Krise & Chance März 2024

Krise Chance präsentiert von März 2024 Neues zu Restrukturierung und Insolvenz Nichts ist so beständig wie der Wandel Sanierung 2.5

Ticker Insolvenz! Und jetzt?! Der Anstieg bei den Unternehmensinsolvenzen setzt sich fort. Seit Juni 2023 sind monatlich zweistellige Zuwachsraten im Vorjahresvergleich zu beobachten, wobei die Insolvenzzahlen für diesen Zeitraum insgesamt noch leicht unter dem Niveau des VorCorona-Zeitraums Juni 2019 bis Januar 2020 lagen. Oder anders formuliert: Wir erleben derzeit eine Normalisierung des Insolvenzgeschehens. Dazu gehört auch, dass seit dem 1. Januar 2024 die Insolvenzantragspflicht wieder in vollem Umfang greift. Fakt ist: Jeder kann von der Insolvenz seines Unternehmens oder Arbeitgebers betroffen sein kann. Grundsätzlich gilt: Egal, ob es sich um einen Konzern oder ein kleines Unternehmen handelt – mit dem Insolvenzantrag beginnt für die Mitarbeitenden regelmäßig die Angst um den Arbeitsplatz. Die wichtigste Botschaft: Auch eine Insolvenz ist kein rechtsfreier Raum, und gerade die Arbeitnehmer haben in einem Insolvenzverfahren eine Sonderstellung. Trotzdem ändert sich ihre arbeitsrechtliche Situation. Daher lohnt der Blick auf die Antworten auf die wichtigsten Fragen – für Mitarbeitende, aber auch für Personalverantwortliche in Unternehmen. Diese Antworten gibt Dr. Elke Trapp-Blocher, Fachanwältin für Arbeitsrecht bei Schultze & Braun, in ihrem Beitrag auf dem Blog der Kanzlei.

Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin! Diese Gesänge stimmen Anfang April wieder Fußball-Fans an, wenn es um den Einzug in das Finale des DFB-Pokals im Berliner Olympiastadion geht. Sie könnten aber durchaus auch von Restrukturierung- und Sanierungsexperten kommen – findet vom 13. bis zum 15. März doch der inzwischen bereits 21. Deutsche Insolvenzrechtstag in der deutschen Hauptstadt statt – dieses Jahr unter dem Motto „25 Jahre InsO – wir können Krise“. Das Jubiläum der Insolvenzordnung beschäftigt uns wie bereits in der ersten Ausgabe 2024 auch in dieser Ausgabe. Denn die InsO bildet das rechtliche Fundament für Unternehmenssanierungen. Doch die Tätigkeit von Saniererinnen und Sanierern umfasst noch viel mehr und wandelt sich immer weiter. In unserem Titel-Interview „Sanierung 2.5 – Nichts ist so beständig wie der Wandel“ sprechen Dr. Elske Fehl-Weileder und Kristin Winter von Schultze & Braun über diesen Wandel, die Fähigkeiten, Probleme zu lösen, das Treffen von Entscheidungen und vermeintliche Schwächen. Rüdiger Bauch von Schultze & Braun war bereits in zahlreichen Fällen als Nachlassverwalter tätig. Im Interview erläutert er die Besonderheiten dieser Verfahren, die praktischen Herausforderungen und die Lösungsmöglichkeiten, die es dafür gibt. Über das Thema Nachlassinsolvenz spricht Rüdiger Bauch zudem bei seinem Vortrag bei den Mitteldeutschen Rechtstagen am 18. und 19. März in Leipzig. Angesichts der ausbleibenden wirtschaftlichen Erholung verschlechtern sich auch die finanziellen Aussichten für Selbstständige. Alexander Eggen von Schultze & Braun stellt in seinem Beitrag dar, worauf sie in diesem Zusammenhang achten sollten – auch, um nicht in eine steuerliche Gesetzeslücke zu fallen. Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre! Ihr Tobias Hirte e d i t o r i a l

Den nächsten Schritt gemacht Mit der Eröffnung der Verfahren und der Bestätigung der Sanierung in eigener Regie hat die GienanthGruppe auf dem Weg zu einer möglichen Sanierung den nächsten Schritt gemacht. „Die Produktionsprozesse laufen in allen Gesellschaften wie gewohnt“, berichtet Gienanth-Geschäftsführer Torsten Stein. Die Investorensuche läuft, und es werden Gespräche mit mehreren Interessenten geführt, die sowohl an einer Übernahme der gesamten Gruppe als auch einzelner Gruppenteile interessiert sind. „Unser Ziel in den Verhandlungen ist es unverändert, die Standorte und möglichst viele Arbeitsplätze zu erhalten und das Unternehmen so aufzustellen, dass es gut gerüstet ist für die Zukunft“, betont Geschäftsführer Torsten Stein. Mit Blick auf die nähere Zukunft des Unternehmens kommt die Gienanth-Gruppe jedoch nicht umhin, ihre Personalstärke an die aktuellen Rahmenbedingungen anzupassen. Eine seit Jahren stetig sinkende Abrufmenge hat dazu geführt, dass Preisanpassungen notwendig wurden. Preissensible Kunden, hauptsächlich aus dem Automotivebereich, hatten daraufhin ihre Aufträge weiter reduziert. Energieintensive Unternehmen wie Gienanth stehen unter einem enormen Konkurrenzdruck durch Gießereien aus Staaten, in denen die Fertigungskosten deutlich geringer sind. „Das ist eine Entwicklung, die nicht allein die Gienanth-Gruppe betrifft, auf die aber auch Gienanth reagieren muss“, sagt Dr. Jürgen Erbe von Schultze & Braun, der Generalbevollmächtigten für die Unternehmenssanierung. Ticker Bild: https://gienanth.com Super Bowl und drohende Kreditausfälle

Kansas City Chiefs gegen San Francisco 49ers - eine Kombination mit dem besseren Ende für die Chiefs, die deutsche American-Football-Fans beim Super Bowl in der Nacht vom 11. auf den 12.2. um den Schlaf gebracht hat. Eine ganz andere Kombination – die aus Leerständen in Gewerbeimmobilien und drohenden Kreditausfällen – bringt derzeit hingegen Investoren um den Schlaf – zumindest dann, wenn sie in US-Regionalbanken investiert sind. Aber auch deutsche Banken dürften von der Immobilienkrise betroffen sein – gibt es Leerstände doch auch in Deutschland. Fakt ist: Kreditrisiken gewinnen für Banken (weiter) an Bedeutung. Gleiches gilt dafür, Lösungen für NPL zu finden. Eine Option ist ihr Verkauf an Investoren. In der Juli-Ausgabe 2023 sprechen Jürgen Sonder, der Präsidenten der Bundesvereinigung Kreditankauf und Servicing (BKS) und Dr. Ludwig J. Weber von Schultze & Braun darüber, worauf Verkäufer und Käufer bei solchen Transaktionen achten sollten. Mit dem Blick auf die zahlreichen Insolvenzen im Immobilienbereich und die steigende Bedeutung von Kreditrisiken für Banken gerade bei der Immobilienfinanzierung erläutern Katharina Franke und Rüdiger Bauch von Schultze & Braun in der Februar-Ausgabe 2024, worauf Banken bei der Schieflage eines Eigentümers oder einer Besitzgesellschaft achten sollten, und welche Vorteile die Zwangsverwaltung einer Immobilie haben kann. Bei der NT Trading GmbH & Co. KG, einem global tätigen Spezialisten für digitale dentale Technologien mit Sitz in Karlsruhe, laufen die Entwicklung und die Fertigung auch im vorläufigen Insolvenzverfahren unverändert weiter. Gleiches gilt für die Gespräche mit potentiellen Investoren, die bereits begonnen wurden. „Das Ziel ist es, das 2008 gegründete Unternehmen mit einem neuen Investoren so aufzustellen, dass es seine Kernkompetenz im Bereich der Abutment-Aufbau Komponenten für Zahnimplantate ausbauen und langfristig am Markt aktiv sein kann“, sagt Tobias Hirte von Schultze & Braun, der vorläufige Insolvenzverwalter. Gemeinsam mit der Geschäftsführung prüft er die wirtschaftlichen Fortführungs- und Sanierungsmöglichkeiten und begleitet die Gespräche mit den potentiellen Investoren. Für die Kunden hat Dr. Torsten Voß, der neben Gründer Dirk Jahn Geschäftsführer des Unternehmens ist, gute Nachrichten: „Unsere hochqualifizierten Mitarbeiter entwickeln und fertigen die Aufträge weiterhin in der gleichen höchsten Qualität, Präzision und Zuverlässigkeit. Diese sind unsere Kunden von uns gewohnt, und dafür werden wir geschätzt. Neuaufträge sind weiterhin möglich.“ Interessenten für einen Einstieg können sich gerne beim Unternehmen oder der vorläufigen Insolvenzverwaltung melden. Der Investorenprozess steht allen Interessenten offen. Interessenten für einen Einstieg gesucht d e

Nichts ist so wie der Wan Sanieru T i tel

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Frau Fehl-Weileder, Frau Winter, Sie sind als Saniererinnen tätig. Wie ändert sich Ihrer Erfahrung nach die Herangehensweise an Unternehmenssanierungen? Fehl-Weileder: Der Umgang mit den Beteiligten in einer Sanierung abseits der rein rechtlichen Parameter spielt eine immer größere Rolle. Man muss aus meiner Sicht unbedingt im Blick haben, dass eine Insolvenz – unabhängig davon, in welchem Verfahren sie abläuft – für alle Beteiligten eine Sondersituation darstellt. Das reicht vom Unternehmer, der eventuell sein berufliches Lebenswerk in Gefahr sieht, über die Arbeitnehmer, die sich Sorgen um ihren Arbeitsplatz machen bis zu den Kunden und Lieferanten, die wissen wollen, welche Auswirkungen die Insolvenz ihres Geschäftspartners auf ihr Unternehmen hat oder den Finanzierern, die ihr Investment sichern wollen. Um die unterschiedlichen Interessen auf das zu lenken, was im Normalfall das Beste für alle ist – die Fortführung des Unternehmens und der Erhalt möglichst vieler Arbeitsplätze – muss man als Verwalterin oder Verwalter die Beteiligten mitnehmen. Und das funktioniert nur mit einer gewissen Empathie und nicht einfach „kraft Amtes“. Winter: Dem stimme ich voll und ganz zu. Die Insolvenzordnung oder das StaRUG bilden zwar den rechtlichen Rahmen und wir brauchen die Fähigkeit, dieses Wissen anzuwenden. Aber auch Soft Skills sind wichtig, also auch mal kreativ bei der Lösungsfindung zu sein und eine Sache mit Engagement anzupacken. Zudem finde ich Empathie und einen offenen und fairen zwischenmenschlichen Umgang wichtig und wertschätzend. Auch die beste Saniererin oder der beste Sanierer kann ohne ein Team – und damit meine ich seine Mitarbeitenden, aber auch die Führungskräfte und die Belegschaft im insolventen Unternehmen – nur wenig erreichen. Es geht in Sanierungen also immer auch darum, in dieser besonderen Situation zu einem neuen Team zusammenzuwachsen. Sie sind als Frauen in einer immer noch sehr männerlastigen Branche tätig. Stellen Sie fest, dass sich hier ein Wandel vollzieht? Fehl-Weileder: Inzwischen gibt es weitaus mehr Insolvenzverwalterinnen und Saniererinnen als noch vor einigen Jahren. Und auch der Austausch untereiIn diesem Jahr jährt sich das Inkrafttreten der Insolvenzordnung zum 25. Mal. Die InsO bildet das rechtliche Fundament für Unternehmenssanierungen. Doch die Tätigkeit von Saniererinnen und Sanierern umfasst noch viel mehr und wandelt sich immer weiter. Im Interview sprechen Dr. Elske Fehl Weileder und Kristin Winter von Schultze & Braun über die Fähigkeiten Probleme zu lösen, das Treffen von Entscheidungen und vermeintliche Schwächen. 2. T i tel

nander ist viel intensiver geworden – etwa bei den Distressed Ladies, einem Expertinnen-Netzwerk für Unternehmensrestrukturierung, -sanierung und Insolvenz, bei dem ich auch Mitglied bin. Man kann also durchaus sagen, dass sich die Branche in diesem Zusammenhang wandelt, und ich bin mir sicher, dass sich dieser Wandel fortsetzen wird. Gleichwohl ist die Branche historisch bedingt immer noch männlich geprägt. Das führt dazu, dass gerade bei größeren Verfahren immer noch eher ein Verwalter als eine Verwalterin bestellt wird – und das auch, weil es mehr bewährte Verwalter als Verwalterinnen gibt, da früher nur wenige Frauen in die Insolvenzverwaltung und die Sanierung gegangen sind. Aber das ändert sich wie gesagt inzwischen, und es gibt immer mehr Verwalterinnen, die für Unternehmen aus Branchen bestellt werden, die gemeinhin vielleicht eher männlich zugeordnet werden – etwa Speditionen oder Maschinenbauer. Ich erlebe aber immer wieder, dass ich als Frau gerade in solchen Branchen einen nicht zu unterschätzenden Vorteil habe: Eine Frau wird von der Geschäftsleitung weniger als Wettbewerber gesehen – vielleicht wegen des in der Regel weniger „hemdsärmeligen“ Auftretens. Daher ist die Hürde für eine konstruktive Zusammenarbeit zum Wohle des Unternehmens oftmals niedriger. Winter: Als Insolvenzverwalterin ist es meine Aufgabe, Entscheidungen zu treffen. Dies mache ich hauptsächlich auf Basis von Informationen aus dem insolventen Unternehmen. Da ist es hilfreich, wenn die Geschäftsführung kooperativ ist – und wenn es dabei hilft, dass ich als Frau weniger als Wettbewerber gesehen werde, als ein Mann, dann kann das im Fall der Fälle zum Gelingen einer Sanierung beitragen. Ich würde mir wünschen, dass hier stärker ein Umdenken stattfindet und Sanierungen branchenunabhängig gesehen werden. Und eine Sichtweise, in der es vermeintliche Frauenbranchen wie Schuhläden oder Kosmetikstudios und vermeintliche Männerbranchen wie die schon erwähnten Speditionen oder Bauunternehmen gibt, der Vergangenheit angehören. Wichtig ist: Wenn eine Verwalterin oder ein Verwalter Erfahrungen in einer bestimmten Branche hat, ist das auf jeden Fall von Vorteil, aber man sollte keine Branchen von vorneherein ausschließen. Unser tipp Dr. Elske Fehl-Weileder wird auf den 2. Bodensee Rechtstagen die Podiumsdiskussion zum Thema „Elektronischer Rechtsverkehr und Steuern“ moderieren. Die Fachtagung und das Branchentreffen der südwestdeutschen Insolvenz- und Sanierungsbranche findet am 13. und 14. Mai 2024 in Konstanz statt. Sanierung 2.5: In der Langfassung des Interviews auf dem Blog von Schultze & Braun sprechen Elske FehlWeileder und Kristin Winter zudem über die Sicht auf Insolvenzen, die Information von Mitarbeitenden in den Verfahren und die Herausforderungen für Sanierungen durch den Fachkräftemangel. .5

Die Nachlassinsolvenz: Weitaus mehr als ein Lückenfüller Thema Herr Bauch, in der Regel wird ein Nachlass damit verbunden, dass man als Erbe etwas bekommt – sei es in Form von Geld oder etwa einer Immobilie. Das ist aber nicht immer so. Bauch: Es ist davon auszugehen, dass es in Deutschland bei statistisch 1,1 Millionen Todesfällen und 5,65 Millionen überschuldeten Personen im Jahr 2023 rein rechnerisch rund 75.000 überschuldete Nachlässe gegeben haben dürfte. Und eigentlich besteht auch eine gesetzliche Antragstellungspflicht für den oder die Erben, und oft ist ein Nachlassinsolvenzverfahren für die Erben auch schlicht sinnvoll. Dessen Möglichkeiten und Vorteile sind aber immer noch weitgehend unbekannt. Denn den rund 75.000 überschuldeten Nachlässen stehen nur knapp 2.500 Nachlassinsolvenzverfahren gegenüber. Welche Herausforderungen bringt ein überschuldeter Nachlass mit sich? Bauch: Zunächst einmal kann ein Nachlass ein Haftungsrisiko für den oder die Erben mit sich bringen. Im Moment des Ablebens des Erblassers gehen das gesamte Vermögen, aber auch alle Verbindlichkeiten auf den oder die Erben über. Meist kommt die Erbschaft unerwartet und bedeutet für den Erben eine erhebliche psychische Belastung. Zur Trauer kommt die Angst, für was man jetzt alles verantwortlich sein, wofür man haften könnte. Doch wie erkenne ich als Erbe, ob bei einem Nachlass ein solches Haftungsrisiko droht? Bauch: Um auf der sicheren Seite zu sein, ist es im Fall der Fälle ratsam, einen Experten hinzuzuziehen, der sich mit Nachlässen und ihren Besonderheiten auskennt. Denn im BGB sind zwar die Anforderungen und die möglichen Haftungsrisiken für Erben festgelegt, allerdings finden sich dort keine Regelungen zu einem verteilungsgerechten Umgang mit unzureichenden Nachlässen. Liegt zum Beispiel das Bezugsrecht der vor 40 Jahren begonnenen Lebensversicherung noch bei dem früheren Partner, ein enterbtes Kind fordert den Pflichtteil, und das vorRüdiger Bauch von Schultze & Braun war bereits in zahlreichen Fällen als Nachlassverwalter tätig. Im Interview spricht er über die Besonderheiten dieser Verfahren, die praktischen Herausforderungen und die Lösungsmöglichkeiten, die es dafür gibt.

handene Geld reicht nicht, um auch nur die schon fälligen Verbindlichkeiten des Nachlasses zu bezahlen. Die Nachlassinsolvenz füllt hier eine Lücke! Inwiefern? Bauch: Die Nachlassinsolvenz hat drei Vorteile: Mit ihr können die Erben eine eigene finanzielle Haftung vermeiden. Sie entschärft aber auch die Verwaltungs- und Verwertungsprobleme, die oft aus der Gesamtvertretung einer Erbengemeinschaft entstehen. Mit anderen Worten: Die Erben können sich nicht gegenseitig durch unterschiedliche Interessen oder auch reine Passivität blockieren, was oft zu einem erheblichen Wertverlust des Nachlasses führt. Und schließlich erhalten sich die Erben mit einer Nachlassinsolvenz die Aussicht auf einen Übererlös – gerade, wenn der Nachlassinsolvenzantrag wegen drohender oder bereits eingetretener Zahlungsunfähigkeit des Nachlasses gestellt wird. Schlägt der Erbe den Nachlass hingegen aus Angst vor einer Haftung aus, kann ihm nichts mehr aus dem Nachlass zufließen, auch wenn sich die Dinge später besser entwickeln als anfangs gedacht. Dies ist in der Praxis oft bei nicht leicht liquidierbaren Vermögenswerten wie Unternehmensbeteiligungen oder belasteten Grundstücken der Fall, denen man den echten Wert oft nicht sofort ansieht. Was können Unternehmer in einem solchen Fall machen, um vorzusorgen? Bauch: Grundsätzlich gilt: Vorsorge ist wichtig, und sie ist vor allem auch von Vorteil für die Erben und die Gläubiger. Man sollte aber nicht außer Acht lassen, dass diese Vorsorge schnell zu einem komplexen Thema werden kann, die sachkundige Hilfe erfordert. Denn dabei spielen familienrechtliche, steuerliche, bei Beteiligungen zudem gesellschaftsrechtliche Fragestellungen eine Rolle. Worauf sollte der Erbe eines möglicherweise überschuldeten Nachlasses achten? Bauch: Wenn er Kenntnis von der Erbschaft erlangt, hat der Erbe sechs Wochen Zeit, vor einem Notar oder einem Nachlassgericht die Annahme der Erbschaft auszuschlagen. Es gilt also, so schnell wie möglich Informationen zu erlangen über Vermögen und Verbindlichkeiten des Nachlasses, und das ist alles andere als banal. Und oft bilden mehrere Erben eine Erbengemeinschaft. Diese Erbengemeinschaft wird dann schnell zu einer Schicksalsgemeinschaft. Denn nach dem Gesetz gilt grundsätzlich die Gesamtvertretung, also alle Erben vertreten die Erbengemeinschaft gemeinsam – und müssen sich deshalb alle einig sein, wenn etwas veranlasst wird. Selbst wenn Neid und Argwohn keine Rolle spielen sollten, haben Miterben oft ganz unterschiedliche Interessen. Der Ehegatte will das Haus erhalten und weiter bewohnen, die Geschwister ein Familienunternehmen fortführen, die jüngere Generation wünscht sich vielleicht schnelles Geld, um eigene Pläne zu verwirklichen. Und wenn ich als Erbe ahne oder sogar feststelle, dass der Nachlass zahlungsunfähig oder überschuldet ist? Bauch: Nach § 1980 BGB ist jeder Erbe dazu verpflichtet, unverzüglich die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens zu beantragen, wenn er von der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung des Nachlasses Kenntnis erlangt. Kommt er dieser Pflicht nicht nach, so haftet er gegenüber den Gläubigern für den daraus entstehenden Schaden – und je nach dem Umfang des Erbes kann eine solche Haftung schnell existenzgefährdend werden. Als Erbe muss ich mir also überlegen, was ich in einem solchen Fall mache: Das Erbe ausschlagen, oder einen Insolvenzantrag für den Nachlass stellen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang: Der BGH hat festgestellt, dass beides nicht geht, es muss also eine Entscheidung getroffen werden, um Haftungsrisiken zu vermeiden. Unser tipp Über das Thema Nachlassinsolvenz spricht Rüdiger Bauch auch bei den Mitteldeutschen Rechtstagen am 18. und 19. März in Leipzig. In seinem Vortrag bei der Fachtagung für Sanierung, Insolvenz und Vollstreckung zeigt er praktische Herausforderungen und Lösungen im Zusammenhang mit Nachlassinsolvenzen, aber auch dem Tod eines Schuldners auf – auch mit dem Blick auf die Änderungen durch das MoPeG.

Thema Von existenziel Der Anstieg bei den Unternehmensinsolvenzen setzt sich fort. Das zeigen die vorläufigen Angaben des Statistisches Bundesamt von Mitte Februar: Die Zahl der beantragten Regelinsolvenzen in Deutschland ist demnach im Januar 2024 um 26,2 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat gestiegen. Im Dezember 2023 hat es im Vergleich zum Dezember 2022 12,3 Prozent mehr Insolvenzen gegeben. Damit sind kontinuierliche Steigerungsraten bei den Insolvenzzahlen zu beobachten. Wobei die Gesamtanzahl der Fälle noch immer vor dem Corona-Zeitraum liegt. „In weiten Teilen erleben wir also eine Normalisierung des Insolvenzgeschehens, auch weil die Insolvenzantragspflicht seit dem 1. Januar wieder in vollem Umfang greift“, sagt Alexander Eggen. Der Rechtsanwalt ist als Sanierungsexperte in der RheinMain-Region tätig und leitet den Frankfurter Standort der bundesweit vertretenen Kanzlei Schultze & Braun. „Insolvenzen gehören zum Wirtschaftsleben genauso dazu, wie Unternehmensgründungen oder -nachfolgen. Aber man muss sich immer bewusst machen, dass es in jeder Insolvenz um Fragen geht, deren Antworten von existenzieller Bedeutung sind. Und da macht es keinen Unterschied, ob es sich um größeres Unternehmen oder zum Beispiel einen Selbstständigen handelt.“ Zunehmender Auftragsmangel Gerade für Selbständige wird die auch auf absehbare Zeit schwierige Wirtschaftsentwicklung immer mehr zu einer existenziellen Bedrohung. Nach der Umfrage, für die das Münchner Ifo-Institut jedes Vierteljahr selbstständig Tätige befragt, beklagt fast jeder zweite Selbstständige (47,9 Prozent, Stand Januar 2024) einen Auftragsmangel. Dementsprechend hat sich auch die Stimmung bei den Selbstständigen zum Jahresanfang 2024 merklich eingetrübt: Die aktuelle Lage beurteilten sie schlechter als noch im vergangenen Herbst. „Auch angesichts dieser Entwicklung ist daher davon auszugehen, dass es perspektivisch mehr Insolvenzen von Selbständigen geben wird“, sagt Eggen, der bereits mehrere Selbstständige in ihren Insolvenzverfahren begleitet hat. „Bei Selbstständigen liegt, anders als etwa als bei einer GmbH, keine Trennung von geschäftlichem und privatem Vermögen vor. Dies stellt in der Insolvenz ein besonderes Risiko dar. Denn für die Schulden haften der Selbstständige dann mit seinem gesamten Vermögen.“ Das bedeutet dann beispielsweise für einen Handwerker, dass im Falle einer Insolvenz auch seine private Altersvorsorge betroffen ist. Angesichts der ausbleibenden wirtschaftlichen Erholung verschlechtern sich auch die finanziellen Aussichten für Selbstständige. Alexander Eggen von Schultze & Braun erläutert, worauf sie in diesem Zusammenhang bei einer Sanierung achten sollten – auch, um nicht in eine steuerliche Gesetzeslücke zu fallen.

Finanzielle Risiken beschränken – Gesetzeslücke im Blick haben „Es ist daher vor Aufnahme der selbständigen Tätigkeit immer eine Überlegung wert, ob die Gründung einer UG oder GmbH nicht der bessere Weg ist, um die finanziellen Risiken für den oder die Unternehmer beschränken, erläutert Eggen „Der dafür erforderliche Aufwand und auch die Kosten zahlen sich im Krisenfall im wahrsten Sinne des Wortes aus und der Selbstständige muss sich zudem keine Sorgen machen, dass er durch den Schritt ins Unternehmertum Haus und Hof riskieren, wenn er richtig beraten ist.“ Aber auch im Falle einer Insolvenz gibt es für Selbstständige Sanierungsverfahren und -instrumente, mit denen sie sich finanziell neu aufstellen und sich mit ihren Gläubigern einigen können. Eine davon ist der Insolvenzplan, mit dem eine Sanierung grundsätzlich in wenigen Monaten möglich ist. „Jedoch gibt es bei Selbstständigen im Zusammenhang mit dem Insolvenzplan eine Besonderheit, die zum Tragen kommt, wenn der Selbstständige seine Geschäftstätigkeit im Zuge der Insolvenz einstellen will oder muss“, sagt Eggen. „Im Fall eines Insolvenzplans kann es sein, dass die Finanzbehörden sogenannte Sanierungsgewinne aufgrund einer Gesetzeslücke steuerlich geltend machen, da Insolvenzpläne im Einkommensteuergesetz nicht steuerbefreit sind.“ Bilanzielle Vermögensverbesserung auf dem Papier Unter Sanierungsgewinn versteht man die bilanzielle Vermögensverbesserung, die durch den Forderungsverzicht der Gläubiger entsteht. Wenn die Gläubiger im Rahmen eines Insolvenzplans zum Beispiel eine Quote von 15 Prozent erhalten, also auf 85 Prozent ihrer Forderungen verzichten, verringert das die Verbindlichkeiten des (ehemals) Selbstständigen. „Steuerlich werden die 85 Prozent, auf die die Gläubiger verzichtet haben, als Sanierungsgewinn betrachtet, auch wenn sie nur auf dem Papier des Insolvenzplans existieren“, erläutert Eggen. „Würde dieser Sanierungsgewinn besteuert, wäre der ehemals Selbstständige meist direkt wieder insolvent. Denn real macht er ja überhaupt keinen Gewinn, mit dem er eine solche Steuer bezahlen könnte.“ Es ist daher wichtig, dass gerade bei Insolvenzanträgen von Selbstständigen, die im Zuge des Verfahrens auch ihre Geschäftstätigkeit einstellen müssen oder wollen, sogenannte Verlustvorträge geprüft werden, die mit möglichen Sanierungsgewinnen verrechnet werden könnten. „Grundsätzlich gilt: Bei Insolvenzanträgen und Insolvenzverfahren ist Vorbereitung das A und O – das zeigt sich gerade auch bei den Sanierungsgewinnen, auch wenn dieser Aspekt bei Kapitalgesellschaften im Vergleich zu Selbstständigen gesetzlich anders geregelt ist“, fasst Eggen zusammen. ller Bedeutung

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