KRISE CHANCE präsentiert von November 2025 Neues zu Restrukturierung und Insolvenz TEIL 10 VON „Erfolgsfaktor Sanierung“ REFERENTEN DES HEILBRONNER RESTRUKTURIERUNGSDIALOGS DAUERKRISE ODER LICHT AM ENDE DES TUNNELS?
Restrukturierer und Sanierer aus vielen Ländern sind am 17. Oktober 2025 beim 14. Internationalen Symposium Restrukturierung in Kufstein zusammengekommen. Das jährliche Expertentreffen der FH Kufstein Tirol stand in diesem Jahr unter dem Motto „Wo stehen wir?“ – mit dem Blick auf die Sanierungspraxis, aber auch auf die Wirtschaftsstandorte Deutschland und Europa. Gerade im Kontext einer zunehmend international vernetzten Wirtschaft sind grenzüberschreitende Fragen von besonderer Relevanz – besonders im Fall einer Krise. Dabei geht es etwa um die EU-weite Anwendbarkeit des StaRUG oder grenzüberschreitende Konzerninsolvenzen. Diese Themen ordnet Dr. Johannes Heck von Schultze & Braun auf dem Blog der bundesweit und im europäischen Ausland vertretenen Kanzlei ein. Dass eine Sanierung nicht im Vakuum stattfindet, betont auch Prof. Dr. Markus Exler, der Gastgeber des Internationalen Symposiums Restrukturierung. Anlässlich der Restrukturierung Nordwest von Schultze & Braun Mitte September in Bremen haben wir für Krise & Chance mit ihm das Interview „Schöner scheitern oder mehr Mindset wagen“ geführt. Es lohnt sich für Restrukturierer und Sanierer, über die Grenzen des eigenen Mandats hinauszublicken und die Entwicklung des Wirtschaftsstandorts Deutschland genau zu beobachten. Und auch wenn die ganz erheblich stockt, besteht weiterhin die Chance, das wirtschaftliche Lenkrad herumzureißen – und die Antwort darauf, ob und wie sie genutzt wird, dürfte die Sanierungsbranche langfristig prägen. TICKER WO STEHEN WIR?
Die Weinlese zeichnet sich in diesem Jahr vielerorts durch eine geringe Menge, aber eine hohe Qualität der geernteten Trauben aus – gute Aussichten also grundsätzlich für den Weinjahrgang 2025! Weitaus weniger positiv sind hingegen die Aussichten für die deutschen Winzer und Weinbauern. Sie steuern auf eine der größten Krisen seit Jahrzehnten zu! Mit Simone Loose, der Leiterin des Instituts für Wein- und Getränkewirtschaft an der Hochschule Geisenheim University, haben wir bereits in unserer OktoberAusgabe über die Herausforderungen für die Branche und darüber gesprochen, worauf es bei Sanierungen in der Weinwirtschaft ankommt. Die Weinwirtschaft war auch ein Thema und zudem beim inzwischen 8. Heilbronner Restrukturierungsdialogs im wahrsten Sinne des Wortes präsent – fand die Veranstaltung, die dieses Jahr unter dem Motto „Dauerkrise oder Licht am Ende des Tunnels?“ stand, doch auf dem Staatsweingut Weinsberg statt. „Jemandem reinen Wein einschenken“ – diese Redewendung aus dem Mittelalter bedeutet, dass man jemandem die Wahrheit, oft eine unangenehme, unverfälscht und ohne Umschweife sagt. Und genau das machen wir auch beim Heilbronner Restrukturierungsdialog. Den Blick auf die wirtschaftliche Realität und ihre Herausforderungen verbinden wir dabei aber immer mit der Diskussion zu Lösungsansätzen – und genauso haben wir es auch bei den Interviews in dieser Ausgabe gemacht, die wir mit den Referenten der vier Kanzleien des Heilbronner Restrukturierungsdialogs geführt haben. Dr. Marcus Egner von Dietz Tonhäuser & Partner ordnet den Anstieg bei den Unternehmensinsolvenzen ein und erläutert, welche weiteren relevanten Entwicklungen es für Restrukturierer und Sanierer gibt. Harry Kressl von Pfefferle, Helberg & Partner spricht über vorsätzliche Gläubigerbenachteiligung und die Neuausrichtung der Vorsatzanfechtung. Dr. Markus Schuster von Schultze & Braun geht auf die besondere Bedeutung von Krisenfrüherkennung und Krisenmanagement ein, auf die das neue IDW ES 16 ein Schlaglicht wirft. Sven Seher und Dr. Roland Hartmann von bachert&partner zeigen aktuelle Risiken und Chancen für Autohäuser in wirtschaftlich schwierigen Lagen. Im zehnten Teil unserer Serie „Erfolgsfaktor Sanierung“ steht der Emaille-Spezialist OMERAS im Fokus, der auf das älteste in Deutschland bestehende EmailleWerk mit einer fast 200-jährigen Tradition zurückgeht. Welche Rolle bei der gelungenen Sanierung die Unternehmenskultur gespielt hat und welche weiteren Erfolgsfaktoren es gegeben hat – darüber sprechen der Eigenverwalter und der Sachwalter. Wir wünschen Ihnen eine aufschlussreiche Lektüre, Ihr Tobias Hirte und Ihr Dr. Dietmar Haffa E D I T O R I A L
Die Schwachstellen erkennen und durch gezielte Umstellungen beheben – was Nationaltrainer Julian Nagelsmann und der deutschen FußballNationalmannschaft der Herren in den WM-Qualifikationsspielen gegen Luxemburg und Nordirland Mitte Oktober gelungen ist, ist die zentrale Aufgabe im wirtschaftlichen Krisenmanagement. Ein zentraler Erfolgsgarant war und ist Kapitän Joshua Kimmich, der flexibel auf mehreren Positionen spielen kann und immer da ist, wo er gebraucht wird. Wenn Unternehmen in die Krise geraten, fungiert der Chief Restructuring Officer (CRO) als strategischer Unternehmens-Kapitän. Er steuert das Projekt, sei es in einer Eigenverwaltung oder einer StaRUG-Restrukturierung, und behält das große Ganze im Blick. Michael Böhner und Dr. Jürgen Erbe von Schultze & Braun zeigen in ihrem Beitrag auf dem Blog der Kanzlei, worauf es dabei ankommt. Fakt ist: Die Bedeutung des CRO wächst: In der Restrukturierungsstudie 2025 von Roland Berger-Studie rechnen rund zwei Drittel der befragten rund 140 Experten aus den Bereichen Bankwesen, Insolvenzverwaltung, Private Equity, Sanierungsberatung und Unternehmensführung mit einer weiteren Zunahme der CRO-Mandate. Bei seiner Tätigkeit profitiert ein CRO von seiner umfassenden Krisenexpertise, die sich aus einer langjährigen Erfahrung aus zahlreichen Restrukturierungen und Sanierungen speist. Grundsätzlich ist es wichtig, Krisenanzeichen frühzeitig zu erkennen und eine notwendige Restrukturierung so früh wie möglich anzugehen und sich im Fall der Fälle auch professionelle Unterstützung zu holen. Denn einfach abzuwarten und auf eine Besserung der (konjunkturellen) Lage zu warten, ist kein guter Ratschlag. Doch wie lässt sich eine Krise frühzeitig erkennen? Die Anzeichen für eine Krise und wie Geschäftsleiter diese erkennen, erläutern Stefan Höge und René Schmidt in ihrem Beitrag „Wirtschaftliche Schieflage: Krisenanzeichen frühzeitig erkennen“ auf dem Blog von Schultze & Braun. WO STEHEN CROs? TICKER
WO STEHEN GEWERBEIMMOBILIEN? WO STEHEN AKTIONÄRE? Auf der diesjährigen EXPO REAL, dem Treffpunkt der Immobilienwirtschaft, war das (weiter) gestiegene Risiko für Kreditausfälle, insbesondere bei Gewerbeimmobilien, sicherlich ein großes Thema. Das aktuelle NPL-Barometer der BKS und der Frankfurt School bestätigt den Trend: Wie bei den Insolvenzen setzt sich der Anstieg notleidender Kredite (NPL) fort – vor allem bei Konsumentenkrediten, KMU und eben Gewerbeimmobilien. Fakt ist: Gewerbeimmobilien in Schieflage stellen für Banken ein ernstes finanzielles Risiko dar. Doch das muss nicht sein. Treuhandlösungen oder eine Zwangsverwaltung sind Instrumente, um Forderungen zu schützen und auf die finanzielle Sanierung der Objekte hinzuwirken. Was es dabei zu beachten gibt, erläutern Dr. Ludwig J. Weber und Rüdiger Bauch von Schultze & Braun in ihrem Beitrag „Finanziell einsturzgefährdet: Immobilien und Kredite in Not“ auf dem Blog der Kanzlei. Angesichts der steigenden Kreditrisiken erläutern Dr. Ludwig J. Weber von Schultze & Braun und BKS-Präsident Jürgen Sonder zudem auf dem Blog der Kanzlei, dass ein funktionierender Sekundärmarkt für NPLs und eine profunde Krisenexpertise im aktuellen Umfeld unabdingbar sind. Milliarden-Frage im Insolvenzrecht: Gehören die 8,5 Milliarden Euro schweren Schadenersatzforderungen von rund 50.000 Aktionären als einfache Insolvenzforderungen (§ 38 InsO) zur Tabelle? Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 16. Oktober 2025 in einem wegweisenden Verfahren im Zusammenhang mit dem Wirecard-Insolvenzverfahren über diese Frage verhandelt. Bei einer Insolvenzmasse von nur 650 Millionen Euro gegenüber insgesamt 15,4 Milliarden Euro an Forderungen ist die Frage nach dem GläubigerNachrang zentral. Seine Entscheidung (Az. IX ZR 127/24) wird der BGH am 13. November verkünden. Diese kann auch über den Fall Wirecard hinaus bedeutende Auswirkungen für Insolvenzverwalter, Aktionäre und andere Gläubigergruppen in Insolvenzverfahren haben, erläutert Dr. Elske Fehl-Weileder, Fachanwältin für Insolvenz- und Sanierungsrecht bei Schultze & Braun. Sollte der BGH die Rechtsauffassung der Vorinstanz (OLG München) bestätigen, würden Insolvenzverfahren in Zukunft womöglich komplizierter und aufwendiger, weil zusätzlich Forderungen von Aktionären geprüft werden müssten, sagt sie. Außerdem könnten Banken und Investoren bei der Vergabe von Krediten zurückhaltender werden, wenn sie künftig im Insolvenzfall mit mehr konkurrierenden Forderungen rechnen müssten. Sollte der BGH zugunsten der Aktionäre entscheiden, müsste das OLG in einer zweiten Runde klären, wie hoch diese Ansprüche sind, sagte Rechtsanwalt Dr. Michael Rozijn, ebenfalls von Schultze & Braun. Dann wird sich laut dem Experten für Gesellschaftsrecht auch die schwierige Frage stellen, wonach sich die Schadenshöhe bemisst – und wie sich überhaupt nachweisen lässt, dass die von Wirecard unterlassene Information tatsächlich den Kauf der Aktien und damit später den Verlust der Aktionäre verursacht hat.
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ODER LICHT TUNNELS?
Deutschland steuert auf eine neuen Insolvenzrekord zu. Dr. Marcus Egner von Dietz Tonhäuser & Partner ordnet den Anstieg ein und erläutert, welche weiteren relevanten Entwicklungen es für Restrukturierer und Sanierer gibt. Herr Egner, ist die Lage ernst oder schon hoffnungslos? Egner: Die Lage ist definitiv ernst. Aktuelle Daten lassen für dieses Jahr einen neuen Höchststand bei den Insolvenzen erwarten. Bereits im vergangenen Jahr hatte das Statistische Bundesamt einen Höchststand im Vergleich zu der Zeit vor der Corona-Pandemie ausgerechnet – aber auch aktuell zeichnet sich keine Erholung ab. Zu viel Bürokratie, die hohen Energiepreise und die hartnäckige Wirtschafts- und Konsumflaute belasten Unternehmen branchenübergreifend nach wie vor stark. Außerdem sind die steigenden Insolvenzzahlen ein klares Zeichen für den Strukturwandel der deutschen Wirtschaft, einen gleichzeitigen Umbruch in vielen Branchen und auch in Schlüsselindustrien. Was heißt das? Egner: Derzeit findet oft ein technologischer Strukturwandel statt: die Umstellung auf neue Energieträger und die Veränderung von Märkten, was naturgemäß mit Anpassungskosten und Unsicherheiten verbunden ist. So ist die Chemieindustrie durch die hohen Energiekosten massiv unter Druck. Der hochgradig exportabhängige Maschinenbau kämpft im internationalen Geschäft mit Schwierigkeiten, weil die geopolitische Blockbildung die internationalen Wirtschaftsbeziehungen stört und nachholende Industrialisierung vor allem in China, aber auch in anderen Schwellenländern weit fortgeschritten ist. Und die Autoindustrie ist aktuell durch die hartnäckige Wirtschaftsflaute und die E-Wende in Schwierigkeiten – nicht zuletzt durch neue Wettbewerber aus China. Wie können Unternehmen darauf reagieren? Egner: Krisen sind immer auch Chancen. Und die aktuelle Wirtschaftskrise kann auch ein Anlass sein, das eigene Unternehmen innovativer und resilienter aufzustellen. So steht der klassische Autohandel beispielsweise vor einer strukturellen Umwälzung, die von den Herstellern ausgeht. Das Agenturmodell könnte, flächendeckend eingesetzt, den Autokauf revolutionieren. Und auch für Autohäuser in wirtschaftlich schwierigen Lagen gibt es Lösungen, wenn etwa die Cashflows aktiv gemanagt werden und Der Interviewpartner: Dr. Marcus Egner leitet die Abteilung für Insolvenz- und Sanierungsrecht im Haus des Rechts (Dietz Tonhäuser & Partner). T I TEL
Buy-Back-Vereinbarungen oder verkürzte Haltezeiten für die Fahrzeuge vereinbart werden können. Die DIHK prognostiziert für die nächsten Monate rückläufige Exporte, insbesondere in die USA, sinkende Industrieproduktion und eine maue Konjunktur. Auf welche Krisenanzeichen sollten Unternehmen achten? Egner: Als Indikatoren gelten beispielsweise Umsatzrückgänge im laufenden Geschäftsjahr, ein negativer zahlungsorientierter Cashflow sowie durch wiederholte Verluste aufgezehrtes Eigenkapital. In §1 des StaRUG, das vor fast fünf Jahren in Kraft getreten ist, ist die Pflicht zur Krisenfrüherkennung und -management für alle Unternehmen verankert. Das neue IDW ES 16 wirft ein Schlaglicht auf diese wichtige gesetzliche Regelung und ihre besondere Bedeutung – gerade in wirtschaftlich volatilen Zeiten wie diesen. Unternehmen und Geschäftsleiter sind daher gut beraten, sich mit den Aspekten Krisenfrüherkennung und -management zu befassen. Im Insolvenzrecht ist die vorsätzliche Gläubigerbenachteiligung ein sehr wichtiges Thema. Die Vorsatzanfechtung ist in den letzten Jahren aber neu ausgerichtet worden. Egner: Ja, in mehreren Entscheidungen hat der BGH seit 2021 die Vorsatzanfechtung für Insolvenzverwalter komplexer und schwieriger gemacht und Anfechtungsgegnern zusätzliche Werkzeuge an die Hand gegeben, um Ansprüche von Verwaltern abzuwehren. So spielen die besonderen Umstände des Einzelfalles inzwischen eine wichtige Rolle, und die Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit eines Geschäftspartners allein reicht grundsätzlich nicht mehr aus, um eine Kenntnis der Beteiligten vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz zu belegen. Eine Insolvenz kann auch ein Neustart sein. Welche Herausforderung ist bei Sanierungen derzeit besonders groß? Egner: Wenn der Insolvenzantrag gestellt und Restrukturierungsmaßnahmen eingeleitet wurden, werden in der Regel Investoren gesucht, weil eine nachhaltige Fortführung des Geschäftsbetriebs ohne frisches Kapital oft nicht möglich ist. In einem unverändert sehr angespannten Marktumfeld ist es aber deutlich schwieriger geworden, Investoren zu finden, die bereit sind, Unternehmen aus der Insolvenz zu übernehmen. In der Niedrigzinszeit waren Investoren einfach eher bereit Kapital in Krisenunternehmen zu investieren. Durch die Zinswende hat sich die Lage nun aber grundlegend geändert. Investoren prüfen jetzt sehr genau, welche Geschäftsmodelle überlebensfähig sind und welche nicht. Distressed M&A ist und bleibt in Deutschland aber ein wichtiges Instrument zur Werterhaltung in der Krise. SEMINARTIPP Wie Sie sich auf eine drohende Insolvenzwelle als Gläubiger optimal vorbereiten können, erfahren Sie im Seminar Basiswissen Insolvenzrecht am 25.11.25
INSOLVENZANFECHTUNG: VERMÖGENSVERSCHIEBUNG Harry Kressl, Managing Partner bei Pfefferle, Helberg & Partner, spricht im Interview über vorsätzliche Gläubigerbenachteiligung und die Neuausrichtung der Vorsatzanfechtung. Herr Kressl, was ist eine Insolvenzanfechtung und warum gibt es dieses Instrument? Kressl: Die Insolvenzanfechtung ist ein Mittel, durch das der Insolvenzverwalter unter bestimmten Voraussetzungen Rechtshandlungen wieder rückgängig machen kann, die im Vorfeld eines Insolvenzverfahrens erfolgt sind. Ziel der Insolvenzanfechtung ist eine bestmögliche Gleichstellung aller Gläubiger. In welchen Situationen kann eine Insolvenzanfechtung erfolgen? Kressl: Die Anfechtungsmöglichkeiten richten sich nach der Insolvenzordnung. Grundsätzlich muss eine Handlung des späteren Schuldners immer zu einer Gläubigerbenachteiligung führen. Die Gläubigerbenachteiligung liegt dabei in der Schmälerung des Schuldnervermögens, also der späteren Insolvenzmasse, sei es durch Verminderung der Aktivmasse oder Erhöhung der Passivmasse. Die einzelnen Anfechtungstatbestände haben darüber hinaus unterschiedlich strenge Voraussetzungen und können unterschiedlich weit zurückreichen. Welche Arten der Insolvenzanfechtung gibt es? Kressl: Die Anfechtung nach § 130 der Insolvenzordnung erfasst Rechtshandlungen, die einem Gläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht haben, welche dieser auch beanspruchen konnte – etwa, wenn eine offene Rechnung fristgerecht beglichen wird. Man spricht in einem solchen Fall von einer kongruenten Deckung. Entscheidend für die Anfechtung ist dann, dass der Insolvenzverwalter nachweist, dass der Schuldner zum Zeitpunkt der Rechtshandlung bereits zahlungsunfähig war und der Gläubiger hiervon Kenntnis hatte. Bei der inkongruenten Deckung geht es um Zahlungen oder die Gewährung von Sicherheiten, die so nicht vereinbart waren – etwa, weil der Gläubiger durch den Druck der Zwangsvollstreckung eine vorzeitige Leistung erzwingt. Was ist der häufigste Grund für eine Insolvenzanfechtung? Kressl: Für den Insolvenzverwalter sind die Anfechtungen nach den §§ 130 und 131 der Insolvenzordnung die häufigsten Anfechtungstatbestände und auch die am leichtesten geltend zu machenden Ansprüche. Die Vorsatzanfechtung ist die Kür. Nach § 133 der Insolvenzordnung können sämtliche Rechtshandlungen angefochten werden, die bis zu zehn Jahre vor dem Insolvenzantrag stattgefunden haben, sofern der Schuldner mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz handelte und der Gläubiger wusste, dass der Schuldner seine Zahlungspflichten auch in Zukunft nicht mehr erfüllen kann und dadurch andere Der Interviewpartner: Harry Kressl ist Managing Partner bei Pfefferle, Helberg & Partner und dort verantwortlich für den Bereich Unternehmensrestrukturierung und Insolvenzverwaltung sowie Mergers & Acquisitions. THEMA
GEN RÜCKGÄNGIG MACHEN Gläubiger benachteiligt wurden. Auch Leistungen des Schuldners, die ohne objektiv ausgleichenden Gegenwert erbracht wurden, können innerhalb der letzten vier Jahre vor dem Insolvenzantrag ebenfalls gemäß § 134 der Insolvenzordnung anfechtbar sein. Anfechtbar sind nach § 135 Absatz 1 aber auch Darlehensrückzahlungen oder vergleichbare Leistungen an Gesellschafter des Schuldners, wenn diese im letzten Jahr vor dem Insolvenzantrag erfolgten. Wann liegt eine anfechtbare „vorsätzliche Gläubigerbenachteiligung“ vor? Kressl: Mit der Einführung der Insolvenzordnung 1999 ist das Anfechtungsrecht erweitert und verschärft worden. Der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit wird zeitlich vorverlagert. So können Zahlungen und sonstige Maßnahmen, durch die die Gläubiger benachteiligt werden, in den letzten drei Monaten vor dem Insolvenzantrag von Insolvenzverwaltern vergleichsweise einfach zurückgefordert werden. Was gilt für frühere Zeiträume? Kressl: Für frühere Zeiträume gilt weiterhin, dass ungerechtfertigte Vermögensverschiebungen, rückgängig gemacht werden können, wenn der Empfänger von der Benachteiligung wusste. Die Chancengleichheit der Gläubiger soll gewahrt sein, und eine Bevorzugung einzelner Gläubiger kann zur Anfechtbarkeit führen. Dabei hat die Vorsatzanfechtung für die Betroffenen erhebliche wirtschaftliche Bedeutung, weil häufig hohe Summen geltend gemacht werden. Und regelmäßig gibt es neue Gerichtsentscheidungen zur Vorsatzanfechtung gemäß § 133 der Insolvenzordnung, die wegen der bis zu zehnjährigen Anfechtungsfrist, der zeitlich am weitesten zurückreichende Anfechtungstatbestand ist. Das macht die Beurteilung der Situation juristisch oft nicht einfach. Wie ist die Vorsatzanfechtung in den letzten Jahren neu ausgerichtet worden? Kressl: Vor den BGH-Entscheidungen seit 2021 war es für Insolvenzverwalter vergleichsweise einfach, auch lange zurückliegende Zahlungen an Gläubiger anzufechten und zurückzufordern. Ausreichend dafür war schon, wenn schon Liquiditätsprobleme offensichtlich waren. Mit gleich mehreren Entscheidungen seit Mai 2021 hat der BGH dann die Vorsatzanfechtung für Insolvenzverwalter komplexer und schwieriger gemacht und Anfechtungsgegnern zusätzliche Werkzeuge an die Hand gegeben, um Ansprüche von Verwaltern abzuwehren. So spielen die besonderen Umstände des Einzelfalles inzwischen eine wichtige Rolle, und die Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit eines Geschäftspartners allein reicht grundsätzlich nicht mehr aus, um eine Kenntnis der Beteiligten vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz zu belegen. Welche Faktoren spielen inzwischen eine größere Rolle? Kressl: Die Zukunftsperspektive des Insolvenzschuldners im Hinblick auf die Liquiditätssituation bei den fraglichen Zahlungen und der Blick des Anfechtungsgegners darauf haben an Bedeutung gewonnen. Zudem werden nachträgliche Entwicklungen eher berücksichtigt, wenn zuvor eine erkennbare Zahlungsunfähigkeit eingetreten war – etwa, ob die Möglichkeit bestanden hat, dass die Zahlungsunfähigkeit in einem bestimmten Zeitraum wieder beseitigt werden kann. SEMINARTIPP Alles zum Thema Insolvenzanfechtungsrecht erfahren Sie in unserem Seminar Insolvenzanfechtung vermeiden und abwehren am 10.11.2025
IDW ES 16: EIN SCHLAGLICHT AUF KRISENFRÜHERKENNUNG UND KRISENMANAGEMENT Unternehmen sehen sich einer Vielzahl an wirtschaftlichen Herausforderungen gegenüber. Fakt ist: Kein Unternehmen ist davor gefeit, in eine wirtschaftliche Schieflage zu geraten. Dr. Markus Schuster von Schultze & Braun ordnet den neuen IDW ES 16 ein, der ein Schlaglicht auf die besondere Bedeutung von Krisenfrüherkennung und Krisenmanagementwirft. Herr Schuster, wie bewerten Sie als Sanierer den neuen IDW ES 16? Schuster: In § 1 des StaRUG ist für alle Geschäftsleiter haftungsbeschränkter Unternehmen eine Pflicht zur Krisenfrüherkennung und zum Krisenmanagement normiert. Dass der Fachausschuss Sanierung und Insolvenz des Instituts der Wirtschaftsprüfer Ende Februar 2025 mit dem IDW ES 16 den Entwurf für einen neuen Standard veröffentlicht und darin auch die Anforderungen an die Ausgestaltung der Krisenfrüherkennung und des Krisenmanagements konkretisiert hat, halte ich für einen ersten wichtigen Schritt in die richtige Richtung – gerade auch, weil ein konkreter Leitfaden für die unternehmerische Praxis immer wichtiger wird. Welche Punkte umfasst der geplante Standard? Schuster: Kernstück und Fundament der Krisenfrüherkennung ist eine integrierte Unternehmensplanung. Die Anforderungen des § 1 StaRUG an die Krisenfrüherkennung werden konkretisiert, da der Entwurf die Implementierung eines effektiven Krisenfrüherkennungssystems als Grundlage für das folgende Krisenmanagement durch die Geschäftsleiter vorsieht. Was bedeutet das konkret? Schuster: Nach IDW ES 16 umfasst der Prozess der Krisenfrüherkennung die Gesamtheit aller organisatorischen Regelungen und Maßnahmen zur frühzeitigen Identifizierung bestandsgefährdender Risiken und ist ein fortlaufender Kreislauf, der sich ständig weiterentwickelt. Dazu gehören im Rahmen einer fortlaufenden Unternehmensplanung die Risikoidentifikation, Risikobewertung, Risikosteuerung, Risikokommunikation und letztlich die Risikoüberwachung. Damit die Überwachung von fortbestandsgefährdenden Entwicklungen fortlaufend erfolgen kann, sind im Unternehmen geeignete organisatorische Vorkehrungen zu treffen. Ziel des fortlaufenden Prozesses ist es, die Geschäftsleitung bestmöglich zu unterstützen ihre Pflichten nach § 1 StaRUG zu erfüllen. Ab wann befindet sich ein Unternehmen denn in einer Krise? Schuster: Ein Unternehmen befindet sich Der Interviewpartner: Dr. Markus Schuster ist Rechtsanwalt bei Schultze & Braun. Er wird als Insolvenzverwalter bestellt und hat bereits viele Unternehmen bei Sanierungen und StaRUG-Restrukturierungen begleitet.. THEMA
in einer Krise, sobald seine wirtschaftliche Stabilität oder Fortbestehensfähigkeit ernsthaft gefährdet ist. Diese Gefährdung kann finanzieller, strategischer, operativer oder reputationsbezogener Natur sein und wird typischerweise durch mehrere aufeinanderfolgende Krisenphasen deutlich. Das IDW unterscheidet sechs typische Stadien, die den Verlauf einer Unternehmenskrise kennzeichnen: Stakeholder-, Strategie-, Produkt-/Absatz-, Erfolgs-, Liquiditätskrise und schließlich die Insolvenzreife. Ein Unternehmen befindet sich in der Krise, sobald die Fortführung des Geschäftsbetriebs ohne Gegenmaßnahmen gefährdet ist. Rechtlich bedeutsam wird dies ab Eintritt der Liquiditätskrise, da ab diesem Zeitpunkt Insolvenzantragspflichten entstehen. Die beste Krise ist ja die, die niemals eintritt. Auf welche Krisenanzeichen sollten Unternehmen achten? Schuster: Als Indikatoren gelten Umsatzrückgänge im laufenden Geschäftsjahr, ein wiederholter Bestandsaufbau bei niedrigen Erträgen, also ein negativer zahlungsorientierter Cashflow sowie durch wiederholte Verluste aufgezehrtes Eigenkapital. Warnhinweise sind auch, lange ausstehende und uneinbringliche Forderungen, ausgeschöpfte Kreditlinien, rückständige Tilgungsraten, eingehende Mahnungen, Mahn- und Vollstreckungsbescheide und unbezahlte Sozialversicherungsbeiträge, die eingespeist werden sollten. Was sollte passieren, wenn Geschäftsleiter ein oder mehrere Krisenanzeichen erkennen? Schuster: Grundsätzlich gilt: Geschäftsleiter sollten eine notwendige Restrukturierung oder Sanierung rechtzeitig angehen, wenn ihr Unternehmen noch Reserven hat. Wenn Gegenmaßnahmen frühzeitig eingeleitet werden, bestehen bessere Chancen auf eine erfolgreiche und nachhaltige Restrukturierung. Bei finanziellen Schwierigkeiten ist zunächst immer der Versuch einer außergerichtlichen Sanierung sinnvoll. Dies erfordert jedoch oft schwierige Verhandlungen mit den Gläubigern, die in der Regel alle dem Sanierungskonzept zustimmen müssen. Stimmt auch nur ein Gläubiger nicht zu, kann es unmöglich werden, auf diesem Weg eine Lösung zu finden. Bei einem StaRUG-Verfahren müssen dagegen nur drei Viertel der betroffenen Gläubiger dem Restrukturierungsplan zustimmen und das Unternehmen kann sich mit einem angepassten Finanzplan außerhalb eines Insolvenzverfahrens und unter Ausschluss der Öffentlichkeit neu ausrichten. Eine Restrukturierung mit Hilfe des StaRUG ist nicht für alle Fälle geeignet. Schuster: Das stimmt. Unternehmen, die hauptsächlich operative oder strategische Herausforderungen zu bewältigen haben, sind mit einem Regelinsolvenzverfahren, einer Eigenverwaltung oder einem Schutzschirmverfahren oft besser beraten. Das StaRUG ist in erster Linie für Fälle gedacht, in denen das Unternehmen im einem mittleren Krisenstadium finanzielle Probleme lösen muss. So lassen sich in einer StaRUGRestrukturierung – im Gegensatz zu einer Sanierung in Regelinsolvenz, Eigenverwaltung oder Schutzschirm – keine ungünstigen Verträge gegen den Willen der Vertragspartner kurzfristig beenden und insbesondere dürfen Unternehmen dabei nicht in die Rechte von Arbeitnehmern eingreifen. Wann ist ein StaRUG-Verfahren nicht möglich? Schuster: Wenn das Unternehmen seine Zahlungsfähigkeit absehbar nicht mehr sicherstellen kann. Mit dem Schutzschirmverfahren, der Eigenverwaltung, aber auch mit der Regelinsolvenz stehen in einem solchen Fall aber weitere Sanierungsverfahren zur Verfügung. Auch das Schutzschirmverfahren kann ein Unternehmen allerdings nur beantragen, wenn die Zahlungsunfähigkeit nur droht, sie aber noch nicht eingetreten ist. Und wenn es bei einem Geschäftspartner eine Krise oder sogar eine Insolvenz gibt? Schuster: Grundsätzlich ist es für Unternehmen immer wichtiger, sich auf die mögliche Krise oder Insolvenz eines Geschäftspartners vorzubereiten. Eine Option mit großer Wirksamkeit sind sogenannte insolvenzabhängige Lösungsklauseln. Dabei sind jedoch einige Besonderheiten zu beachten.
Der klassische Autohandel steht vor zahlreichen Herausforderungen. Im Interview erläutern Sven Seher und Dr. Roland Hartmann von bachert&partner aktuelle Risiken und Chancen für Autohäuser in wirtschaftlich schwierigen Lagen. Herr Seher, Herr Dr. Hartmann, der wirtschaftliche Motor des Autohandels stottert. Wie manifestiert sich die Krise der Branche aus Ihrer Sicht? Seher: Die zentrale Herausforderung ist die strukturelle Umwälzung, die von den Herstellern ausgeht. Diese agieren nicht mehr nur als Lieferanten, sondern drängen durch Direktvertrieb - denken Sie etwa an Konfiguratoren und die Umstrukturierung zu Agentur- und Provisionsmodellen - zunehmend in den Markt der Autohändler. Diese Entwicklung führt zu einer massiven Abhängigkeit der Händler von den Herstellern und verschärft den ohnehin hohen Erfolgsdruck. Hartmann: Unsere Mandanten spüren diese Abhängigkeit unmittelbar. Die Hersteller diktieren sehr strenge Strukturen und Vorgaben, was dem einzelnen Autohändler kaum noch Handlungsspielraum lässt. Wir beobachten, dass mittelständische Unternehmen dadurch zunehmend zum Spielball äußerer Kräfte werden. Im schlimmsten Fall kann dies bis zur forcierten Geschäftsaufgabe reichen, etwa durch den Entzug von Verträgen oder restriktive Verteilung von „Händlersitzen“. Welche konkreten Zahlen belegen diese Krise? Wie stark sinken Margen und Umsätze? Seher: Die Gewinnmargen der Autohändler sinken seit 2021 dramatisch. Lagen sie 2021 noch bei 8,6 Prozent, betrugen sie 2024 nur noch 2,9 Prozent – ein Wert, der voraussichtlich auch in diesem Jahr erreicht wird, und Besserung ist nicht in Sicht, ganz im Gegenteil. Der Gesamtumsatz der Branche pendelt seit fünf Jahren zwischen 230 und 240 Milliarden Euro. Wachstum sieht anders aus! Hinzu kommt, dass bei so geringen Margen Investitionen wie Neubauten faktisch nicht mehr tragfähig sind. Hartmann: Der Markt ist fragil. Die geringe Profitabilität führt dazu, dass schon kleine Verkaufsschwankungen genügen, um die Geschäftsentwicklung ins Negative kippen zu lassen. Zudem sinkt die Neigung der Kunden, sich ein neues Auto zu kaufen, was sich unter anderem auch im steigenden Durchschnittsalter der Pkw zeigt. Interessant ist zudem die Preisentwicklung: Während die Neuwagenpreise erstmals fallen, bleiben die Gebrauchtwagenpreise stabil. Viele Hersteller setzen auf das Agenturmodell. Was sind die Chancen und wo liegen die größten Risiken für Händler aus Ihrer Sicht? Seher: Das Agenturmodell bietet Händlern die Chance, ihr Working Capital zu reduzieren. Fixe Provisionen je Verkauf Die Interviewpartner: Sven Seher (links) und Dr. Roland Hartmann sind Partner bei bachert&partner. DER AUTOHANDEL ZWI ERFOLGSDRUCK UND AB THEMA
führen zu höherer Planbarkeit, lösen jedoch die Problematik der Jahresziele aus Händlersicht nicht. Händler können sich auf die Beratung fokussieren und Kosten im Overhead optimieren. Hartmann: Die Vorteile gibt es nicht umsonst: Zwar senkt das Agenturmodell die Risiken, dies geschieht aber auf Kosten von Marge und unternehmerischer Freiheit. Der Händler verliert die Alleinstellung in der Region und die eigene Preisgestaltung, was die strategische Steuerung der Profitabilität einschränkt. Die größte Gefahr ist die Margenerosion, da Hersteller die Provisionen in diesem planwirtschaftlichen Modell einseitig anpassen können. Für den Händler bedeutet dies den erzwungenen Wechsel vom Margenfokus zu einer Volumen- und Serviceorientierung. Welche operativen Fehler führen Autohäuser schnell in eine Sanierungssituation? Seher: Schlechtes Einkaufs- und Bestandsmanagement führt direkt in die Krise. Wir wissen: Standzeiten von über drei Monaten sind defizitär. Entscheidend sind die Finanzierungskonditionen, eine Verschlechterung des Zinssatzes greift die Wettbewerbsfähigkeit direkt an, da die Endkunden Preise durch Onlineportale vergleichen, gleichzeitig kosten diese Portale weitere Marge. Hartmann: Die Liquiditätssteuerung ist ebenfalls ein kritischer Faktor. Die Cashflows müssen aktiv gemanagt werden. Unsere klare Empfehlung: regelmäßige Planung und Vorkassemodelle. Die Best Practice ist die Zahlung vor Abholung. Zudem hängen die Margen im Neuwagengeschäft stark von Jahres-Boni ab, die die Händler erreichen, wenn sie bestimmte Verkaufs-Volumina erzielen. Das Verfehlen dieser Volumina birgt erhebliche Risiken in den erwarteten Margen, teilweise sogar mit Rückzahlungsverpflichtungen, welche bis zur Rückforderung oftmals – für externe Stakeholder – intransparent sind. Schlechtes Bestands- und Liquiditätsmanagement ist also eine akute Gefahr. Basierend auf Ihren Projekterfahrungen: Was sind die wichtigsten strategischen und operativen Empfehlungen, damit Autohändler ihre Liquidität sichern und in diesem herausfordernden Markt bestehen können? Seher: Strategisch empfehlen wir die Diversifizierung des Geschäftsmodells. Das gelingt durch die Aufnahme weiterer Marken und, noch wichtiger, durch den Ausbau der Gebrauchtwagenkompetenz und des After Sales mit ergänzenden Services. Unerlässlich ist auch, die Herstellerbeziehung aktiv zu managen und realistische Zielverhandlungen über Volumina und Boni zu führen. Hartmann: Operativ müssen die Liquidität und das Lager gesteuert werden. Die Standtage müssen konsequent, gegebenenfalls auch zu Lasten der Marge, gering gehalten werden. Zudem sollten Händler versuchen, die Restwertrisiken abzusichern, etwa bei Leasingrückläufern und verkürzten Haltezeiten. Das unternehmerische Risiko steigt ohnehin durch den Fokus auf Gebrauchtwagen und After Sales, zumal im Service Preisdruck herrscht und E-Autos weniger Wartung benötigen. Konsequentes operatives Performancemanagement und gute Personalgewinnung und -steuerung sind daher alternativlos. ISCHEN BHÄNGIGKEIT
Die Ursprünge des sächsischen Emaille-Spezialisten OMERAS gehen zurück auf das älteste in Deutschland bestehende Emaille-Werk mit einer fast 200-jährigen Tradition. Die Unternehmensgeschichte wird nach der gelungenen Sanierung fortgesetzt: Welche Rolle dabei die Unternehmenskultur gespielt hat und welche weiteren Erfolgsfaktoren es gegeben hat – darüber sprechen der Eigenverwalter und der Sachwalter. Der zehnte Teil unserer Serie „Erfolgsfaktor Sanierung“. Von Lauter-Bernsbach in die weite Welt Lauter-Bernsbach, eine malerische Ortschaft mit gut achttausend Einwohnern im sächsischen Erzgebirgskreis, eine knappe Dreiviertelstunde von der tschechischen Grenze entfernt. Ein Ort mit Tradition – auch in der Herstellung von Emaille. Dafür sorgt OMERAS, ein Spezialist für Fassaden und Tunnelverkleidungen aus Emaille, zu finden in Berlin, Barcelona und Bergisel ebenso wie in Malaysia, Molfsee und Mittweida. Aber nicht nur Verkleidungen, ssondern auch große Behälter aus Emaille für Flüssigkeiten werden in fast 50 Länder der Welt exportiert. Drei Viertel der Produktion wird ins Ausland verkauft. Alles Zutaten für eine Erfolgsgeschichte. Wenn da nicht die Corona-Krise gewesen wäre. Eine Kombination aus den Folgewirkungen der CoronaPandemie und Preissteigerungen in Folge der geopolitischen Verwerfungen der vergangenen Jahre sorgte für wirtschaftliche Unruhe. So belasteten die hohen Energiekosten, die OMERAS aufgrund der sehr energieintensiven Einbrennprozesse für die Oberflächenveredlung hat, besonders stark. Hinzu kam ein durch den starken Anstieg von Baukosten entstandene Investitionsrückgang bei den Kunden, der wiederum die Nachfrage nach Fassadenelementen aus Emaille einbrechen ließ. Kurzum: Eine Gemengelage, die durch eigene Kraft nicht mehr gemeistert werden konnte. Das Ende von OMERAS? Dies hätte das Ende von OMERAS sein können, das Ende von einer fast 200-jährigen Tradition von EmailleHerstellung, das Ende von Arbeitsplätzen für die rund 150 Beschäftigten. Doch es kam anders. Um das Unternehmen neu aufzustellen und zu erhalten, stellten die Geschäftsführer Sven Huhn und Oliver Knauf Ende Februar 2025 einen Antrag auf ein Sanierungsverfahren in eigener Regie. Um die Sanierungsoptionen von Omeras zu prüfen, wurde die Expertise eines Teams von der Kanzlei Flöther & Wissing Sanierungskultur rund um den Chemnitzer Rechtsanwalt Reinhard Klose hinzugezogen. Als vorläufiger Sachwalter beaufsichtigte und begleitete Rüdiger Bauch von Schultze & Braun mit seinem Kollegen Matthias Schwanke die Geschäftsführung im Rahmen der Sanierung. Großes Übernahmeinteresse „Es meldeten sich schnell mehrere Interessenten, die sich vorstellen könnten, in den traditionsreichen Emaille-Betrieb zu investieren“, schildert Reinhard Klose das große Übernahmeinteresse. „Darüber hinaus sind wir aktiv auf potenzielle Investoren zugegangen, um die Chancen für die OMERAS zu maximieren.“ GemeinÜber OMERAS: Die OMERAS Oberflächenveredelung und Metallverarbeitung ist 1992 in Lauter-Bernsbach (südwestlich von Chemnitz) gegründet worden. Die Ursprünge des Unternehmens gehen zurück auf das älteste in Deutschland bestehende Emaillierwerk mit einer fast 200-jährigen Tradition. UNTERNEHMENSKUL ALS SCHLÜSSEL FÜR INVESTO SER I E
sam prüften die Geschäftsführung und die beteiligten Sanierungsexperten die Interessenten und bewerten ihre Angebote. „Für uns war es wichtig, einen Investor zu finden, der zu OMERAS passt und der an das Potential der Emaille made in Lauter-Bernsbach glaubt“, beschreibt Rüdiger Bauch das Vorgehen. „Daher sind wir gemeinsam beim Investorenprozess so schnell wie möglich, aber auch so gründlich wie nötig vorgegangen.“ Im Laufe des Sommers zeichnete sich ab, dass der Übernehmer die HLE Glascoat aus Indien sein wird, im August konnte Vollzug vermeldet werden. Die Emaille als verbindendes Element Auf dem internationalen Markt für Emaille ist HLE Glascoat ein bekanntes Unternehmen und ein führender Hersteller von Emaille-Produkten und anderen Gewerken für die chemische und pharmazeutische Industrie mit Hauptsitz im indischen Anand. „Oder anders formuliert: Die Emaille ist das verbindende Element der beiden Unternehmen, und mit der Übernahme wird OMERAS trotz einer Entfernung von rund sechstausend Kilometern Luftlinie von Sachsen nach Indien Teil eines internationalen Unternehmensnetzwerks mit Büros und Partnern auf der ganzen Welt, neben Indien auch etwa in den USA, Canada, Thailand und Argentinien“, sagt Sachwalter Bauch. Der Kaufvertrag wurde im August 2025 unterzeichnet. Omeras wurde von den Käufern als Unternehmen mit genug Potenzial für eine langfristige, wirtschaftlich tragfähige Zusammenarbeit eingeschätzt. Doch vor der Unterzeichnung stand eine Prüfung durch den Investor, die es so in dieser Art nur selten zu sehen gibt. Prüfung bestanden! „HLE Glasscoat wollte nicht nur sichergehen, dass Omeras über das wirtschaftliche Potenzial verfügt. Nein, ein Element war mindestens ebenso wichtig: nämlich ob die Unternehmenskultur stimmt. Die indischen Investoren interessierte es nicht nur brennend, wie die Zahlen aussahen oder wie das Werk ausgestattet ist, sondern auch wie konkret zusammengearbeitet wird“, sagt Klose. Also wurde in Gespräche mit der Geschäftsführung und der Belegschaft in Lauter-Bernsbach eruiert, wie die Kolleginnen und Kollegen miteinander umgehen oder wie ist es um die Führungs- und Fehlerkultur im Unternehmen bestellt ist. Und wie die künftige Zusammenarbeit aussehen wird. Antworten auf diese Fragen wurden in intensiven Gesprächen und mehreren Besuchen der Investoren aus Indien vor Ort in Sachsen gefunden. Dabei wurde nicht nur das Werk besichtigt, sondern auch ausreichend Zeit eingeplant für den wichtigen zwischenmenschlichen Austausch, der Auskunft über die Unternehmenskultur geben kann. Am Ende hieß es dann ganz klar: Prüfung bestanden! OMERAS 2.0 Im nächsten Schritt plant HLE Glascoat für OMERAS eine Fokussierung auf das Kerngeschäft, die Emaille-Produktion und damit eine Neuausrichtung des operativen Geschäfts. Das bedeutet, dass sich OMERAS künftig verstärkt auf das Design und die Produktion emaillierter Gewerke konzentrieren wird. Besonders positiv: Fast alle Mitarbeitenden haben dank des neuen Investors und der Arbeit und des Einsatzes der Geschäftsführung, der Eigenverwaltung und der Sachwaltung ihre Arbeitsplätze behalten können. Das ist kein Automatismus, gerade in so wirtschaftlich unsicheren Zeiten wie aktuell. Aber auch eine Möglichkeit, OMERAS mit ihrer langjährigen Expertise in eine wirtschaftlich stabile Zukunft zu führen – und auch ein weiterer Beleg dafür, dass die Unternehmenskultur stimmt. LTUR OREN-ERFOLG Im vorangehenden Teil von „Erfolgsfaktor Sanierung“ steht die Sanierung des Batteriezellenherstellers CustomCells im Fokus. Maßgeblichen Anteil daran, dass das Startup nur zwei Monate nach dem Insolvenzantrag mit neuen Investoren wieder positiv in die Zukunft blicken kann, hat das Zusammenspiel von Insolvenzverwaltung und Sanierungsarbeitsrecht.
T E R M I N E NOVEMBER 2025 Basiswissen Insolvenzrecht 25.11.2025, online Verwaltervergütung optimieren 21.11.2025, online Bilanzanalyse in Sanierungs- & Insolvenzfällen 23.10.2025, online Bilanzkosmetik & Bilanzmanipulation erkennen 13.11.2025, online Insolvenzanfechtung vermeiden und abwehren 10.11.2025, online Künstliche Intelligenz in der Insolvenzverwaltung 14.11.2025, online
DEZEMBER 2025 Das Nachlassinsolvenzverfahren 02.12.2025, online Verbraucherinsolvenz & Restschuldbefreiung - das Wichtigste in Kürze 05.12.2025, online Rechtsfragen in der Sanierung 01.12.2025, online 3x3 Praxis-Workshop Sanierung 02.12.2025, online e-Learning: Verbraucherinsolvenz und Restschuldbefreiung Jederzeit, online e-Learning: Praxiswissen Insolvenzrecht Jederzeit, online e-Learning: Die Restschuldbefreiung Jederzeit , online
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