Krise & Chance Mai 2024

Krise Chance präsentiert von Mai 2024 Neues zu Restrukturierung und Insolvenz 25 Jahre Insolvenzordnung Die arbeitsrechtliche Privilegierung ist ein zentrales Element

Ticker Neuaufstellung mit den Instrumenten der Insolvenzordnung Der Sonnenberg-Kreis e.V. in Sankt Andreasberg (Braunlage) geht auf ein Treffen von dänischen und deutschen Pädagoginnen und Pädagogen vor 75 Jahren zurück, in dessen Fokus eine internationale Versöhnung stand – und das nur vier Jahre nach dem Ende des zweiten Weltkriegs. Das Ziel des Sonnenbergs ist es seither, sich mit seiner Arbeit für Frieden und Demokratie einzusetzen – ein Ziel, das wohl selten so wichtig war wie heute. Zusammen werden Geschäftsführer Tilman Zschiesche, der Geschäftsführer des Sonnenberg-Kreis e.V. und Kristin Winter von Schultze & Braun alles tun, was möglich ist, damit der Trägerverein des Internationales Haus Sonnenberg dieses Ziel auch künftig verfolgen kann. Der Verein stellt sich neu auf und nutzt dafür die Instrumente der Insolvenzordnung. Wirtschaftsjuristin Kristin Winter, die unter anderem am Standort in Braunschweig der bundesweit vertretenen Kanzlei tätig ist, begleitet das Verfahren und die Neuaufstellung als vorläufige Insolvenzverwalterin. Sie hat bereits mit dem Vorstand, dem Geschäftsführer und den 22 Mitarbeitenden die aktuelle Situation und die weiteren Maßnahmen besprochen. Erste Schritte zur Liquiditätssicherung für die Fortsetzung der Tätigkeit des traditionsreichen Vereins wurden bereits umgesetzt. „Wir prüfen nun die wirtschaftliche Situation des Vereins und die Sanierungsoptionen. Wichtig ist: Veranstaltungen, Seminare und Übernachtungen sind weiterhin möglich und ausdrücklich erwünscht“, sagen Winter und Zschiesche. Das Leistungsangebot steht den Gästen im gewohnten Umfang zur Verfügung. Bild: www.sonnenberg-international.de

Alles neu macht der Mai – so lautet der Titel eines bekannten deutschen Volkslieds, dessen Text vor rund 200 Jahren entstand. Der Unterschied zu Krise & Chance ist, dass wir nicht nur im Mai, sondern jeden Monat alles neu machen und Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, auch in dieser Ausgabe wieder drei neue Themen vorstellen und für Sie einordnen. Passend zum 1. Mai, dem Tag der Arbeit, haben wir in dieser Ausgabe den Schwerpunkt auf das Arbeitsrecht gelegt. Im Beitrag zu unserem Titelthema „Die arbeitsrechtliche Privilegierung ist ein zentrales Element“ werfen wir mit meinem Kollegen Alexander von Saenger einen Blick auf die Entwicklung des Sanierungsarbeitsrechts seit dem Inkrafttreten der Insolvenzordnung 1999. Ihr Sanierungsgedanke hat neue Möglichkeiten und Besonderheiten im Sanierungsarbeitsrecht mit sich gebracht, bei denen sich der Fokus jedoch regelmäßig wandelt. Einem stetigen Wandel unterliegen auch die Leitzinsentscheidungen der Europäischen Zentralbank oder der US-amerikanischen Zentralbank Fed. Gleichzeitig haben diese Entscheidungen große Auswirkungen auf die Pensionsverpflichtungen von Unternehmen. In seinem Beitrag „Pensionsverpflichtungen mit Déjà-vu-Potential“ zeigt Alexander von Saenger, was das mit dem ersten Teil der Filmreihe Matrix und der bekannten Déjà-vu-Szene zu tun hat, und er ordnet ein, warum die anstehenden Leitzinssenkungen zu Handlungsbedarf in den Unternehmen mit Pensionsverpflichtungen führen. Handlungsbedarf besteht derzeit auch mit dem Blick auf Personalmaßnahmen – zumindest, wenn man die zahlreichen Berichte über Unternehmen zugrunde legt, die einen Personalabbau angekündigt haben oder ihn bereits angehen. In seinem Beitrag „Wenn kein Weg an der Trennung vorbeiführt“ erläutert mein Kollege Joachim Zobel, wie Arbeitgeber Stellen sozialverträglich und rechtssicher abbauen, und worauf sie bei einer Transfergesellschaft achten sollten. Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre, Ihr Tobias Hirte Déjà-vu e d i t o r i a l

Mitte April vor 15 Jahren hat die deutsche KaufhausKette Woolworth einen Insolvenzantrag gestellt, heute ist das Unternehmen auf Expansionskurs und betreibt nach eigenen Angaben rund 700 Filialen, die meisten davon in Deutschland. Woolworth ist ein gutes Beispiel dafür, dass auch ein Insolvenzantrag nicht automatisch bedeutet, dass die Geschichte eines Unternehmens an dieser Stelle endet. Die Insolvenz kann vielmehr die Chance auf einen Neuanfang darstellen. Hier gilt jedoch ganz klar die Devise: Je früher ein Insolvenzantrag vorbereitet wird, desto größer ist die Chance auf diesen Neuanfang. Eine Insolvenz ist aber auch kein Allheilmittel. Ein Unternehmen kann sich damit zwar von Verbindlichkeiten und Altlasten befreien, braucht aber auch eine Strategie für den Neustart. Die Comeback-Geschichte des Modehändlers Bonita, über die wir in der April-Ausgabe 2023 im Interview „Erfolgsfaktor Sanierung“ mit Karsten Oberheide, dem geschäftsführenden Gesellschafter von Bonita und Detlef Specovius von Schultze & Braun gesprochen haben, der den Modehändler federführend im Schutzschirmverfahren begleitet hat, zeigt das sehr schön – und das nicht nur, weil das spanische Wort Bonita im Deutschen schön bedeutet. Wichtig ist aber auch, dass man sich - und das trifft auf Woolworth und Bonita zu - auch nicht davor scheuen darf, mitunter tiefgreifende Einschnitte vorzunehmen, um eine nachhaltige Unternehmenssanierung zu erreichen. Ticker Neuaufstellung in eigener Die JS Lasertechnik Jens Schumacher e.K., ein Spezialist für professionelle Edelstahl- und Metallverarbeitung mit Sitz in Stendal, stellt sich in eigener Regie neu auf und nutzt dazu die Möglichkeiten eines Sanierungsverfahrens in Eigenverwaltung. Das zuständige Gericht hat Rüdiger Bauch zum vorläufigen Sachwalter bestellt. Der Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht, der unter anderem am Standort in Magdeburg der bundesweit vertretenen Kanzlei tätig ist, wird die Geschäftsführung im Rahmen der Sanierung beaufsichtigen und konstruktiv begleiten und eng mit Nico Kämpfert und dem Team von INNOVATIS. sowie Jens Schumacher und seinem Team bei JS Lasertechnik zusammenarbeiten. Erfolgsfaktor Sanierung

Es ist schon eine besondere Erfolgsgeschichte, wenn ein Insolvenzverwalter rund einen Monat nach dem Insolvenzantrag eine Fortführungslösung schaffen kann, mit der das Unternehmen und die Arbeitsplätze erhalten werden. Genau das ist Tobias Hartwig von Schultze & Braun bei der Neuausrichtung des Braunschweiger Personaldienstleister Jobline Personaldienstleistung GmbH gelungen. Mit Wirkung zum 1. April 2024 hat die Alpha Division Personalvermittlung aus Lippstadt den Geschäftsbetrieb von ihm erworben und wird sie als Jobline GmbH weiterführen. „Es freut mich sehr, dass wir die guten und konstruktiven Gespräche so schnell zu einem Abschluss bringen konnten, und es nun für das Unternehmen und die Mitarbeitenden eine Zukunftsperspektive gibt. Das Beispiel Jobline zeigt die Stärken, die ein Insolvenzverfahren bei der Neuaufstellung eines Unternehmens haben kann“, sagt Tobias Hartwig, der direkt nach dem Insolvenzantrag Ende Februar die Suche nach einem Übernehmer gestartet und dafür das Beratungsunternehmen i-capital beauftragt hatte. „Den passenden Übernehmer haben wir mit der Alpha Division Personalvermittlung mit ihrem Gründer Artur Witenbach gefunden, der zusammen mit Alexander Klassen dort die Geschäfte leitet, und darüber freuen wir uns sehr.“ r Regie Der Geschäftsbetrieb und die Produktion beim 2007 von Jens Schumacher gegründeten Unternehmen läuft ohne Einschränkungen weiter. Alle Aufträge werden wie geplant bearbeitet, produziert und geliefert. Die Kunden erhalten weiterhin die qualitativ hochwertigen Metallerzeugnissen, die sie von JS Lasertechnik kennen. Zu den Leistungen des Unternehmens gehören Laserschneiden, Rohrlasern, CADDienstleistungen, Blechbearbeitung und Oberflächenbearbeitung. Die rund 45 hochqualifizierten Mitarbeitenden sind aber für die Kunden, die hauptsächlich aus der Region stammen, auch in den Bereichen Montagen, Schweißarbeiten sowie Bohr- und Fräsarbeiten tätig. Sanierung gelungen

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25 Jahre Insolvenz- ordnung Die arbeitsrechtliche Privilegierung ist ein zentrales Element

In der Konkursordnung waren Arbeitnehmer eine besondere Gläubiger-Gruppe, für die eigene Regeln galten. Seit dem Inkrafttreten der Insolvenzordnung werden Arbeitnehmer mit den anderen GläubigerGruppen gleichbehandelt. Gleichwohl haben Arbeitnehmer in gewisser Weise einem Insolvenzverfahren weiterhin eine Sonderstellung. Reduzierung von Kündigungsfristen möglich „In der Insolvenzordnung gibt es mehrere Regelungen, die in das Arbeitsrecht eingreifen. Aus arbeitsrechtlicher Sicht sind vor allem die Paragrafen 113 bis 128 von besonderer Bedeutung“, sagt Alexander von Saenger von Schultze & Braun. Der Fachanwalt für Arbeitsrecht ist Spezialist für das Sanierungsarbeitsrecht und hat bereits zahlreiche Restrukturierungen und Insolvenzen begleitet. „Ein zentraler Punkt ist die Tatsache, dass die Insolvenzordnung in § 113 ermöglicht, die Kündigungsfrist von Mitarbeitenden auf maximal drei Monate zu reduzieren.“ Die Insolvenzordnung ermöglicht also, im Rahmen des Insolvenzverfahrens Personalmaßnahmen umzusetzen, die außerhalb der Insolvenz nicht möglich wären – und das auch dann, wenn es im Unternehmen zum Beispiel Tarifverträge gibt, die Bestands1999 trat die Insolvenzordnung in Kraft. Ihr Sanierungsgedanke hat neue Möglichkeiten und Besonderheiten im Sanierungsarbeitsrecht mit sich gebracht, bei denen sich der Fokus jedoch regelmäßig wandelt. T i tel

schutz oder Beschäftigungssicherung geben oder den Standort sichern. „Das klingt zunächst zwar hart und ist es für die Betroffenen natürlich auch, denn niemand verliert gerne seinen Arbeitsplatz – wenn notwendige Kündigungen aber schneller wirksam werden, kann das für den Erhalt des Unternehmens und zumindest eines Teils der Arbeitsplätze aber entscheidend sein“, erläutert von Saenger. Keine Insolvenz ohne Personalabbau? Um mit Personalmaßnahmen eine Sanierung des Unternehmens und möglichst vieler Arbeitsplätze zu erreichen ist die arbeitsrechtliche Privilegierung der Insolvenzordnung ein zentrales Element. „Der Umfang von Personalmaßnahmen in Insolvenzverfahren hat sich meiner Erfahrung nach jedoch gerade in den vergangenen Jahren geändert“, sagt von Saenger. „Wenn ich an meine ersten Berufsjahre Anfang der 2000er Jahre zurückdenke, ging es damals immer um teils sehr große Personalmaßnahmen. Da gab es quasi kein Insolvenzverfahren, in dem wir nicht über einen Personalabbau sprechen mussten. Damals galt durchaus der Grundsatz: Keine Insolvenz ohne Personalabbau.“ Dieser Fokus hat sich laut dem Sanierungsarbeitsrechtsexperten jedoch nach dem Ende der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise 2008/2009 grundlegend geändert. Gründe waren zum einen der wirtschaftliche Aufschwung im Anschluss an die Krise, zum anderen der beginnende Fachkräftemangel, dessen Bedeutung in den letzten Jahren noch einmal zugenommen hat. „Durch diesen Wandel hat sich auch der arbeitsrechtliche Fokus in Insolvenzverfahren geändert und ist nun verstärkt darauf gerichtet, die betroffenen Mitarbeitenden mitzunehmen, sie von den Perspektiven und dem Bleiben im Unternehmen zu überzeugen“, sagt von Saenger. „Für das Gelingen einer Restrukturierung oder Sanierung ist heute mehr denn je neben den Antworten auf rechtliche Fragestellungen auch der richtige Umgang mit den beteiligten Menschen entscheidend.“ Seltenerer Einsatz und erneuter Wandel Die sanierungsarbeitsrechtlichen Regelungen in der Insolvenzordnung kamen in den Jahren nach der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise seltener zum Einsatz. „Bei dem Ziel, Mitarbeitende im Unternehmen zu halten, kommen in einem Insolvenzverfahren aber ebenfalls die insolvenzrechtlichen Bestimmungen zum Tragen“, sagt der Fachanwalt für Arbeitsrecht. „So spielt etwa die Rangfolge der Ansprüche der Arbeitnehmer eine wichtige Rolle, wenn es zum Beispiel um Halteprämien geht.“ Jedoch hat gerade im Laufe der letzten zwölf Monate ein erneuter Wandel eingesetzt, da aufgrund der nach wie vor andauernden wirtschaftlichen Herausforderungen das Thema Personalabbau in der Insolvenz wieder an Bedeutung gewinnt. Denn immer mehr Unternehmen müssen sich schlanker aufstellen, um saniert werden zu können. Dazu nutzen Unternehmen auch Instrumente wie zum Beispiel eine Transfergesellschaft, bei der die Regelungen des Sozialgesetzbuchs gelten, die aber auch außerhalb von Insolvenzverfahren eingesetzt werden kann. Viele Sanierungen – gerade bei größeren Unternehmen – werden inzwischen im Rahmen von Eigenverwaltungen oder Schutzschirmverfahren angegangen. „Die arbeitsrechtlichen Möglichkeiten der Insolvenzordnung können auch in diesen Verfahrensarten genutzt werden“, sagt von Saenger. „Der Vorteil dieser Verfahren ist, dass die Sanierung in enger Zusammenarbeit mit der Geschäftsführung erfolgt, die ja das originäre Sachwissen und die geschäftlichen Kontakte, aber auch – und das ist ein nicht zu unterschätzender Faktor – die Verbindung zur Belegschaft hat.“ Die Sanierung des Unternehmens kann die Geschäftsführung in eigener Regie umsetzen und dabei auf die arbeitsrechtlichen Sondervorschriften der Insolvenzordnung zurückgreifen. 25 Jahre Sanierungsarbeitsrecht: Im Interview auf dem Blog von Schultze & Braun spricht Alexander von Saenger über die Entwicklung des Sanierungsarbeitsrechts, die Bedeutung und die Vorteile des Insolvenzgeldes sowie die Besonderheiten des Betriebsübergangsparagrafen 613 a BGB.

Pensionsverpflic mit Déjà-vu-Poten Thema 1999 kam der erste Teil der Matrix-Saga in die Kinos. In einer bekannten Szene sieht die Hauptfigur Neo zwei Mal kurz hintereinander eine schwarze Katze, die sich schüttelt – ein Déjà-vu, oder wie es im Film auch heißt: Ein Fehler in der Matrix und ein Zeichen dafür, dass etwas – zum Nachteil von Neo und seinen Mitstreitern – geändert wurde. (K)ein Fehler in der Matrix Kein Fehler in der Matrix, aber eine Änderung mit Déjà-vu-Potential deutet sich bei den Leitzinsentscheidungen der US-amerikanischen Zentralbank FED und der Europäischen Zentralbank (EZB) an. „Nachdem die EZB den Leitzins zuletzt fünf Mal in Folge unverändert gelassen hat, ist es gut möglich, dass mit der nächsten Leitzinssitzung im Juni eine Zeit der sinkenden Zinsen anbricht“, sagt Alexander von Saenger, Fachanwalt für Arbeitsrecht bei Schultze & Braun. „Diese Änderung kann für Unternehmen wirtschaftlich von Nachteil sein. Denn durch niedrigere Zinsen steigen die finanziellen Aufwendungen für die Verpflichtungen, mit denen sie die Pensionszusagen für ihre Mitarbeitenden abdecken – eine Entwicklung, die wir bereits aus der Niedrigzinsphase zwischen 2008 und 2022 kennen.“ Mehr Rückstellungen notwendig Die wahrscheinliche(n) Leitzinssenkung(en) der FED und der EZB sind mit Blick auf die Pensionsverpflichtungen von besonderer Bedeutung. Beim sogenannten Rechnungszins, anhand dessen die notwendigen Rückstellungen für die Pensionszusagen berechnet werden, spielt der durchschnittliche Marktzinssatz der vergangenen zehn Geschäftsjahre eine wichtige Rolle. „Der Großteil des Zehnjahres-Zeitraums war geprägt von niedrigen Zinsen, die Leitzinserhöhungen der letzten zwei Jahre fallen dabei nur wenig ins Gewicht, und nun dürfte der kurze Zinsanstieg auch schon wieder vorbei sein“, ordnet von Saenger ein. Hinzu kommt, dass die Finanzmärkte die Zinssenkungen von FED und EZB zum Teil bereits vorweggenommen haben. „Der Rechnungszins sinkt also bereits und wird das auch im Laufe des Jahres weiter tun. Das führt dazu, dass die künftigen Verpflichtungen der Unternehmen – etwa für die betriebliche Altersversorgung ihrer Mitarbeitenden – mit einem niedrigeren Zins in die Gegenwart abgezinst werden und die Unternehmen daher mehr Rückstellungen bilden müssen“, sagt von Saenger. Ein Anstieg von 18 Milliarden Euro Was das konkret in Zahlen bedeutet, zeigt die Studie „Dax-Pensionswerte 2023“ der UnternehmensberaDie Wahrscheinlichkeit steigt, dass die Europäische Zentralbank im Juni den Leitzins senkt. Der ersten Leitzinssenkung seit zwei Jahren könnten weitere folgen – mit Auswirkungen auf die Pensionsverpflichtungen und den Handlungsbedarf von Unternehmen.

chtungen ntial tung Willis Towers Watson: Vor allem aufgrund der gesunkenen Zinsen sind die Pensionsverpflichtungen der 40 im Deutschen Aktienindex notierten Unternehmen um 18 Milliarden Euro gestiegen, auf in Summe 326 Milliarden Euro. „Natürlich stellen die Dax-Unternehmen nur ein Ausschnitt der Unternehmen mit Pensionsverpflichtungen dar, und die Rückstellungssummen sind in der Regel geringer – jedoch können etwa bei kleineren und mittelständischen auch schon wenige zehn- oder hunderttausend Euro mehr für die Pensionsrückstellungen die Liquiditätsplanung vor eine große Herausforderung stellen“, erläutert von Saenger. „Im Fall der Fälle können die Pensionsrückstellungen sogar zu einer bilanziellen Überschuldung des Unternehmens führen. Da die Insolvenzantragspflicht seit Jahresbeginn wieder voll greift, ist die Geschäftsleitung dann verpflichtet, innerhalb der gesetzlichen Fristen einen Insolvenzantrag zu stellen.“ Das Verhältnis von aktiven und ehemaligen Mitarbeitenden Bei Unternehmen, die ihren Mitarbeitenden bereits seit vielen Jahren eine Alters-, Invaliden- oder Hinterbliebenenversorgung anbieten, kommt eine zusätzliche Herausforderung hinzu. „Es kann es sein, dass das Verhältnis zwischen der Zahl der Betriebsrentner und der Zahl der aktiven Mitarbeitenden über die Jahre in Schieflage gerät – etwa, wenn das Unternehmen sein Geschäftsmodell anpassen oder sich aus anderen Gründen verkleinern muss“, sagt von Saenger. Ein prominentes Beispiel ist der Modelleisenbahn-Hersteller Fleischmann. Nach Angaben des Unternehmens waren die verbliebenen 33 Mitarbeitenden 2015 nicht mehr in der Lage, die Pensionsverpflichtungen von mehr als 600 ehemaligen Mitarbeitenden zu erwirtschaften. Die Geschäftsleitung stellte einen Insolvenzantrag. Im Zuge des Verfahrens wurde für die Sanierung des Unternehmens ein Insolvenzplan erstellt und mit den Gläubigern abgestimmt. Ein wichtiger Bestandteil der Sanierung war, dass der Pensions-Sicherungs-Verein (PSVaG) auf einen Großteil seiner Forderungen verzichtet hat, und die Pensionsverpflichtungen für die ehemaligen Mitarbeitenden des Unternehmens übernahm. Die aktuelle Situation prüfen „Unternehmen sollten das Thema Pensionsverpflichtungen daher gerade vor dem Hintergrund der wahrscheinlichen Leitzinssenkungen im Blick haben und diese und das Déjà-vu-Potential zum Anlass nehmen, ihre aktuelle Situation zu prüfen“, sagt von Saenger, der bereits zahlreiche Unternehmen beim Umgang mit ihren Pensionsverpflichtungen beraten und unterstützt hat. „Bei den Pensionsverpflichtungen gilt die Devise: Je früher eine Schieflage erkannt wird, desto größer sind die Chancen, eine Lösung zu finden.

Thema Die Autozulieferer Bosch, Continental und ZF, aber auch Unternehmen aus anderen Branchen wie SAP, Bayer, Tesla oder VW werfen mit ihren angekündigten und zum Teil bereits umgesetzten Maßnahmen ein Schlaglicht auf das Thema Personalabbau. „So hart es für Arbeitnehmer und Unternehmen ist: Es gibt Situationen, in denen die Wettbewerbsfähigkeit nur durch einen Stellenabbau erhalten oder neu geschaffen werden kann“, sagt Joachim Zobel. Der Fachanwalt für Arbeitsrecht leitet die Abteilung Arbeitsrecht von Schultze & Braun. Ist ein Stellenabbau notwendig, stehen für die Unternehmen zwei Ziele im Fokus: • Der Stellenabbau sollte sozialverträglich, rechtssicher und wertschätzend erfolgen, um die negativen Auswirkungen für die Arbeitnehmer so klein wie möglich zu halten. • Der Stellenabbau sollte alle rechtlichen Vorgaben einhalten, um langwierige und kostspielige Verfahren vor den Arbeitsgerichten zu vermeiden und um Ruhe durch Rechtsklarheit und Neuorientierung zu schaffen. „Diese beiden Ziele lassen sich in der Regel mit einer Transfergesellschaft und einer Transferagentur erreichen“, sagt Zobel, zu dessen Fachgebieten der sozialverträgliche Personalabbau, die Unternehmensreorganisation im personellen Bereich, Transfergesellschaften und Outplacement gehören. Vorteile für Arbeitgeber und Arbeitnehmer Eine Transfergesellschaft hat sowohl für die Arbeitgeber als auch für die betroffenen Arbeitnehmer erhebliche Vorteile. „Der Arbeitgeber minimiert mit einer Transfergesellschaft das Prozessrisiko, da durch den Wechsel der Arbeitnehmenden in die Transfergesellschaft Rechtssicherheit geschaffen wird und keine Risiken durch Kündigungsschutzklagen drohen“, ordnet Zobel ein. „Die Arbeitnehmer wiederum können sich durch den Übertritt in die Transfergesellschaft aus einem bestehenden sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis heraus bewerben und erhalten durch gezielte Beratung, Bewerbungsunterstützung, berufliches Coaching, Qualifizierung und aktive Stellenvermittlung professionelle Unterstützung.“ Vorgehen in drei Schritten Arbeitgeber sollten eine Transfergesellschaft am besten in drei Schritten einrichten. Wie Arbeitgeber Stellen sozialverträglich und rechtssicher abbauen, und worauf sie bei einer Transfergesellschaft achten sollten. Wenn kein Weg an der Trennung vorbeiführt

• Planung und Konzeption: Zuerst ist eine Planung und Konzeption für den Stellenabbau auf Grundlage der Unternehmensanalyse und Neukonzeption zu erarbeiten, um die Basis der Ermittlung der Betroffenen zu schaffen. Sodann muss die Frage geklärt werden, ob die Personalmaßnahme nicht durch andere Instrumente, wie konjunkturelle Kurzarbeit, Arbeitszeitflexibilisierung oder -variabilisierung oder Freiwilligenprogramme vermieden werden kann. Diese gesamten Überlegungen müssen mit der Agentur für Arbeit im Vorfeld beraten und ggf. mit dem Betriebsrat verhandelt werden. Die rechtliche Grundlage dafür stellt § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes dar. • Transfermaßnahmen: Als Zweites ist vor dem Wechsel in eine Transfergesellschaft die Entscheidung über die konkreten Transfermaßnahmen für die betroffenen Arbeitnehmer zu treffen. Rechtlich sind diese in § 110 des Sozialgesetzbuchs III geregelt. Die Agentur für Arbeit unterstützt die Transfermaßnahmen unter bestimmten Voraussetzungen finanziell mit bis zu 2.500 Euro. Transfermaßnahmen sind unter anderem eine Outplacement-Beratung, Bewerbungsmaßnahmen, Jobbörsen oder Coaching. Beim Stellenabbau über eine Transfergesellschaft sind diese für den Arbeitgeber zum Teil freiwillig und zum Teil verpflichtend. • Einrichtung: Die Transfergesellschaft nimmt die Arbeitnehmer, die vom Stellenabbau betroffen sind, für eine bestimmte Zeit auf. Die Laufzeit des befristeten Arbeitsvertrages mit den Arbeitnehmern und der Transfergesellschaft beträgt in der Regel zwischen sechs und zwölf Monaten. Die Voraussetzungen für den Vertrag sind in § 111 des Sozialgesetzbuchs III geregelt. Der Arbeitgeber muss die notwendigen Mittel für die Transfergesellschaft zu Beginn der Maßnahme bereitstellen. Entlassungen und Arbeitslosigkeit vermeiden Ziel einer Transfergesellschaft ist es, Entlassungen und Arbeitslosigkeit zu vermeiden. „Um die Akzeptanz für eine Transfergesellschaft zu schaffen, sollten Arbeitgeber betroffenen Arbeitnehmer unbedingt über die Vorteile, aber auch die rechtlichen Folgen einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses und den Wechsel in die Transfergesellschaft informieren“, sagt Zobel. „Ein wichtiges Argument ist insbesondere die höhere Vergütungszahlung in einer Transfergesellschaft gegenüber einer Kündigung.“ Die Arbeitnehmer erhalten in einer Transfergesellschaft neben dem Transferkurzarbeitergeld, das in etwa der Höhe des Arbeitslosengeldes entspricht, üblicherweise eine Aufstockung auf rund 80 Prozent des letzten Nettoentgelts.“ Ein weiterer Vorteil der Transfergesellschaft ist, dass das Transferkurzarbeitergeld nicht auf die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes angerechnet wird. Im Normalfall – also nach dem Ende der Transfergesellschaft – haben die Arbeitnehmer also ungekürzten Anspruch auf Arbeitslosengeld und verbrauchen während dieser Zeit in der Transfergesellschaft ihren Arbeitslosengeldanspruch nicht. Erfolgsgarant Kommunikation Der Schlüssel zur Akzeptanz einer sozialverträglichen Restrukturierung ist die Kommunikation. Professionelle Unterstützung durch erfahrene Partner, größtmögliche Transparenz gegenüber allen Beteiligten und eine zielgruppenorientierte Kommunikation und Information, die mit den beteiligten Gruppen vorab aufgesetzt wird, sind essenzielle Erfolgsfaktoren. Nur wer dies beherzigt und von krisenerfahrenen Partnern gestalten lässt, wird sich schnell wieder dem eigentlichen Geschäftsumfeld widmen können und die Krise hinter sich lassen. 2. Bodensee Rechtstage Tagung am 13. & 14.05.2024 Im Rahmen der Bodensee Rechtstage am 13. & 14. Mai 2024 in Konstanz erfahren Sie mehr zum Thema „Transferagentur“, einer Alternative zur „Transfergesellschaft“.

T e r m i n e Mai 2024 Rechtsfragen in der Sanierung – Inklusive Praxis-Workshop mit aktuellen Fallbeispielen 06.05.2024 – 07.05.2024, online 3x3 Praxis-Workshop Sanierung 07.05.2024, online 2. Bodensee Rechtstage 13.05.2024 – 14.05.2024, Konstanz, Steigenberger Inselhotel Basiswissen Insolvenzrecht 15.05.2024, online

Juni/Juli 2024 Privatinsolvenz und Restschuldbefreiung in der Praxis 03.06.2024, online Erfolgreiche Zwangsversteigerung von Immobilien in der Praxis 04.06.2024, online Insolvenz und Sanierung von Krankenhausbetrieben 06.06.2024, online Insolvenzanfechtung vermeiden und abwehren 06.06.2024, online Teilungsversteigerung 06.06.2024, online Das Grundstück in der Insolvenz 11.06.2024, online Organ- und Beraterhaftung in Krise und Insolvenz 12.06.2024, online Die optimierte Verwaltervergütung 18.06.2024, online High-End: Insolvenz- und Gesellschaftsrecht 26.07.2024, online

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