Krise & Chance Juli 2025

KRISE CHANCE präsentiert von Juli 2025 Neues zu Restrukturierung und Insolvenz ES GEHT EIN RUCK DURCHS STARUG TEIL 6 VON „Erfolgsfaktor Sanierung“ SCHWERPUNKT ZUR VORINSOLVENZLICHEN RESTRUKTURIERUNG

„Some like it hot. I personally prefer classical music.“ Diese legendären Zeilen sagt Tony Curtis, der am 3. Juni 100 Jahre alt geworden wäre, als vermeintlicher Millionär zu Sugar „Kane“ Kowalczyk (Marilyn Monroe) als er erfährt, dass sie singt und Jazz mag. Die Billy Wilder-Komödie „Manche mögen´s heiß“ ist der größte Erfolg von Tony Curtis, der als Schauspieler gleichwohl in den verschiedensten Rollen brillierte. Im Trailer von „Manche mögen´s heiß“ wird übrigens auch Bezug auf „Das verflixte siebte Jahr“ mit Marilyn Monroe genommen. Die Liebeskomödie von Billy Wilder kam vor 70 Jahren in die Kinos und wurde die durch die Szene berühmt, in der der weite weiße Rock von Marilyn Monroe durch die Abluft der U-Bahn aufgewirbelt wird. Mit diesem verflixten siebten Jahr hat das Interview „Das verflixte siebte Jahr“ auf dem Blog von Schultze & Braun allerdings nichts zu tun. Vielmehr geht es um die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), die vor sieben Jahren in Kraft trat und immense Auswirkungen im Zusammenhang mit den steigenden Insolvenzzahlen hat. Denn es besteht zum Beispiel das große Risiko, dass der Datenschutz die sanierende Übertragung von Unternehmen und den Erhalt von Arbeitsplätzen be- und verhindert. Wie es dazu kommt, warum das für Insolvenzverwalter, aber auch für Erwerber in der Tat verflixt ist und welche Maßnahmen zur Datenschutzkonformität weiterhelfen, erläutert Dr. Michael Rozijn von Schultze & Braun im Interview. TICKER „MANCHE MÖGEN´S HEISS!“ UND „DAS VERFLIXTE SIEBTE JAHR“ Foto: Mvkulkarni23/wikipedia

Der sogenannte Sommerpunkt wird auf der Nordhalbkugel der Erde am 20., 21. oder 22. Juni erreicht. Vielerorts wird die damit verbundene Sommersonnenwende gefeiert. Da liegt die Vermutung nahe, dass es – die Sonne steht ja am höchsten am Mittagshimmel – rund um die Sommersonnenwende besonders warm ist. Jedoch liegen die wärmsten Tage des Jahres meist im Juli oder August. Denn nicht nur der Sonnenstand bestimmt, wie warm es wird, sondern auch der Ort. So speichern die Ozeane und auch das Land viel Wärme, die sie über den Winter verloren haben und geben sie erst mit Verzögerung wieder ab. Dass es mitunter ein wenig länger dauert, bis etwas – oder in diesem Fall eher – man mit etwas warm wird, trifft auch auf das StaRUG zu. Wurde dem vorinsolvenzlichen Verfahren nach seinem Inkrafttreten zunächst die Praxistauglichkeit abgesprochen, steht es nun im Spannungsfeld zwischen Restrukturieren und (Klein-)Anlegern und vor einer Evaluierung nach bald fünf Jahren im Praxiseinsatz. Also ein heißes Thema und Grund genug, einen eingehenderen Blick auf das StaRUG und seine Möglichkeiten, aber auch Entwicklung zu werfen, die das vorinsolvenzliche Verfahren durchlaufen hat und weiter durchlaufen wird. Darüber haben wir für diese Ausgabe mit mehreren Praktikern aus Wissenschaft und Praxis gesprochen. Im Titel-Interview spricht Sebastian Mock von der Wirtschaftsuniversität über seine Sicht auf das Restrukturierungsrecht und die besondere Bedeutung des Stakeholdermanagements. Dietmar Haffa von Schultze & Braun erläutert die besonderen Einsatzmöglichkeiten des StaRUG. Frank Schäffler von Grub Brugger erläutert die Vorteile des Verfahrens und erklärt, warum StaRUG definitiv kein Unwort ist. Tobias Tillmann von Atradius spricht über die Bedeutung des StaRUG für Warenkreditversicherer und Lieferanten. Janina Poppe und Bernhard Steffan von RSM Ebner Stolz ordnen die Entwicklung des StaRUG anhand der Verfahrenszahlen ein. Den Abschluss dieser Ausgabe bildet der sechste Teil unserer Serie „Erfolgsfaktor Sanierung“. Dieses Mal geht es um das Naëmi-Wilke-Stift in Guben in der brandenburgischen Niederlausitz. Maßgeblich dafür, dass die Sanierung des Krankenhauses in nicht einmal neun Monaten erreicht werden konnte, ist die zielgerichtete Zusammenarbeit zwischen Eigenverwaltung und Sachwaltung. Ich wünsche Ihnen eine interessante und aufschlussreiche Lektüre, Ihr Tobias Hirte E D I T O R I A L

Am 8. Juni standen sich die deutsche und die französische Herren-Fußballnationalmannschaften im „Kleinen Finale“ der Nations League gegenüber. Am Ende ging das französische Team als Sieger vom Platz. „Wirtschaftlich gesehen spielen Deutschland und Frankreich allerdings weitaus mehr als ein kleines Finale“, sagt Jérémy Reis von Schultze & Braun, der in Frankreich als Steuerberater zugelassen. Das Team von deutsch-französischen Steuerexperten und Rechtsanwälten ist an den Standorten in Achern, Karlsruhe, Saarbrücken, Kehl, Freiburg, Straßburg und Paris der bundesweit und im europäischen Ausland vertretenen Kanzlei tätig. „Frankreich ist der wichtigste Handelspartner Deutschlands in Europa, und durch die Verbindung und ein bilaterales Handelsvolumen von mehr als 190 Milliarden Euro gewinnen beide Seiten. Mehr als 2.600 deutsche Unternehmen tätigen Investitionen in Höhe von 80 Milliarden Euro in unserem Nachbarland. Gleichwohl ist es für deutsche Unternehmen wichtig, die Besonderheiten des französischen Marktes zu kennen und im Blick zu haben“, erläutert Reis. Die gemeinsame Grenze von Deutschland und Frankreich ist fast 450 Kilometer lang. Allerdings gibt es rechtlich und steuerlich gesehen zwischen den beiden Ländern weitaus mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten. Im Interview auf dem Blog von Schultze & Braun erläutert Reis, worauf Unternehmen auf dem französischen Markt achten sollten. WEITAUS MEHR ALS EIN KLEINES FINALE BEFRISTETE ARBEITSVERHÄLTNISSE TICKER

Genau 130 Tage hat Elon Musk als „besonderer Regierungsangestellter“ für Donald Trump gearbeitet. Das ist die Zeitspanne, in der ein US-Präsident „Sonderregierungsangestellte“ beschäftigen darf. Man kann also durchaus sagen, dass das Arbeitsverhältnis von Elon Musk nach den US-amerikanischen Regelungen befristet war. Aber nicht nur in den USA, sondern auch hierzulande sind die (arbeitsrechtlichen) Regelungen für befristete Arbeitsverhältnisse klar festgelegt. Allerdings steckt der Teufel, wie so häufig, auch bei der Befristung von Arbeitsverhältnissen im Detail. Unternehmen sollten daher die rechtlichen Besonderheiten im Blick haben, um Fehler zu vermeiden und Risiken für sich als Arbeitgeber, aber auch für ihre befristeten und unbefristeten Arbeitnehmer, zu minimieren. Worauf Arbeitgeber bei befristeten Arbeitsverhältnissen achten sollten, erläutert Franz Orth von Schultze & Braun im Interview auf dem Blog der Kanzlei. Der Fachanwalt für Arbeitsrecht hat bereits zahlreiche Unternehmen in diesem Zusammenhang beraten. Mitte Juni wurde das 40. Jubiläum des Schengener Abkommens gefeiert. Am 14. Juni 1985 hatten es Vertreter Deutschlands, Frankreichs und der BeneluxStaaten unterzeichnet. Später schlossen sich fast alle EU-Länder und weitere Staaten wie die Schweiz und Norwegen an. Heute leben rund 400 Millionen Menschen im sogenannten Schengenraum, in dem eine Reisefreiheit gilt. Restrukturierungen und Sanierungen von Konzernen finden zumeist auch über Ländergrenzen hinweg statt. Johannes Heck und Christoph von Wilcken von Schultze & Braun erläutern im Interview auf dem Blog der bundesweit und im europäischen Ausland vertretenen Kanzlei, welche Regelungen in grenzüberschreitenden Konzerninsolvenzen auf nationaler und internationaler Ebene greifen und was sie für die Beteiligten bedeuten. Seit bald drei Jahren kann ein deutsches StaRUG-Verfahren EU-weit anerkannt werden. Ein Vorteil dabei ist, dass insbesondere eine in Deutschland erreichte Gestaltung von Gläubigerrechten mittels eines Restrukturierungsplans über die Europäische Insolvenzverordnung (EuInsVO) auch gegen planbetroffene Gläubiger in anderen EU-Mitgliedsstaaten durchgesetzt werden kann. Die damit verbundene grenzüberschreitende Rechtssicherheit ist für deutsche Unternehmen in der präventiven Restrukturierung von genauso großer Bedeutung wie bei den Regelinsolvenz- und Eigenverwaltungsverfahren, für die die EuInsVO bereits seit dem 31. Mai 2002 in der EU die verfahrensrechtliche Grundlage bildet. Denn die deutsche Wirtschaft ist traditionell stark exportorientiert. Viele deutsche Unternehmen unterhalten Lieferbeziehungen oder haben Niederlassungen und Vermögen in einem oder mehreren der insgesamt 27 EU-Mitgliedsstaaten. Dr. Johannes Heck, der im internationalen Bereich an den Standorten von Schultze & Braun in Italien tätig ist, erläutert in seinem Beitrag auf dem Blog der Kanzlei, warum die EU-weite Anerkennung von StaRUG-Restrukturierungen via EuInsVO und die daraus resultierende Rechtssicherheit für deutsche Unternehmen von Vorteil sind und welche Besonderheiten sie beachten sollten. SANIERUNG OHNE GRENZEN

ES GEHT EIN RUCK DURCHS STARUG T I TEL

Wohl kaum ein Restrukturierungsverfahren polarisiert so stark wie das StaRUG. Wurde dem vorinsolvenzlichen Verfahren nach seinem Inkrafttreten zunächst die Praxistauglichkeit abgesprochen, steht es nun im Spannungsfeld zwischen Restrukturieren und (Klein-)Anlegern und vor einer Evaluierung. Grund genug, mit Prof. Dr. Sebastian Mock von der Wirtschaftsuniversität Wien einen Blick auf das StaRUG zu werfen. Im Interview spricht er über seine Sicht auf das Restrukturierungsrecht und die besondere Bedeutung des Stakeholdermanagements. Herr Mock, das StaRUG ist nun bald fünf Jahren im Praxiseinsatz. Wie bewerten sie es? Mock: Typischerweise sagt man ja: Neue Besen kehren gut. Das kann man aber beim StaRUG tatsächlich nicht sagen, haben doch die ersten aussagekräftigen Verfahren ziemlich lange auf sich warten lassen. Jedoch müssen wir uns auch vergegenwärtigen, dass das StaRUG zum Jahreswechsel 2020/2021 in Kraft getreten ist – also zu Hochzeiten der COVID-19-­ Pandemie, in der es durch staatliche Hilfen auch wenig Insolvenzen gegeben hat. Inzwischen ist aber nicht nur in die Zahl der Insolvenzen, sondern auch das StaRUG eine ganze Menge Bewegung gekommen und die Zahl der Verfahren nimmt in beiden Fällen zu. Oder anders formuliert: Es geht ein Ruck durchs StaRUG. Denn wie jedes neue Verfahren muss sich auch beim StaRUG erstmal eine ganze Menge zurechtruckeln. So zeigt sich meines Erachtens inzwischen eine gewisse Evolution bei den Verfahren und beim Umgang mit den Problemen. Legt man etwa das LEONI-AG- und das BayWa-AG-Verfahren nebeneinander, kann jedenfalls ich eine Weiterentwicklung sehen, auch wenn es natürlich immer schwer ist, individuelle Fälle und Verfahren miteinander zu vergleichen. Lange Rede kurzer Sinn: das StaRUG oder besser gesagt dessen Praxis werden besser und das StaRUG stellt eine wertvolle Ergänzung für den sanierungsrechtlichen Werkzeugkasten dar. Es zeigt sich, dass das Stakeholdermanagement im neuen Restrukturierungsrecht eine besondere Rolle spielt. Wie sieht diese aus? Mock: Das StaRUG ist als vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren ausgestaltet. Daher ist es zum einen weitgehend gerichtsfern und zum anderen erlaubt es praktisch keine operative oder strategische Sanierung, weil dafür im StaRUG die Instrumente fehlen. Daher muss man in einem StaRUG-Verfahren deutlich stärker etwa auf die Vertragspartner und Arbeitnehmer zugehen und diese für das Sanierungsverfahren an Bord holen. Daher stellt das Stakeholdermanagement neben den zahlreichen rechtlichen Herausforderungen T I TEL

bei der Durchführung eines StaRUG-Verfahrens aus meiner Sicht einen maßgeblichen Erfolgsfaktor dar. Wie sollte das Stakeholdermanagement aus Ihrer Sicht ausgestaltet sein? Mock: Das Zugehen auf die Stakeholder darf natürlich nicht so verstanden werden, dass man schlicht das Insolvenzverfahren als Schreckensalternativszenario darstellt und die Stakeholder auffordert, dem durch eine umfassende Kooperation im StaRUG-Verfahren Rechnung zu tragen. Eine solche Brechstangen-Strategie wird nur in wenigen Fällen erfolgreich sein und sollte daher vermieden werden. Ich denke, dass sich an diesen Anforderungen an Stakeholdermanagement so schnell auch nichts ändern wird, da in der anstehenden Evaluation und möglichen Reform des StaRUG beziehungsweise der Restrukturierungsrichtlinie weitergehende rechtliche Eingriffsmöglichkeiten in die Rechtspositionen der Stakeholder wohl nicht zu erwarten sind. Was schließlich die Gesellschafter oder Anteilseigner als Stakeholder angeht, dürften beim Stakeholdermanagement noch einiges Potential zu heben sein. Wenn man das StaRUG als reines Übernahmetool oder Mittel zur Lösung von Gesellschafterstreitigkeiten einsetzt, verbaut man sich meines Erachtens oft viel Potential, lassen sich über Gesellschafter doch auch Sanierungsbeiträge generieren, wie das bereits erwähnte BayWa-AG-Verfahren eindrucksvoll zeigt. Welche Stakeholdergruppen sind vom StaRUG besonders betroffen? Mock: Das sind neben den „klassischen“ Gläubigern vor allem die Anteilseigner, die Vertragspartner und die Arbeitnehmer. Wichtig ist, dass jede dieser Gruppen anders vom StaRUG betroffen ist. Das zeigt einerseits die große Bandbreite der Restrukturierungsmöglichkeiten, schafft andererseits aber auch jeweils individuelle Herausforderungen, da mit jeder Stakeholdergruppe anders umgegangen werden muss. In welcher Form sind die „klassischen“ Gläubiger vom StaRUG betroffen? Welche Herausforderungen gibt es beim Umgang mit dieser Stakeholdergruppe? Mock: Für die „klassischen“ Gläubiger scheint das StaRUG auf den ersten Blick ein aussichtsreiches Verfahren darzustellen, lässt sich doch dadurch ein größerer Verlust in einem Insolvenzverfahren oder einer Liquidation der Gesellschaft vermeiden. Hinzu kommt, dass die Gläubiger scheinbar die Herrschaft im StaRUG-Verfahren haben. Ein genauerer Blick relativiert dies natürlich: So existiert der scheinbar größere Verlust in einer Insolvenz oder Liquidation zunächst nur auf dem Papier, das so geduldig ist, wie es die Vergleichsrechnung eben zulässt. Zum anderen ist die Verfahrensherrschaft

natürlich reine Theorie, da die Gläubiger in ihrer Gesamtheit ja keine homogene Gruppe sind, die ihre Interessen gleichgerichtet wahrnimmt. Die Verfahrensherrschaft kommt denjenigen zu, die das StaRUG-Verfahren tatsächlich steuern. Dabei muss man natürlich ehrlich sein und anerkennen, dass viele Gläubiger zu passiv oder zu uninteressiert sind, so dass denjenigen, die die Verfahrensherrschaft haben, diese oft zu leicht zufällt. Die zentrale Herausforderung ist natürlich, die Gläubiger möglichst früh abzuholen und in das Verfahren aktiv einzubinden. Ein überraschter oder gar überrumpelter Gläubiger hat Störpotential, das man vor dem Verfahren oft nicht hinreichend genug abschätzen kann, zumal man nie weiß, ob dieser Frust über die Art und Weise des Verfahrens nicht ansteckend ist und sich auf andere Gläubiger überträgt. In welcher Form sind die Anteilseigner vom StaRUG betroffen? Welche Herausforderungen gibt es beim Umgang mit dieser Stakeholdergruppe? Mock: Für die Anteilseigner bedeutet das StaRUGVerfahren bisher meist nichts Gutes. Oft kommen StaRUG-Verfahren überraschend und werden von der Maxime dominiert, dass jetzt alles ganz schnell gehen müsse und dass für reguläre Kapitalmaßnahmen unter Beteiligung aller zahlungswilligen Gesellschafter nun keine Zeit mehr sei. Schaut man sich einige Verfahren genauer an, erkennt man, dass neben der finanziellen Sanierung vor allem der Übernahmegedanke im Mittelpunkt steht und ein einzelner Gesellschafter, mitunter sogar als Minderheits-Gesellschafter, die Gelegenheit nutzt, sich die Gesellschaft ganz einzuverleiben. Dahingehend gibt es aber auch Licht am Ende des Tunnels, wie etwa das BayWa-AG-Verfahren zeigt. Ein StaRUG-Verfahren muss für die Anteilseigner also nicht zwangsläufig ein desaströses Finale sein, sondern kann auch genutzt werden, dass bei den Anteilseignern oft – wenn auch nicht immer – vorhandene finanzielle Sanierungspotential abzurufen. Dies wird sich unmittelbar auf die Vergleichsrechnungen auswirken, die eine zentrale Rolle im StaRUG spielen. Wenn dort in keiner Weise auf eine mögliche Finanzierung oder Nach-Finanzierung durch die Gesellschafter eingegangen wird, dürfte eine solche Vergleichsrechnung einer Prüfung sicher nicht standhalten. In welcher Form sind die Vertragspartner vom StaRUG betroffen? Welche Herausforderungen gibt es beim Umgang mit dieser Stakeholdergruppe? Mock: Vertragspartner scheinen auf den ersten Blick T I TEL

in einer recht guten Position zu sein, lässt das StaRUG Vertragsverhältnisse doch unberührt. Dies ist aber natürlich trügerisch, da Vertragspartner auch zugleich Gläubiger sein können. Hinzu kommt, dass ein längerfristiger Vertrag oder ein Dauerschuldverhältnis keinen wirtschaftlichen Wert haben, wenn der Vertragspartner nicht leistungsfähig ist und seine vertraglichen Verpflichtungen nicht erfüllen kann. Umgekehrt kann einem Vertragspartner in einem StaRUG-Verfahren natürlich eine Hold-out-Position zukommen, die die Durchführung der Sanierung erheblich erschwert. Daher müssen wichtige oder für das Unternehmen unverzichtbare Vertragspartner frühzeitig eingebunden und ihnen das StaRUG-Verfahren sozusagen schmackhaft gemacht werden. Auch in diesem Kontext dürfte die Drohung eines ansonsten anstehenden Insolvenzverfahrens meist wenig erfolgreich sein. Bei den Vertragspartnern sollte das Florett und nicht das Breitschwert eingesetzt werden. In welcher Form sind die Arbeitnehmer vom StaRUG betroffen? Welche Herausforderungen gibt es beim Umgang mit dieser Stakeholdergruppe? Mock: Auch für die Arbeitnehmer ist das StaRUG auf den ersten Blick scheinbar nicht relevant, sieht das Gesetz doch keinerlei sonderarbeitsrechtliche Regelungen vor. Selbst § 92 StaRUG als einzige arbeitsrechtliche Regelung im StaRUG beschränkt sich darauf, die Beteiligungsrechte nach dem Betriebsverfassungsgesetz unberührt zu lassen. Die tatsächliche Bedeutung des StaRUG ist für die Arbeitnehmer jedoch ungleich größer, entscheidet dieses doch maßgeblich über ihren Arbeitsplatz und ihre Erwerbsbiografie. Umgekehrt muss man daher auch die Arbeitnehmer frühzeitig abholen und einbinden. Denn auch wenn ein StaRUG-Verfahren für die Arbeitnehmer nicht relevant ist, kann ein solches Verfahren ein Gefühl der Unsicherheit erzeugen. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels kann es dann auch in einem StaRUG-Verfahren schnell zu einer Arbeitnehmerflucht kommen, was die Sanierung ebenfalls erheblich gefährden kann. Der Interviewpartner: Universitäts-Professor Dr. Sebastian Mock, LL.M.(NYU) ist Professor für Zivil- und Unternehmensrecht am Institut für Zivil- und Zivilverfahrensrecht der Wirtschaftsuniversität Wien

RARES FÜR BARES Prominente und aufmerksamkeitsstarke StaRUG-Fälle wie etwa Leoni, Varta, BayWa oder Mynaric werfen inzwischen regelmäßig Schlaglichter auf die vorinsolvenzliche Restrukturierung. Dr. Dietmar Haffa von Schultze & Braun war bereits in mehreren StaRUG-Fällen tätig. Herr Haffa, wie bewerten Sie die Entwicklung des StaRUG seit seinem Inkrafttreten? Haffa: Man kann sicherlich sagen, dass das StaRUG nach seinem Inkrafttreten zum Jahreswechsel 2020/ 2021 nur schwer aus den Startblöcken gekommen ist. In den Jahren 2021 und 2022 gab es nach Angaben der 24 Restrukturierungsgerichte nur rund 50 StaRUGFälle. Aber allein im Jahr 2023 hat es bereits doppelt so viele Fälle wie 2022 gegeben. Aber auch wenn es inzwischen mehr StaRUG-Fälle gibt, steht das „R“ in StaRUG aber nach wie vor für „Rarität“ – zumindest, was die reine Zahl der Fälle im Vergleich zu den Regelinsolvenzen, aber auch den ESUG-Verfahren angeht. Angesichts des großen Restrukturierungspotentials des vorinsolvenzlichen Verfahrens und des vor allem vom reinen Volumen der finanziellen Restrukturierung sehr große StaRUG-Fälle kann man aber in Anlehnung an die bekannte von Horst Lichter moderierte TV-Show beim StaRUG gleichwohl von „Rares für Bares“ sprechen. Die Initialzündung beim StaRUG war der Fall Leoni. Bis dahin wurde dem StaRUG ja sogar oft die Praxistauglichkeit abgesprochen. Was hat sich mit Leoni geändert? Haffa: Spätestens mit Leoni ist klar, welche Möglichkeiten die vorinsolvenzliche Restrukturierung bietet – und das nicht nur auf nationaler Ebene. Seit Mitte Juli 2022 ist das StaRUG ja auch EU-weit anwendbar. Leoni hat als prominentes Anwendungsbeispiel gezeigt, was das Verfahren im Vorfeld und außerhalb einer Insolvenz gerade bei der finanziellen Restrukturierung an Vorteilen bietet. THEMA

Welche sind das? Haffa: Vor allem, dass opportunistische Gläubiger oder sogar ganze Gläubigergruppen mit dem StaRUG mehrheitsbasiert überstimmt werden können. Das ist zum Beispiel von Vorteil, wenn einzelne Gläubiger mit ihrer Weigerung eine von den anderen Beteiligten angestrebte Restrukturierung be- oder sogar verhindern könnten. Bei Leoni ist die erforderliche Mehrheit dafür gesichert worden, da sämtliche Konsortialdarlehensgeber und wesentliche Schuldscheindarlehensgläubiger zugestimmt haben. Kann die Überstimmungs-Möglichkeit des StaRUG auch bei der Restrukturierung von Anleihen von Vorteil sein? Haffa: Ja, mit dem StaRUG können Anleihen auch dann restrukturiert werden, wenn dies in den Bedingungen nicht ausdrücklich vorgesehen ist. Das ist ein klarer Vorteil im Vergleich zum Schuldverschreibungsgesetz, kurz SchVG. Mehrheitsentscheidungen sind zwar auch damit grundsätzlich möglich – allerdings nur, wenn dies in den Anleihebedingungen so vorgesehen ist. Ist das StaRUG bei der Restrukturierung von Anleihen also besser als das SchVG? Haffa: Das lässt sich pauschal nicht sagen, das StaRUG hat aber sicherlich einige Vorteile. So lassen sich damit nahezu alle im SchVG vorgesehenen Maßnahmen umsetzen. Ein Emittent in einer Krise sollte aber trotzdem immer individuell prüfen und entscheiden, welche Restrukturierungsvariante er wählt. Es muss auch kein entweder oder sein, denn es ist sogar möglich, bei einer Restrukturierung das StaRUG und das SchVG einzusetzen. Ist eine Anleihe breit gestreut, wird allerdings das StaRUG das Restrukturierungsverfahren der ersten Wahl sein. Wieso? Haffa: In solchen Fällen ist es oftmals schwierig, überhaupt genügend Anleihegläubiger an der Abstimmung beteiligen zu können. Nach dem SchVG muss mindestens die Hälfte der Gläubiger an der Abstimmung beteiligt sein. Beim StaRUG werden alle Anleihegläubiger als Basis herangezogen – auch wenn sie nicht an der Abstimmung teilnehmen. In beiden Fällen müssen grundsätzlich 75 % zustimmen. Beim StaRUG können jedoch nicht nur die ablehnenden 25 % der Gläubiger, sondern ganze Gläubigergruppen überstimmt werden. Was sind die Voraussetzungen, um ganze Gläubigergruppen mehrheitlich zu überstimmen? Haffa: Ein solcher sogenannter Cross-Class-Cramdown ist immer an bestimmte Bedingungen geknüpft. So dürfen die betroffenen Gläubiger etwa durch den Restrukturierungsplan nicht schlechter gestellt werden als sie ohne den Plan stünden. Ein Vorteil des StaRUG: Im Restrukturierungsplan kann der Emittent alle seine Anleihen einbeziehen, er kann die Restrukturierung im Plan aber auch auf ausgewählte Anleihen beschränken. Beim SchVG muss das Verfahren für jede Anleihe einzeln durchlaufen werden. Kommen wir zurück zu Leoni. Was zeigt dieser Fall mit Blick auf das StaRUG noch? Haffa: Dass das StaRUG es ermöglicht, ein Unternehmen schnell wieder auf eine gesunde finanzielle Basis zu stellen. Bei Leoni war die Restrukturierung bereits im Sommer 2023 abgeschlossen. Rechnet man die Vorbereitungszeit nach dem Einstieg des Restrukturierungsgeschäftsführers Anfang Januar 2023 hinzu, kommt man auf eine Verfahrensdauer von rund 200 Tagen. Das deckt sich angesichts der Größe von Leoni mit den Erfahrungen der Dauer eines StaRUG-Verfahrens bei den Fällen, bei denen ich im Einsatz war. Der Interviewpartner: Dr. Dietmar Haffa ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht und Diplom-Betriebswirt bei der bundesweit vertretenen Kanzlei Schultze & Braun. Er ist Experte für Sanierungs- und Insolvenzberatung und hat bereits zahlreiche Unternehmen bei ihren Sanierungen als Insolvenzverwalter oder Sachwalter begleitet. Zudem ist er in mehreren StaRUG-Restrukturierungen als Restrukturierungsbeauftragter tätig.

Seitdem das StaRUG sein Schattendasein hinter sich gelassen hat, stand und steht es regelmäßig im Zusammenhang mit öffentlichkeitswirksamen und polarisierenden Restrukturierungen im Schlaglicht. Dr. Frank Schäffler, Rechtsanwalt bei Grub Brugger, der Unternehmen wie die Endor AG oder die Varta AG bei ihren StaRUG-Restrukturierungen beraten hat, erläutert, welche Vorteile das Verfahren hat und warum StaRUG definitiv kein Unwort ist. Herr Schäffler, Anfang Januar hat die Börse Düsseldorf „StaRUG“ zum „Börsen-Unwort des Jahres“ erklärt. Zu Recht? Schäffler: Definitiv zu Unrecht. Aktionärsvertreter kritisieren das StaRUG zwar als aktionärsfeindlich, aber wenn man das Gesetz und seine Auswirkungen genauer betrachtet, ist die Kritik aus meiner Sicht nicht nachvollziehbar. Ganz im Gegenteil: Das StaRUG ist ein Gewinn für den Standort Deutschland, denn es ermöglicht präventive Restrukturierungen und hat dadurch große Vorteile für Unternehmen und ihre Geschäftspartner, Mitarbeiter und Finanzierer. In welchen Fällen wird das StaRUG genutzt? Schäffler: Es sind hauptsächlich fünf Konstellationen, in denen das StaRUG in der Praxis angewandt wird: Zunächst klassische Fälle, in denen Uneinigkeit im Finanziererkreis besteht und sogenannte Akkordstörer versuchen, für sich Sondervorteile zu erreichen. Weiter Konstellationen, in denen Gesellschafter mit wertlosen Anteilen Lösungen zum Wohle des Unternehmens blockieren. Außerdem zu nennen sind Single-AssetStrukturen in der Krise oder Sanierungen im Konzern, bei denen das StaRUG zur Restrukturierung von Haftungsbrücken genutzt wird. Schließlich kann das StaRUG auch dann helfen, wenn ein operativ gesundes Unternehmen durch Verbindlichkeiten aus Sondersachverhalten bedroht wird, zum Beispiel aus einer Produkthaftung. Das StaRUG ermöglicht in geeigneten Fällen – nämlich, wenn der Werkzeugkasten der Insolvenzordnung nicht benötigt wird – eine maßgeschneiderte, präventive Restrukturierung. Schäden für den Geschäftsbetrieb des Unternehmens, für seine Mitarbeiter, Lieferanten, Kunden und übrigen Vertragspartner, die sonst bei einer Insolvenz auftreten können, werden damit vermieden – aber auch die Finanzierer erzielen in einer StaRUG-Restrukturierung regelmäßig bessere Ergebnisse als in einem Insolvenzverfahren. Kann bereits die Erstellung eines StaRUG-Konzeptes nützlich sein? Schäffler: In vielen Fällen wirkt das StaRUG wie ein Verhandlungsinstrument. Tatsächlich führt bereits die Aussicht auf ein vorbereitetes Restrukturierungsverfahren häufig zu Bewegung in den Verhandlungen – etwa, wenn es darum geht, Minderheitsgesellschafter von einer Beteiligung an der Sanierung zu überzeugen. In der Praxis kommen solche ‚Verhandlungs-Fälle’ recht häufig vor; aufgrund des grundsätzlich vertraulichen Charakters des StaRUG werden sie aber nur selten publik und können deshalb statistisch POLARISIERENDES Der Interviewpartner: Dr. Frank Schäffler ist Partner bei der Kanzlei Grub Brugger. Er hat zahlreiche Unternehmen bei der Restrukturierung nach StaRUG beraten, zuletzt etwa die Endor AG oder die Varta AG. THEMA

kaum erfasst werden. Außerdem kann ein geeignetes StaRUG-Konzept helfen, eine Insolvenzantragspflicht wegen Überschuldung zu vermeiden und hierdurch Zeit für weitere Verhandlungen zu gewinnen. Dieser Punkt ist in der Praxis sehr wichtig und kommt in der Diskussion meines Erachtens leider etwas zu kurz. Ist der Einsatz des StaRUG erst ab einer gewissen Unternehmensgröße sinnvoll? Schäffler: Das Unternehmen muss natürlich eine gewisse Substanz haben, aber das StaRUG hat sich auch als Restrukturierungsinstrument für kleinere und mittelgroße Unternehmen bewährt. Ein Beispiel ist die Sanierung eines Medizintechnik-Unternehmens aus Nordbaden: Nach der COVID19-Pandemie und einer gescheiterten Expansionsstrategie geriet es in eine existenzbedrohende Krise. Neben operativen Sanierungsmaßnahmen sah das Sanierungsgutachten nach Standard IDW S 6 vor, die Verschuldung durch ein Restrukturierungsverfahren zu reduzieren. In enger Abstimmung mit der Mehrheit der Finanzierer konnte auch dieses Unternehmen schnell und effizient durch ein StaRUG-Verfahren saniert werden. Anders wäre es nicht möglich gewesen? Schäffler: Nein, eine außergerichtliche Sanierung ohne StaRUG wäre aufgrund unterschiedlicher Ansichten im Gesellschafter- und Finanziererkreis und des komplexen Entscheidungsprozesses einer öffentlichen Förderbank jedenfalls in der notwendigen Kürze der Zeit nicht möglich gewesen. Der Werkzeugkasten der Insolvenzordnung war hier nicht erforderlich, ein Insolvenzverfahren von den Gläubigern außerdem nicht gewünscht. Durch die geringe Komplexität des Falles und die mittlerweile vorhandene Standardisierung in StaRUG-Restrukturierungen blieben auch die Kosten des Verfahrens in einem vertretbaren Rahmen und waren auch hier deutlich geringer als in einer Insolvenz. Kommen wir zum Unwort-Aspekt zurück. Ist das StaRUG aktionärsfeindlich? Schäffler: Nein. Denn ein entschädigungsloser Eingriff in Aktionärsrechte ist nur möglich, wenn die Insolvenz unvermeidlich ist und die Aktionäre auch in der Insolvenz ihre Anteile ohne Entschädigung verlieren würden. Konsequenterweise müsste ja dann auch das Wort ‚Insolvenzverfahren’ zum Unwort gekürt werden. Klar ist: Wenn Fremdkapitalgeber Sanierungsbeiträge in Form von Verzichten leisten, können Gesellschafter keine Entschädigung für ihre Anteile verlangen. Die Befriedigungsreihenfolge ‚Fremdkapital vor Eigenkapital’ ist nicht nur gesetzlich vorgesehen, sondern ein Grundprinzip der Unternehmenssanierung! Warum soll es Aktionären mit wertlosen Anteilen möglich sein, eine Restrukturierung ohne Insolvenz zu verhindern, wenn ein StaRUG im Interesse von Mitarbeitern, Lieferanten, Kunden und Finanzierungspartnern ist? Das zeigt, dass die medial geäußerte Kritik häufig kaum Substanz hat. Wenn Aktionäre ihre Anteile verlieren, dann ist das bitter. Schuld ist aber nicht das StaRUG, sondern die wirtschaftliche Fehlentwicklung des Unternehmens und das gehört leider zum Risiko der Aktionäre. Umgekehrt bieten bei einem erfolgreichen Geschäftsverlauf unter anderem Gewinnausschüttungen Chancen für die Aktionäre. Auch im Fall Varta profitierten Aktionäre vor Einleitung des StaRUG-Verfahrens von hohen Dividenden – dies bleibt bei der medial geäußerten Kritik aber regelmäßig unerwähnt. S ERFOLGSMODELL

Bei den Insolvenzzahlen, aber auch bei der Anzahl der StaRUG-Verfahren gibt es derzeit nur eine Richtung: nach oben. Tobias Tillmann, Manger Special Risk Management (SRM) und Leiter des Bereichs Special Recovery beim internationalen Kreditversicherer Atradius vertritt regelmäßig Lieferanteninteressen in Restrukturierungs- und Insolvenzverfahren. Im Interview spricht er über die Bedeutung des StaRUG für Warenkreditversicherer und Lieferanten und erläutert, warum auf eine finanzielle immer auch eine operative Restrukturierung folgen sollte. Herr Tillmann, Sie sind spezialisiert auf Risikomanagement in Krisensituationen. Spätestens seit dem LeoniVerfahren ist das StaRUG als vorinsolvenzliches Restrukturierungsverfahren etabliert. Wie bewerten Sie seine Bedeutung aus Sicht der Warenkreditversicherer? Tillmann: Als Warenkreditversicherer bewerten wir das StaRUG grundsätzlich positiv. Es ermöglicht Unternehmen, sich frühzeitig – also vor einer Insolvenz – zu sanieren. Zudem liegt der Fokus beim StaRUG klar auf der Fortführung des Unternehmens. Da sich die Möglichkeiten und Instrumente in der Praxis auf die Passivseite, insbesondere die Finanzverbindlichkeiten eines Unternehmens konzentrieren, sind Lieferantenforderungen in den StaRUG-Verfahren laut unserer Kenntnis bislang nicht betroffen. Welche Rolle spielen Warenkreditversicherer in StaRUG Verfahren? Tillmann: Für die Lieferanten, die sich bei uns versichern, begleiten wir die Verfahren in der Regel konstruktiv und unterstützen die Restrukturierungsbemühungen. Denn es ist ja so: Mit einem Kunden, der wieder auf einer finanziell gesunden Basis steht, können Lieferanten perspektivisch stabilere Geschäfte machen, was wiederum auch positiv für uns als Warenkreditversicherer ist. Unsere Entscheidungen sind immer verfahrensspezifisch. Wir bewerten das gesamte Konzept jedes einzelnen StaRUG-Verfahrens und prüfen dann, ob wir unser Kreditengagement anpassen müssen oder die Restrukturierung begleiten. PRAKTISCHE VORTEILE, THEORETISCHE RISIKEN Verschlechterung der Zahlungsmoral Laut dem aktuellen Zahlungsbarometer des Warenkreditversicherers Atradius sehen sich deutsche Unternehmen zunehmend mit verspäteten Zahlungen, steigenden Forderungsausfällen und rückläufiger Liquidität konfrontiert. 60 Prozent der befragten Unternehmen berichten von einer Verschlechterung des Zahlungsverhaltens ihrer Kunden. Durchschnittlich 57 Prozent aller B2B-Verkäufe sind demnach von überfälligen Rechnungen betroffen. Zudem ist der Anteil uneinbringlicher Forderungen mit durchschnittlich acht Prozent weiterhin hoch, insbesondere im Maschinenbau, wo Liquiditätsengpässe durch zunehmende Forderungsausfälle massiv verschärft werden. THEMA

Welche Vorteile hat das StaRUG aus Ihrer Sicht? Tillmann: Das StaRUG wirkt in vielen Fällen wie ein Verhandlungsinstrument. Tatsächlich führt bereits die Aussicht auf ein vorbereitetes Restrukturierungsverfahren häufig zu Bewegung in den Gesprächen mit den Beteiligten. Aber vor allem ist das Mehrheitsprinzip des StaRUG von 75 Prozent je Gläubigergruppe ein effektives Mittel, um Blockierer zu überstimmen. In typischen StaRUG-Fällen ist das Alternativszenario die Insolvenz. Regelmäßig werden daher in solchen Verfahren das Unternehmen, die Fremdkapitalgeber sowie weitere Vertragspartner wie Lieferanten gegenüber einer Insolvenz deutlich bessergestellt. Was sind die Risiken? Tillmann: Ich habe selbst schon in StaRUG-Verfahren erlebt, dass die reine Planung einer vorinsolvenzlichen Restrukturierung als Drohkulisse eingesetzt wurde, um Gläubiger zu Zugeständnissen zu bewegen. Hinzu kommt, dass der Restrukturierungsplan – anders als der Insolvenzplan in einem Insolvenzverfahren – nicht zwingend sämtliche Gläubiger einbezieht. Der Schuldner kann vielmehr eine Auswahl treffen und nur bestimmte Gläubigergruppen in den Restrukturierungsplan aufnehmen. Das kann dazu führen, dass einzelne Gläubiger – auch Lieferanten – gegen ihren Willen in einen Restrukturierungsplan eingebunden werden. Denn die Minderheit wird im Fall der Fälle überstimmt und ist bei gerichtlicher Bestätigung des Restrukturierungsplans trotz Ablehnung an ihn gebunden. Welche Risiken ergeben sich daraus für Lieferanten? Tillmann: Ein Restrukturierungsverfahren kann die Rechtsstellung des Lieferanten erheblich beeinflussen. Entweder durch eine Stabilisierungsanordnung in Form einer Verwertungssperre oder durch seine Einbeziehung in den Restrukturierungsplan. Denn für Lieferanten ist die Möglichkeit, in solchen Fällen die Belieferung einzustellen, durch das StaRUG erheblich erschwert. Nach § 55 Absatz 1 StaRUG können Lieferanten verpflichtet werden, trotz Zahlungsverzugs weiter zu liefern und Kündigungen wegen drohender Zahlungsunfähigkeit sind eingeschränkt. Ist der Gläubiger vorleistungspflichtig hat er allerdings nach § 55 Absatz 3 StaRUG das Recht, für seine Vorleistung eine Sicherheitsleistung vom Schuldner zu verlangen. Zudem können Forderungsausfälle, Stundungen und Zinsverzichte auch gegen den Willen des oder der Lieferanten in den Restrukturierungsplan einbezogen werden. Allerdings ist das aktuell noch kein praxisrelevantes Thema, sondern eher ein theoretisches. Denn bislang ist uns noch kein StaRUG-Fall bekannt, bei dem Lieferanten negativ betroffen waren. Insolvenzanstieg: Engmaschiges Risiko-Monitoring notwendig Die Insolvenzzahlen steigen in Deutschland weiter an. Während sie zwar noch unter dem Niveau der Finanzkrise von 2009 liegen, wurde das Vor-Corona-Niveau im vergangenen Jahr mit etwa 22.000 Insolvenzen bereits deutlich überschritten. Auffällig ist insbesondere der Anstieg bei Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 20 Millionen Euro. 2025 ist mit einem weiteren Anstieg zu rechnen. Aber nicht nur die Insolvenzzahlen steigen in Deutschland weiter an, alarmierend ist nach Berechnungen des Warenkreditversicherers Atradius auch die Zunahme von Forderungsausfällen. Summierten sich Forderungsausfälle 2022 noch auf etwa 15 Milliarden Euro, waren es 2024 bereits mehr als 50 Milliarden Euro. Um die Weichen möglichst sicher für die Zukunft zu stellen, sind ein engmaschiges Risiko-Monitoring in Form einer kontinuierlichen Bonitätsprüfung, insbesondere in Branchen mit hoher Ausfallwahrscheinlichkeit, sowie die Einführung beziehungsweise Fortführung von Frühwarnsystemen sinnvoll. Auch die Nutzung flexibler Deckungskonzepte und Factoring-Modelle unterstützen bei der Bewältigung der aktuellen Herausforderungen. Der Interviewpartner: Tobias Tillmann leitet bei der Atradius Kreditversicherung den Bereich Special Recovery. Er ist spezialisiert auf Risikomanagement in Krisensituationen und vertritt regelmäßig Lieferanteninteressen in Restrukturierungs- und Insolvenzverfahren.

Auch wenn es konjunkturell Licht am Ende des Tunnels zu geben scheint, sieht sich die deutsche Industrie weiterhin großen Herausforderungen gegenüber. Janina Poppe und Bernhard Steffan von RSM Ebner Stolz erläutern, welche deutsche Schlüsselbranchen besonders unter Druck stehen und ordnen die Entwicklung des StaRUG anhand der Verfahrenszahlen ein. Frau Poppe, Herr Steffan, die deutsche Wirtschaft kommt einfach nicht richtig in Fahrt: Laut der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, OECD, bleibt Deutschland eines der Schlusslichter unter den Industrienationen. Womit hängt das zusammen? Poppe: Aktuell prognostiziert die OECD für 2025 ein Mini-Wachstum der deutschen Wirtschaft von 0,4 Prozent. Deutschland zählt damit auch in diesem Jahr zu den am langsamsten wachsenden Industrienationen. Dabei ist die OECD-Prognose noch vergleichsweise positiv. Sowohl die EU-Kommission als auch die deutschen Wirtschaftsweisen erwarten für dieses Jahr inzwischen eine Stagnation der Wirtschaftskraft. Steffan: Deutschland leidet seit Jahren unter einer schwachen Binnenkonjunktur: Die Verbraucher halten ihr Geld zusammen, auch weil die Preise infolge des Krieges gegen die Ukraine deutlich angezogen haben. Doch obwohl sich die Teuerung wieder normalisiert hat, ist der private Konsum bislang nicht wieder in Schwung gekommen. Und gerade die exportstarke deutsche Wirtschaft bleibt besonders verwundbar für Eskalationen in den globalen Zollstreitigkeiten. Rund zehn Prozent der ausgeführten Güter der deutschen Wirtschaft gehen in die Vereinigten Staaten. Handelsbarrieren und die damit verbundenen Unsicherheiten bremsen das Wachstum aus. US-Präsident Donald Trump ändert fast täglich seine Meinung. Ist nicht doch noch eine schnelle Erholung der Konjunktur möglich? Poppe: Wahrscheinlich nicht. Ende Mai haben die Wirtschaftsweisen ihre Prognose für 2025 von 0,4 Prozent abgesenkt und sagen ein Null-Wachstum voraus. Im Mai sank auch der Einkaufsmanagerindex für die Privatwirtschaft mit Industrie und Dienstleistern von 50,1 Zählern im April auf 48,6 Punkte, das ist ein Fünfmonatstief. Belastend wirkte dabei hauptsächlich die beschleunigte Talfahrt des Servicesektors. Zudem fiel das an den Finanzmärkten stark beachtete Stimmungsbarometer damit unter die Wachstumsschwelle von 50 Punkten. Steffan: Derzeit gibt nur wenige Branchen in Deutschland, die optimistisch auf das Wirtschaftsjahr blicken, denn unsere Schlüsselindustrien, das Rückgrat der deutschen Wirtschaft, stehen stark unter Druck. Laut einer Studie des Beratungsunternehmens Atreus zum Restrukturierungs- und Transformationsaufkommen in Deutschland stehen die Automobilindustrie, gefolgt vom Maschinen- und Anlagenbau am stärksten unter Druck. VORINSOLVENZLICHE RESTRUKTURIERUNGEN MIT STARUG NEHMEN ZU SEMINARTIPP Praxis-Wissen: Sanierung, 24. – 25.09.2025 – online THEMA

Die Automobilbranche kämpft ja schon lange mit einer schwachen Nachfrage. Steffan: Ja, hinzu kommen nun aber auf dem heimischen und den globalen Märkten immer offensiver vorgehende Wettbewerber aus China. Fakt ist: Für die deutschen Autozulieferer könnte sich eine ähnlich existenzbedrohende Krise entwickeln, wie sie sie schon während der Corona-Pandemie erlebt haben. Und auch in Deutschlands zweitgrößter Industriebranche, dem Maschinenbau, häufen sich die Restrukturierungen oder Insolvenzen. Denn die Auftragseingänge bleiben weiterhin rückläufig, die Auftragspolster werden kleiner und die Kapazitätsauslastung bleibt niedrig. Der Branchenverband VDMA rechnet daher in diesem Jahr mit einem Produktionsrückgang von zwei Prozent. Nehmen dadurch die Unternehmensinsolvenzen in Deutschland zu? Steffan: In den ersten vier Monaten des Jahres 2025 stieg die Anzahl der Unternehmensinsolvenzen um gut 6,8 Prozent gegenüber dem Vorjahres-Vergleichszeitraum. Gleichzeitig ist allerdings die Zahl der Insolvenzanträge von Großunternehmen nicht weitergewachsen. Nach einem Anstieg im vierten Quartal des vergangenen Jahres wurden im Zeitraum Januar bis März 2025 nun 101 Insolvenzanträge von Unternehmen mit einem Umsatz ab zehn Millionen Euro gestellt. Das entspricht einem Rückgang von 14 Prozent gegenüber dem Rekord- und Vorquartal, in dem noch 117 Anträge registriert wurden. Welche Auswirkungen hat die Dauerrezession auf die Anzahl der vorinsolvenzlichen Restrukturierung mit dem StaRUG? Poppe: Sie steigen wie die Zahl der Insolvenzen stetig an. In den Jahren 2021 und 2022 gab es nach Angaben der 24 Restrukturierungsgerichte nur rund 50 StaRUG-Fälle. Die Restrukturierung des Automobilzulieferers Leoni hat dann aber als prominentes Anwendungsbeispiel gezeigt, was das Verfahren im Vorfeld und außerhalb einer Insolvenz gerade bei der finanziellen Restrukturierung an Vorteilen bietet. Vor allem, dass opportunistische Gläubiger oder sogar ganze Gläubigergruppen mit dem StaRUG mehrheitsbasiert überstimmt werden können. Das ist zum Beispiel dann von Vorteil, wenn einzelne Gläubiger mit ihrer Weigerung eine von den anderen Beteiligten angestrebte Restrukturierung be- oder sogar verhindern könnten. Bei Leoni ist die erforderliche Mehrheit dafür gesichert worden, da sämtliche Konsortialdarlehensgeber und wesentliche Schuldscheindarlehensgläubiger zugestimmt haben. Zudem ist seit bald drei Jahren das StaRUG auch EU-weit anwendbar. Das StaRUG ist bald seit fünf Jahren in Kraft. Wie haben sich inzwischen die Fallzahlen entwickelt? Steffan: Mittlerweile erweist sich das StaRUG in immer mehr Anwendungsfällen bundesweit als effektives Instrument zur Rettung von Unternehmen in finanziellen Schwierigkeiten und ist in der außerinsolvenzlichen Sanierung unverzichtbar geworden. Bereits im Jahr 2023 hat es doppelt so viele StaRUGFälle wie 2022 gegeben. Jetzt haben das Rheinlandpfälzische Zentrum für Insolvenzrecht und Sanierungspraxis und der INDat Report erneut die aktuellen StaRUG-Fallzahlen erhoben. Das Ergebnis: Im Jahr 2024 wurden 84 Restrukturierungsverfahren und drei Sanierungsmoderationen eingeleitet. Während es also bei den Restrukturierungsverfahren eine leicht gestiegene Nachfrage gibt, wird die Sanierungsmoderationen bislang kaum in Anspruch genommen. Die Interviewpartner: Janina Poppe ist Steuerberaterin und Wirtschaftsprüferin, Bernhard Steffan ist Steuerberater und Wirtschaftsprüfer. Beide sind am Stuttgarter Standort von RSM Ebner Stolz tätig, einem der größten unabhängigen mittelständischen Prüfungs- und Beratungsgesellschaften in Deutschland. Eines ihrer Spezialgebiete ist die betriebswirtschaftliche und steuerliche Beratung von Unternehmen in der Krise.

Alle Arbeitsplätze und den Fortbestand des Krankenhauses in Guben gesichert, die medizinische Versorgung der Region nachhaltig gestärkt – die Bedeutung der Sanierung des Naëmi-Wilke-Stifts geht weit über die reinen Zahlen hinaus. Maßgeblich dafür, dass dieses Ergebnis in nicht einmal neun Monaten erreicht werden konnte, ist die zielgerichtete Zusammenarbeit zwischen Eigenverwaltung und Sachwaltung. Der sechste Teil unserer Serie „Erfolgsfaktor Sanierung“. Die Geschichte des Naëmi-Wilke-Stifts beginnt tragisch. 1878 stiftet der Gubener Hutfabrikant Friedrich Wilke das damalige Kinderkrankenhaus zur Erinnerung an seine Tochter, die mit nur 13 Jahren an Typhus verstorben war. Heute ist das Naëmi-Wilke-Stift mit rund 400 Mitarbeitenden einer der größten Arbeitgeber in Guben und mit seinen 161 Planbetten für die medizinische Versorgung der Kleinstadt mit knapp 16.000 Einwohnern in der brandenburgischen Niederlausitz, direkt an der Grenze zu Polen, von enormer Bedeutung. Darüber hinaus erfüllt das Krankenhaus auch Versorgungsaufgaben für den nördlichen Teil des Landkreises Spree-Neiße in den Fachdisziplinen Chirurgie, Innere Medizin und Orthopädie. Besonderheiten aus unterschiedliche Rechtsgebieten Entsprechend groß war natürlich die Aufmerksamkeit, als Anfang September 2024 für den Rechtsträger des Krankenhauses beim Amtsgericht Cottbus ein Eigenverwaltungsverfahren beantragt wurde. Das Ziel: Das Naëmi-Wilke-Stift auch mit Blick auf die anstehende Krankenhausreform als nachhaltig zukunftsfähiges Unternehmen neu aufzustellen. „Der Fall war für uns insoweit besonders, da mit der Stiftung als Rechtsträger und der kirchlichen Aufsicht der Stiftung durch das Kuratorium neben den insolvenzrechtlichen bei der Sanierung auch gemeinnützigkeits-, stiftungs- und steuerrechtliche Themen eine große Rolle gespielt haben. Die Antworten auf die stiftungsrechtlichen Fragestellungen zu finden, ist keine alltägliche Aufgabe“, sagt Steuerberaterin und Diplom-Kauffrau (FH) Dorit Aurich von ECKERT Rechtsanwälte, die zusammen mit ihren Kollegen Nicole Riedemann und Ole Häger den Sanierungsprozess federführend begleitet hat. „Aber auch der Auslandsbezug bei den Projekten des Naëmi-WilkeStifts in Polen und die dabei eingesetzten Fördermittel waren besonders. Entscheidend war in diesem Zusammenhang die transparente und verfahrensbegleitende Kommunikation mit den zuständigen Ministerien.“ Foto: Jens Kämeling/wikipedia VOM KRANKEN HAUS ZUM KRANKENHAUS Über das Naëmi-Wilke-Stift: Das Krankenhaus am Naëmi-Wilke-Stift Guben verfügt über 161 Planbetten und in den drei medizinischen Abteilungen: Orthopädie, Chirurgie und Innere Medizin. Das angegliederte EndoProthetikZentrum ist seit vielen Jahren ein regionales Kompetenzzentrum für künstliche Hüft- oder Kniegelenke sowie Schultergelenke. Mit rund 400 Mitarbeitenden ist das Naëmi-Wilke-Stift einer der größten Arbeitgeber der Stadt und der Region. SER I E

Medizinische Versorgung in der Region nachhaltig gestärkt Zur Beruhigung der Situation trug die Nachricht bei, dass der Geschäftsbetrieb des Krankenhauses auch nach Beginn des Verfahrens in vollem Umfang fortgeführt und die Löhne und Gehälter der Mitarbeitenden zunächst über das Insolvenzgeld gesichert waren und im weiteren Verlauf der Sanierung wieder aus dem laufenden Betrieb erwirtschaftet werden konnten. Und als im Frühjahr 2025 absehbar war, dass das Naëmi-Wilke-Stift rechtlich vom bisherigen Träger getrennt und auf das Diakonissenhaus Teltow/Lehnin übertragen werden kann, waren Erleichterung und Freude groß – gerade, da mit diesem Schritt die langjährige Tradition des Krankenhauses bewahrt und die medizinische Versorgung in der Region nachhaltig gestärkt wird. Das sieht auch die brandenburgische Gesundheitsministerin Britta Müller so. Bei einem Ortstermin in Guben Anfang Juni 2025 sagte sie, dass es ein bedeutender Meilenstein sei, dass das Naëmi-Wilke-Stifts aus der Insolvenz erfolgreich herausgekommen sei. Eigenverwaltung für Krankenhäuser sehr erfolgsversprechend „Gemeinsam mit den beteiligten Partnern konnte eine nachhaltige Lösung gefunden werden, die den Fortbestand des Hauses sowie aller Arbeitsplätze dauerhaft sichert“, sagt Dr. Jürgen Erbe, Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht bei Schultze & Braun, der das Verfahren des Naëmi-Wilke-Stifts als Sachwalter zusammen mit seiner Kollegin Tatjana Jürcke-Richter begleitet hat und in dieser Funktion auch bei der Sanierung des Krankenhauses St. Vincentius in Heidelberg tätig war. „Gerade im Krankenhausbereich zeigt sich mit dem Naëmi-Wilke-Stift erneut, dass ein Eigenverwaltungsverfahren in dem das Krankenhaus-Management mit seinem Fachwissen und regionalen sowie fachspezifischen Kontakten am Ruder bleibt und dabei mit rechtlicher Sanierungsfachexpertise unterstützt wird, für den Weg vom kranken Haus zum Krankenhaus eine sehr erfolgversprechende Verfahrensart ist“, sagt Erbe. „Der Sachwalter kann sich dann auch in den Verhandlungen noch besser auf die Gläubigerinteressen fokussieren, wenn die Fortführung und der Erhalt professionell durch die Eigenverwaltung betrieben wird, wie das im Fall des Naëmi-Wilke-Stifts während des gesamten Verfahrens gegeben war.“ Die Sanierung des Krankenhauses maßgeblich vorangetrieben Rechtsanwältin Nicole Riedemann und Steuerberaterin Dorit Aurich sind seit vielen Jahren im Bereich der Insolvenzverwaltung und Restrukturierungsberatung tätig. Zusammen mit einem Team der Kanzlei ECKERT Rechtsanwälte und der Geschäftsleitung des NaëmiWilke-Stifts hatten sie die Sanierung des Krankenhauses maßgeblich vorangetrieben. „Besonders wird mir die enge kollegiale Beziehung zwischen dem Vorstand und den Mitarbeitenden im Gedächtnis bleiben. Unter den Kollegen gab und gibt es einen starken Zusammenhalt und in den regelmäßigen Belegschaftsversammlungen wurde offen und auf Augenhöhe kommuniziert“, sagen Aurich und Riedemann. „Besonders freut uns, dass das traditionsreiche Haus durch die Weiterführung in diakonischer Hand erhalten bleibt und das hochwertige Angebot an Gesundheits- und Beratungsleistungen auf diese Weise weiterhin auf hohem Niveau erbracht werden kann.“ Oder anders formuliert: Trotz aller Herausforderung, denen sich Krankenhäuser in Deutschland derzeit gegenübersehen, geht die Geschichte des NaëmiWilke-Stifts gut aus. Im vorangehenden Teil der Serie „Erfolgsfaktor Sanierung“ steht die Haas-Gruppe, ein Spezialist für die Reinigung und Sanierung von Rohren und Kanälen im Fokus, bei der mit der Aufteilung in zwei selbstständige Einheiten eine Zukunftsperspektive für die beiden Standorte und die Belegschaft geschaffen wurde. Ein entscheidender Erfolgsfaktor war dabei die zielgerichtete Zusammenarbeit zwischen dem Insolvenzverwalter und den M&A-Beratern, bei der auch der Faktor Zeit eine wichtige Rolle gespielt hat.

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