Wer hat noch nicht, wer will nochmal?! So lässt sich das (vermeintliche) Insolvenz-Kalkül, über das zum Teil sehr angeregt diskutiert wird, in einem Satz zusammenfassen. Oder anders formuliert: Weil das jetzt alle in der Branche machen und ich ansonsten mit meinem Unternehmen ins Hintertreffen gerate, gehe ich jetzt lieber auch in ein Insolvenzverfahren. „Angesichts der Tatsache, dass sich ein Unternehmen mit einem erfolgreich absolvierten Insolvenzverfahren von seinen Verbindlichkeiten und Altlasten befreien kann, klingt das zunächst nachvollziehbar und irgendwie auch ein wenig verlockend“, sagt Tobias Hartwig von Schultze & Braun. „Allerdings setzt ein Insolvenzverfahren immer voraus, dass ein sogenannter Insolvenzgrund vorliegt, bei dem die Insolvenzantragspflicht greift. Das Unternehmen muss also entweder drohend zahlungsunfähig, die Zahlungsunfähigkeit muss bereits eingetreten sein oder das Unternehmen ist überschuldet. Ein prosperierendes Unternehmen kann also niemals einen Insolvenzantrag stellen.“ Wirtschaftliche Notwendigkeit Eine Sanierung mit Hilfe des Insolvenzrechts ist und bleibt also nur dann sinnvoll und möglich, wenn eine wirtschaftliche Notwendigkeit besteht und ein Antragsgrund gegeben ist. „Zudem ist die Sanierung eines Unternehmens – wenn sie denn rechtlich möglich ist – auch mit den Möglichkeiten des Insolvenzrechts alles andere als ein Selbstläufer und auch kein Allheilmittel“, sagt Michael Böhner von Schultze & Braun. „Denn wenn die Strategie für den Neustart fehlt, nützt auch die Befreiung von Verbindlichkeiten und Altlasten nichts.“ In einem solchen Fall steht man dann wirtschaftlich gesehen sehr wahrscheinlich bald wieder mit dem Rücken zur Wand. Die vermeintliche Sanierung war in einem solchen Fall nicht so nachhaltig, dass das Unternehmen danach den erneuten Gang zum Insolvenzgericht vermeiden kann.“ In punkto Nachhaltigkeit müssen sich Insolvenzverfahren aber keineswegs verstecken. Das belegt die Kernerkenntnis einer großangelegten Untersuchung von Schultze & Braun anlässlich des zehnten ESUGJahrestages 2022 für die der Zeitraum von März 2012 bis September 2021 anhand sogenannter Zweitinsolvenzen unter die Lupe genommen wurde: Sowohl das Regelinsolvenzverfahren als auch die Eigenverwaltung mit und ohne Schutzschirmverfahren stehen für nachhaltige Unternehmenssanierungen. Krisenursachen beseitigen Die Untersuchung zeigt zudem, dass relativ schnell klar ist, ob ein Unternehmen nachhaltig saniert wurde und durch das Insolvenz-, Eigenverwaltungs- Die Insolvenzordnung hat den Sanierungsgedanken vor 25 Jahren zum zentralen Element von Insolvenzverfahren gemacht. 2012 hat das ESUG der Eigenverwaltung und dem Schutzschirmverfahren zum Durchbruch verholfen. Gerade das Schutzschirmverfahren ist jedoch zuletzt in einzelnen Branchen in den Verdacht geraten, als Wettbewerbsvorteil missbraucht zu werden. T i tel
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