Krise & Chance September 2023

Thema Ein Herz für Herr Rozijn, kommt es häufig vor, dass Investoren nicht das Unternehmen selbst, aber dessen Marke aus der Insolvenz heraus erwerben? Rozijn: Das Vorgehen bei Air Berlin reiht sich ein in eine Vielzahl von ähnlich gelagerten Fällen bei anderen Marken. Denken Sie etwa an Maredo, Praktiker, Neckermann oder Quelle. Gerade bekannte oder traditionsreiche Marken können für den Neustart oder den Ausbau von Unternehmen oder Produktlinien das Marketing befeuern. Was beabsichtigt ein Investor denn mit einem solchen Kauf? Rozijn: Der Erwerber übernimmt die eingeführte und am Markt bekannte Marke. Auch wenn der neue Eigentümer der Marke Air Berlin, der Gründer der Fluglinie Sundair, seine konkreten Pläne für die Marke noch nicht verkündet hat, profitiert sein Geschäft bereits jetzt von den nostalgischen Empfindungen, die die Marke bei vielen früheren Kunden auslöst, war Air Berlin doch gerade als Ferienflieger bekannt und beliebt. Dann läge es nahe, in der Branche oder Branchennähe zu bleiben. Gerade aus Sicht der Fluglinie Sundair könnte die Marke tatsächlich wieder für eine Fluglinie nutzten und ihr sprichwörtlich wieder „Wind unter die Flügel“ geben. Aber auch für Dienstleistungen im Fluggeschäft, etwa als Ticketvermittlung oder für Reiseveranstalter, lässt sich die Marke mit ihrer Historie gut verwenden. Gibt es auch Beispiele für stationäres Geschäft mit der Marke eines insolventen Unternehmens? Rozijn: Ja, da ist die Steakhaus-Kette Maredo ein gutes Beispiel. Nachdem das insolvente Unternehmen Anfang 2021 nahezu alle Mitarbeitenden entlassen musste, übernahm im Juli des gleichen Jahres ein Investor die Marke „Maredo“ und die dazugehörige Internet-Domain. Sein Ziel: Die Marke Maredo mit neuen Restaurants wieder mit neuer Lebensglut füllen. Aktuell gibt es unter dem Namen Maredo in mehreren deutschen Städten insgesamt acht Restaurants. Wie bemisst man denn den Wert einer Marke? Rozijn: Marken werden bei Unternehmensverkäufen oder auch bei Verwertungen aus der Insolvenz höchst unterschiedlich behandelt. Vom Inhaber wird der Wert der Marke häufig überschätzt, vom Interessenten wiederum wird er häufig klein geredet. Mal werden Rund 120.000 Euro – so viel sind dem neuen Eigentümer die Rechte an der Marke Air Berlin wert. Knapp sechs Jahre nach dem Grounding konnte der Insolvenzverwalter der ehemals zweitgrößten deutschen Fluggesellschaft, die auch für ihre roten Schokoladenherzen bekannt war, die Marke Air Berlin verkaufen. Grundsätzlich gilt: Beim Erwerb, aber auch dem Verkauf einer Marke und der dazugehörigen Preisfindung müssen zahlreiche Besonderheiten beachtet werden. Welche das sind, erläutert Dr. Michael Rozijn von Schultze & Braun im Interview.

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