen wie zuletzt etwa beim Punkt Energie im gleichen Jahr keine Nachverhandlung möglich ist. Deshalb können die gestiegenen Kosten nicht unmittelbar refinanziert werden, was zu Verlusten führt. Über einen gewissen Zeitraum können solche Verluste abgefedert werden – wenn das Pflegeunternehmen zum Beispiel finanzielle Puffer für solche harten Zeiten aufbauen konnte. Doch seit der Corona-Pandemie folgt eine Krise auf die nächste und dies kann auch vorsichtig planende Unternehmen an ihre finanziellen Grenzen bringen. Sie haben bereits mehrere Einrichtungen im Pflegesektor bei ihrer Neuaufstellung begleitet. Wie kann eine solche aussehen? Hartwig: Pflegeunternehmen können sich mithilfe der Werkzeuge des deutschen Restrukturierungsrechts durchaus wieder nachhaltig und zukunftsfähig aufstellen. Ein gut vorbereitetes Insolvenzverfahren – ganz gleich, ob als Regelverfahren, in Eigenverwaltung oder in Form eines Schutzschirmverfahrens kann eine finanzielle Neuaufstellung, aber auch eine strategische Neuausrichtung ermöglichen. Im Falle einer uneingeschränkten Fortführung des Betriebs – etwa im Rahmen einer Eigenverwaltung – wird die Insolvenz in der Außenwirkung weniger negativ, sondern vielmehr als ernstgemeinte Sanierungsinitiative aufgefasst. von Wilcken: Insolvenz- und Eigenverwaltungsverfahren eignen sich grundsätzlich zur finanziellen Stabilisierung von Pflegebetrieben. So wird die Gesellschaft bis zu drei Monate lang von Löhnen und Gehältern entlastet, die durch das Insolvenzgeld aufgefangen werden. Außerdem können Dauerschuldverhältnisse angepasst werden. Auf diese Weise lassen sich beispielsweise Mietverträge für Immobilien und gegebenenfalls auch nachteilige Lieferantenverträge neu verhandeln, die sonst einen wirtschaftlichen Neustart verhindern würden. Die so neu gewonnene Liquidität kann dann für die Suche nach Investoren oder für die Sanierung des Unternehmens genutzt werden. Dabei ist immer das Ziel, die Gesellschaft wieder auf eine langfristig stabile Basis zu stellen.

Thema Druckereien standen bereits seit Längerem unter großem Kostendruck, nun sorgen hohe Energie-, Papier- und Druckchemiepreise dafür, dass die Situation für viele Unternehmen existenzbedrohende Ausmaße annimmt. Christoph Rothämel und Rüdiger Bauch von Schultze & Braun erläutern im Interview, wie Druckereien Liquidität sichern können und warum es für Geschäftsleiter wichtig ist, früh zu handeln. Eine Branche Herr Rothämel, Herr Bauch, was sind die wesentlichen Krisenfaktoren, denen die Druckbranche aktuell ausgesetzt ist? Rothämel: Wir sehen in dieser Branche – wie auch in vielen anderen – eine ganze Reihe an Herausforderungen, die sich auf die Liquiditätslage der Unternehmen auswirken. Dies sind zunächst einmal die Energiepreissteigerungen und die anhaltende Volatilität auf dem Rohstoffmarkt. Bauch: Aufgrund der Digitalisierung sinkt zudem bereits seit einigen Jahren die Nachfrage nach Druckerzeugnissen, Werbebudgets werden eher auf den Onlinebereich konzentriert. Der so entstandene harte Preiskampf drückt auf die Marge und das Ergebnis ist eine mangelhafte Liquidität, die zur finanziellen Schieflage führen kann. Sie haben bereits einige Unternehmen aus der Druckbranche in ihren Sanierungen begleitet. Was sollten Druckereien, bei denen sich wirtschaftliche Schwierigkeiten abzeichnen, als erstes tun? Rothämel: Um einen stabilen Cash-Flow zu gewährleisten, versuchen Druckereibetriebe nachvollziehbarerweise, ihre teuren Maschinen möglichst kontinuierlich auszulasten. Um Leerläufe zu vermeiden, arbeiten sie nicht selten mit Online-Anbietern zusammen. Die Konditionen der „Lieferandos“ der Printbranche sind aber erfahrungsgemäß oftmals nicht kostendeckend und die Liquidität der Druckerei nimmt trotz voller Auftragsbücher ab. Mit anderen Worten: Mit jedem Euro Umsatz aus einem solchen Auftrag legt die Druckerei oft einige Cent dazu. Bauch: Druckereien sollten daher – wenn sich abzeichnet, dass es finanziell eng werden dürfte – frühzeitig mit einer Neugestaltung ihrer Finanzen befassen. Verfügt ein Unternehmen etwa über einen großen geleasten oder finanzierten Maschinenpark, ist seit Anfang 2021 eine außergerichtliche finanzielle Sanierung ohne Insolvenz über ein StaRUG-Verfahren möglich. Wann wird es sinnvoll, sich Hilfe zu holen? Bauch: Entscheidend ist es, dass sich die Geschäftsleitung früh mit den verschiedenen Sanierungsoptionen beschäftigt. Wenn die Liquidität kaum noch gegeben ist, wird eine selbst gesteuerte Sanierung schwierig. Hilfe sollte sich die Geschäftsleitung holen,

sobald ihr auffällt, dass in den kommenden zwölf bis achtzehn Monaten finanzielle Engpässe zu erwarten sind. So hart es klingt: Abzuwarten und auf Besserung zu hoffen kann schnell das totale Aus bedeuten. Welche Optionen haben Druckereien, wenn Sie finanzielle Schwierigkeiten bemerken? Rothämel: Das Insolvenzrecht bietet frühzeitig handelnden Druckereien unterschiedliche Möglichkeiten. Diese hängen vom Krisenstadium ab, in dem sich das Unternehmen befindet. Im Frühstadium ist noch eine strategische Sanierung möglich. Das bedeutet, die Geschäftsführung sucht sich Hilfe bei der strategischen Neuausrichtung des Unternehmens. Hier kann man häufig auch noch begleitend durch betriebswirtschaftliche oder operative Veränderungen gegensteuern, beispielsweise durch die Überarbeitung von Abläufen und Prozessen. Bauch: Ist die Krise bereits fortgeschritten, stehen die Instrumente der außergerichtlichen und der gerichtlichen Sanierung zur Verfügung. Bei außergerichtlichen Sanierungen müssen sämtliche Gläubiger zustimmen. Bei der bereits erwähnten vorinsolvenzlichen StaRUG-Restrukturierung sind es drei Viertel der einbezogenen Gläubiger. Im Eigenverwaltungs-, oder im Schutzschirmverfahren sowie auch im „klassischen“ Insolvenzverfahren ist die Zustimmung der einfachen Gläubigermehrheit ausreichend. Ein Vorteil solcher Verfahren: Mit Hilfe des Insolvenzrechts können für das Unternehmen negative Verträge mit langer Laufzeit kurzfristig beendet werden. Aus der Praxis, was benötigt eine Druckerei, um eine finanzielle Schieflage zu überstehen? Bauch: Es mag seltsam klingen, doch die Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Sanierung ist, dass das kriselnde Unternehmen ordentlich geführt wurde. Viele weitere Faktoren spielen ebenso eine Rolle. Etwa der Markt und der Wettbewerbsdruck in diesem Segment. Geschäftsleitung und Sanierungsberater müssen jedenfalls auch dazu bereit sein, harte Maßnahmen zu ergreifen und dafür braucht es belastbare Beziehungen zu Kunden und Lieferanten. Rothämel: Außerdem sollte die Druckerei nach Möglichkeit ein Alleinstellungsmerkmal aufweisen, also in einem Bereich für den Kunden besonders hervorstechen. Druckereien können etwa in Erwägung ziehen, ihren Anteil an der Wertschöpfungskette zu erweitern. Kompetenz in Design und Marketing holt den späteren Druckkunden früher ab. Letztlich verkauft man die Dienstleistung und den Druck, statt nur Empfänger der Druckvorlage zu sein. Im Industriedruck gewährleistet ein breiteres Portfolio die Flexibilität, um den vielseitig nachfragenden Kunden möglichst exklusiv zu binden. unter Druck

Sanierung auf die StraSSe bringen Thema Ab Januar 2024 ist ein Aufschlag auf die seit 2005 geltende LKW-Maut geplant. Diese 200 Euro pro Tonne CO2-Ausstoß zusätzlich stellen für Logistiker und Speditionen in einer ohnehin angepassten Marktsituation eine zusätzliche Herausforderung dar. Christoph Sorg von Schultze & Braun erläutert im Interview wie Logistik und Transportunternehmen aus einer finanziellen Schieflage wieder in die Spur kommen können. Herr Sorg, der Druck auf die Logistikbranche erhöht sich und die Zahl der Insolvenzanträge steigt. Woran liegt das? Sorg: Mit dem Ukraine-Krieg haben sich die finanziellen Schwierigkeiten von Transport- und Logistikunternehmen stark zugenommen. Oft stellen die steigenden Energiepreise oder der Wegfall vieler Kunden im Osteuropageschäft die größten Herausforderungen dar. Die geplante Maut-Erhöhung dürfte die Situation vieler Unternehmen nicht vereinfachen. Was raten Sie den Unternehmen, bei denen sich eine Krise abzeichnet? Sorg: Es ist wichtig, sich rechtzeitig Hilfe von Fachleuten zu holen, um gemeinsam einen geeigneten Weg aus der Krise zu finden. Und auch eine Insolvenz muss nicht das Ende eines Unternehmens bedeuten, im Gegenteil: Ein professionell vorbereitetes und erfolgreich absolviertes Insolvenzverfahren kann die Basis für einen nachhaltigen Neuanfang sein. In der Praxis werden Insolvenzanträge leider oft zu spät

gestellt – bildlich gesprochen: wenn der Tank schon fast leer ist. Dadurch sinken die Chancen für eine Fortführung des Unternehmens. In einer wirtschaftlichen Krise ist es wie auf der Straße: Mit einer Sprit-Reserve komme ich bis zur nächsten Tankstelle, ohne bleibe ich auf der Strecke. Die Insolvenz sollte nicht mehr als die letztmögliche Ausfahrt gesehen werden, sondern als realistische Option, um eine Krise zu meistern. Was ist der erste Schritt in Richtung Sanierung? Sorg: Im Idealfall erfolgt der erste Kontakt mit dem Sanierungspartner, wenn der Geschäftsführer finanzielle Schwierigkeiten erkennt. Dann prüfen beide, ob ein Insolvenzgrund vorliegt und wie es weiter geht. Liegt etwa die Zahlungsunfähigkeit vor, der mit Abstand häufigste Grund für eine Insolvenz vor, muss das Unternehmen beim zuständigen Gericht einen Antrag stellen. Das Gericht bestellt dann einen Sachverständigen oder einen vorläufigen Insolvenzverwalter. Es gibt aber auch die Möglichkeit, dass sich ein Unternehmen in eigener Regie saniert. Dabei behält das Unternehmen das Heft des Handelns in der Hand, und ihm wird ein Sachwalter zur Seite gestellt, der dafür sorgt, dass die Rechte der Gläubiger gewahrt bleiben. Unternehmen stehen branchenübergreifend derzeit vor sehr vielen Herausforderungen. Der Gesetzgeber hat daher im November 2022 Erleichterungen bei der Insolvenzantragspflicht wegen Überschuldung und beim Zugang zu Sanierungsverfahren geschaffen. Und wenn gar kein Insolvenzgrund vorliegt? Sorg: Dann kann sich ein Unternehmen auch außergerichtlich sanieren. Durch eine Anpassung des Geschäftsbetriebes kann die Liquidität wiederhergestellt werden – in der Transport- und Logistikbranche ist das etwa durch den Verkauf von Fahrzeugen möglich. Hierbei ist es dann aber wichtig zu prüfen, ob diese Anpassungen eine langfristige Sanierung ermöglicht oder nur eine kurzfristige Entlastung zur Folge haben. Welche Möglichkeiten hat ein Insolvenzverwalter, die das Unternehmen nicht hat? Sorg: Häufig wird in einer Krise die Vertrauensbasis zwischen Logistikunternehmen und Dienstleistern erschüttert. Da kann der Insolvenzverwalter als neuer Vertreter auf Unternehmensseite mit einem klaren Sanierungskonzept neues Vertrauen schaffen. Auch hat der Insolvenzverwalter die Möglichkeit, Verträge einseitig zu kündigen, die aufgrund der neuen finanziellen Situation für das Unternehmen unrentabel geworden sind – das umfasst defizitäre Aufträge, aber auch Fahrzeug oder Mietverträge. Können Sie Beispiele nennen? Sorg: Wenn beispielsweise 15 geleaste Lkw auf dem Hof stehen und eigentlich nur zehn benötigt werden, lassen sich die Verträge für diese fünf relativ schnell beenden. Zudem ist mein Eindruck, dass den Fahrzeugfinanzierern die aktuell schwierige Situation für Speditionen – Russland-Ukraine, steigende Energiepreise – durchaus bewusst ist. Hier erleben wir bei Unternehmenssanierungen Unterstützung, also dass man über Verträge neu verhandeln kann. Einen Gewerbemietvertrag schließt ein Unternehmer normalerweise für fünf Jahre ab. Als Insolvenzverwalter haben Sie die Möglichkeit, innerhalb von drei Monaten zu kündigen. Wenn Sie als Insolvenzverwalter ins Unternehmen kommen, was sind Ihre ersten Schritte? Sorg: Wir versuchen, den Geschäftsbetrieb zu stabilisieren und uns einen Überblick über die finanzielle Situation zu verschaffen. Gerade in der Speditionswelt besteht eine Herausforderung darin, dass man kein stehendes Gewerbe hat, sondern dass Fahrzeuge unterwegs sind. Die Verhandlung mit den Tankkartenbetreibern ist für uns der erste Schritt, den wir zügig angehen. Denn der Albtraum eines jeden vorläufigen Insolvenzverwalters ist, dass 20 Fahrzeuge im Ausland oder irgendwo in Deutschland stehen und die Fahrer können den Diesel für die Weiterfahrt nicht bezahlen. Dafür ist es wichtig, dass der Antrag frühzeitig gestellt wird, so dass noch Cash auf dem Konto ist und man einen gewissen finanziellen Verhandlungsspielraum hat.

T e r m i n e September 2023 Sanierungskredite 12.09.2023, online Leasing & Insolvenz 25.09.2023, online Rechtsfragen in der Sanierung 26.09.2023, online

Oktober 2023 Cash-Pooling und Unternehmensverträge in Krise & Insolvenz 05.10.2023, online Insolvenzanfechtung vermeiden und abwehren 17.10.2023, online Verbraucherinsolvenzen schnell und effizient abwickeln 18.10.2023, online Insolvenzrecht kompakt – Insolvenzrecht für Fortgeschrittene 18.10.2023, online Basiswissen Insolvenzrecht für SachbearbeiterInnen 23.10.2023, online

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